a.

[374] Nahe bei Altenesch liegt eine große Brake, die Nobiskuhle. Als einst die Weser durch schwere Sturmfluten sehr hoch gestiegen war und auf der Ostkante, wo die Deiche schlechter waren als im Stedingerlande, überzufließen drohte, erkauften die Bauern von der hannöverschen Seite einen Stedinger namens Nobis mit einem roten Rocke und einer bunten Kuh, daß er den Stedinger Deich durchsteche und so von dem anderen Ufer die Gefahr abwende. Nobis brauchte bei dem hohen Wasserstande nichts weiter zu tun, als daß er eine Bohnenstange oben auf dem Deiche hin und her schob, sodaß eine kleine Rille (Rinne) entstand, die das Wasser erst langsam, dann mit reißender Schnelligkeit zu einem großen Deichbruch erweiterte. Nobis vollbrachte die Tat, aber er sollte den Lohn nicht lange genießen. Die Stedinger steckten ihn in eine mit Nägeln ausgeschlagene Tonne, rollten diese von der Deichkappe in die tiefste Stelle des Deichbruchs und bedeckten sie dann mit Erde bis zur Höhe des früheren Deiches. Als die ersten Schollen auf die Tonne fielen, hörte man den Eingeschlossen rufen:


»De rode Rock, de bunte Koh,

De deckt mi armen Sünder to!«


bis endlich die Stimme unter der Erde erstickte. (In der Gemeinde Sandel bei Moens an der Grenze der Gemeinde Schortens liegt ein Haus Nobiskrug, das ehemals von Hofdiensten und persönlichen Lasten frei war, dagegen in Notfällen die Wache beherbergen mußte. Auf den nahen Anhöhen finden sich noch manche Überreste von heidnischen Begräbnisstätten als Urnen u. dgl. Südlich von Nobiskrug liegt ein Gehölz namens Streitfeld. – An der Landstraße Münster-Warendorf, eine Stunde von Münster, steht ein Wirtshaus Nobiskrug, das früher über der Tür die Inschrift trug: Si deus est pro nobis, quis contra nobis. Gegenwärtig liest man contra nos. Liebhaber der früheren Inschrift verteidigten den originellen Fehler contra nobis dahin, der Besitzer des Hauses habe ehemals Nobis geheißen. Im »Führer durch die nähere Umgebung Münsters« von Dr. Longinus wird über Nobis bemerkt, wahrscheinlich sei Nobis aus Nops entstanden, einer heidnischen[374] Gottheit, die dort ihr Wesen getrieben habe, wo böse Menschen vom Leben zum Tode befördert worden, also an Hinrichtungsplätzen. In der Nähe des Wirtshauses Nobiskrug, etwas oberhalb an der Landstraße nach Telgte habe ehemals der Galgen gestanden, und im Volksmunde heiße der Krug auch Nopskrug. – Strackerjan spricht in der ersten Auflage von einem Zwischenpunkt zwischen Himmel und Erde, in dem die abgeschiedenen Seelen eine zeitlang verweilten und nennt ihn Nobiskrug. Er teilt aus der Gegend von Vechta mit, wenn sich dort zwei verabschiedeten, hieße es wohl: »Adjüs Gerd, bet up't nechste Mal. Wenn't anners nich is, seht wi us in'n Nobiskrug, dar töw up mi«. Die Redensart scheint jetzt vergessen zu sein, wenn sie überhaupt bei Einheimischen je bestanden hat.

Vgl. 584 f.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 374-375.
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