l.

[159] »Da muß ich Ihnen doch mal etwas merkwürdiges erzählen, was mir passiert ist. Es war am 28. Okt. 1906. Ich hantierte morgens in der Küche, als ich unsern abgeschlossenen Korridor mit einem ganz fremdartigen rötlichen Lichte erleuchtet sah. Wir haben im Hause nur das bleiche elektrische Licht. Ich sah dann im Korridor einen Mann in unsere Schlafstube gehen; sein Gesicht konnte ich nicht erkennen. Ich dachte an meinen Mann, der noch nicht aufgestanden war. Damit war das Licht auch alsbald verschwunden. Ich ging in die Schlafstube zu meinem Mann und fragte: ›Bist du eben auf dem Korridor gewesen?‹ Er verneinte es. ›Hast du gemerkt, daß jemand vom Korridor in unsere Schlafstube gekommen ist?‹ Auch das verneinte er. Ich ging mit eigenartigen Gedanken zurück und sah nach der Uhr; es war etwa 7 Uhr morgens. – Bald nachher erhielten wir die Nachricht von dem Tode meines Schwiegervaters. Er hatte am 28. Okt. morgens die Besinnung verloren, und am selben Tage abends war er gestorben.«

So erzählte mir Frau B. aus Berlin, eine kerngesunde, lebhafte Person, deren Mann aus dem südlichen Oldenburg stammt. »Sie haben derartiges wohl schon mehr erlebt?« fragte ich sie. »Noch niemals.« »Dann haben sie sich in den Tagen vorher in Gedanken wohl viel mit Ihrem Schwiegervater beschäftigt?« »Nein, gar nicht; mein Schwiegervater hielt ein großes Stück auf mich, ober in jener Zeit war mein ganzes Denken und Trachten lebhaft von ganz anderen Dingen in Anspruch genommen« (Essen).

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 1, Oldenburg 21909, S. CLIX159.
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