316.

[79] Im Münsterlande wird die Woche, in welche das Himmelfahrtsfest fällt, die Bittwoche genannt, weil an den drei Tagen vor Himmelfahrt Bittgänge in die Felder für das Gedeihen der Feldfrüchte abgehalten werden. Vietsbohnen in der Bittwoche gepflanzt kommen mit Patersköpfchen d.h. schwarzen Köpfen aus der Erde (Löningen, Altenoythe), vgl. 53. In der Himmelfahrtswoche darf man keine Vietsbohnen pflanzen, »anners wasset se mit stuwe Köppe.« (Holle).

Zu Pfingsten schmückt man überall die Häuser mit Maien, d.i. grünen Birkenzweigen, ebenfalls schmücken die Schiffer ihre Schiffe, die Maurer die Baugerüste, die Müller die Mühlenflügel und neuerdings die Lokomotivführer ihre Maschinen mit Maien. In der Stadt Oldenburg kommen in den Rechnungen der Lambertikirche aus dem 17. und 18. Jahrhundert jährlich mehrere Fuder Mai vor, das zu Pfingsten in der Kirche an den Pfeilern aufgesteckt wurde. In den münsterländischen Kirchen wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts der »Maibusch« an den Festtagen Pfingsten und Fronleichnam aufgegeben und zwar »wegen zu starker Ausdünstung«, wie damals berichtet wird. In der Marsch, wo es an Birken fehlt, sieht man manchmal Kronen mit flatternden Bändern und vergoldeten Eiern in den Bauernhäusern über der Diele oder in der Tür hängen. Die Nacht vor Pfingsten wird dort und im Jeverland, Fries. Wehde usw. zu allerlei Schabernack benutzt. Was jemand außerhalb Hauses los und ledig läßt, das wird verschleppt. Handwerksschilder werden vertauscht, Bänke versetzt, kurz alles an einen verkehrten Platz gebracht. Ja es kommt vor, daß kleine Schiffe auf einen Wagen gesetzt werden, mit denen man am folgenden Morgen durch die Straßen des Ortes fährt, oder es werden Wagen auseinandergenommen,[79] stückweise auf das hohe Strohdach des Eigentümers geschafft und dort wieder zusammengefügt und wohl gar noch mit Dünger beladen. Früh am Pfingstmorgen gilt es, nicht der letzte im Bette zu sein. Dem Mädchen, das sich verschlafen hat, wird ein Strohmann ins Bett gelegt oder vor die Tür gestellt, dem Knechte das Bett mit Strohkränzen oder Brennesseln belegt. Der so im Bette betroffene heißt Pingstvoß. In der Marsch heißt einzeln die Magd, die zuletzt zum Melken kommt, die Pfingstbraut. Im Jeverland wird derjenige, der sich spät erhoben hat, mit dem Gruße »Pingsterblöm« empfangen. Alsdann wird ihm von allen Hausgenossen vorgesungen: »Pingsterblöm Leuelapp, gah na'n Bedd und schlap noch wat. Kuckuck is to fro upstahn, kann man wedder na'n Bedd' hengahn!« – Bei Löningen wurden früher jungen Mädchen Brennesseln oder stachelige Sträucher ins Bett gelegt. – In den Dörfern bei Brake werden in der Pfingstnacht die jungen oder erst zu Mai eingezogenen Hausväter von herumziehenden jungen Leuten »gehögt«, d.i. auf den Armen oder auf einem Stuhle in die Höhe gehoben; es ist dies eine Ehrenbezeugung für welche man sich durch Bewirten mit Getränk erkenntlich zeigen muß. – Den Dienstmädchen in den Marschen werden in der Pfingstnacht von jungen Burschen Strohpuppen vor das Fenster gestellt; oder man bringt die Puppe in die nächststehenden Bäume, damit sie nicht so bald beseitigt werden kann. – In Zetel und Umgegend verziert man Mädchen, denen man gut gesinnt ist, mit Pfingstblumen und Laub die Hake, die sie in der Frühe beim Melkengehen benutzen müssen. Älteren Junggesellen bringt man ein buntes Strohweib aufs Dach, damit sie voran machen, Jungfrauen, die sich bislang nicht entschließen konnten, erhalten einen geputzten Strohkerl. – An einigen Orten der friesischen Wede pflegen die jungen Leute in der Pfingstnacht zu kegeln. Zum Schlusse in der Morgenzeit wirft man statt mit der Kugel mit einem Besen nach den Kegeln, und es kommt darauf an, mit dem Besen den König zu treffen und zwar so, daß die übrigen Kegel stehen bleiben. Glückt der Wurf, dann gilt er 60 Holz. Auf den Ziegeleien in der Marsch werden auf Pfingsten die neueingetretenen Arbeiter barbiert. Man seift sie mit Lehm ein, ein hölzernes Messer dient als Rasierzeug und eine Dachpfanne als Spiegel. Die Bartscherer erhalten für ihre Bemühungen einen freien Trunk.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 79-80.
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