c.

[166] In den Marschen hält man den Kiebitz gleich dem Storch für einen geheiligten Vogel, in dem eine Menschenseele stecke oder der einen verwandelten Menschen darstelle. Meine Eltern waren immer böse, wenn wir Kinder die Kiebitze belästigten[166] oder ihre Eier suchten. Man erzählte uns dann folgende Geschichte: »Ein Schäfer hat einst fünf weiße Schafe von seiner Herde verloren. Sein Herr hat ihn deshalb so gezüchtigt, daß er starb. Im Tode wurde er in einen Kiebitz verwandelt, und seitdem fliegt er umher und sucht unter dem Rufe: Fief witt – fünf weiße, die verlorenen Schafe.« Im Münsterlande erzählt man: »Ein Schäfer hat einst sechs Schafe verloren, fünf weiße und ein schwarzes. Bei der Suche nach den verlorenen Schafen kommt er auf ein großes Feld. Da fliegt auf einmal ein Vogel in die Höhe und ruft: Kiwit. Der Schäfer versteht: Fief witte. Er ruft dem Vogel zu: Was uck 'n schwart dorbi? Fut, fut macht der Vogel mit seinen Flügeln. Der Schäfer glaubt, das fut fut solle heißen, er müsse noch weiter fort aufs Feld und läuft ihm nach. Dieser schreit weiter: Kiwit und schlägt mit seinen Flügeln: Fut, fut. Zuletzt findet der Schäfer die verlorenen Schafe und treibt sie nach Hause. Als er dort anlangt, erzählt er, ein Vogel habe immer gerufen: Fief witte. Als er gefragt, ob auch ein schwarzes Schaf dabei sei, habe die Antwort gelautet: Fort, fort. So sei er dem Vogel gefolgt und wieder zu seinen Schafen gekommen.« (Langförden.)

Der große Brachvogel heißt im Münsterlande Wehlop, Broder Dirk.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 166-167.
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