Scena X

[93] Zimmer. Aloisia allein.


ALOISIA. Hast du dann o grausames Schicksahl dich wieder mich verschworen, indem du mir dasjenige raubest, welches ich weit höher als mein Leben achte, und du o ausgetrockneter Thränenbrunn nachdem die Angst deine Quelle gehemmet, so bringe an deßen Statt wo möglich Blut hervor, meine Wangen zu benetzen. Ach mein Gemahl soll ich euch unter denen Todten oder Lebendigen rechnen, o bitteres Unglück welches euch mir entzogen, und aufs wenigste euch an der Seite zu sterben mir nicht einmahl vergönnet.


Sophia komt dazu.


SOPHIA. Ew. Excellenz komme ich zu berichten, daß ein Kerl mit einem Brief vorhanden, welcher verlanget vorgelaßen zu werden.

ALOISIA. Und von wannen komt er?

SOPHIA. Dieses hat er nicht sagen wollen, sondern begehret mit ihnen selbst zu reden.

ALOISIA. Ob ich zwar dergleichen Leuthe welche ich nicht kenne, ungerne vorlaße, so treibet mich doch die Begierde, sein Anbringen zu vernehmen, derowegen führe ihn anhero.[93]

SOPHIA. Ich gehorsame Ew. Excellenz.


Gehet ab.


ALOISIA. Der Himmel verhüte daß dieses nicht ein trauriger Bothe sey, mein Gemüth schwebet zwischen Furcht und Hoffnung, wie es meinem werthesten Gemahl ergehet.


Sophia und Hans mit dem Brieff No. 4 dazu.


HANS WURST. Servus Ihre Excellenz, seyd ihr diejenige Gestrenge Frau selber, welcher ich diesen Brieff geben soll?

ALOISIA. Dieses wirst du wißen, wer dich an mich gesendet, laß mir den Brieff und die Aufschrifft sehen.

HANS WURST. Nein wann ihr nicht wißt, ob ihrs selber seyd, so muß ich wieder zurückgehen, und erst meinen Herrn darum fragen.

SOPHIA. Ihr guter Mensch, ihr müßt fein höfflich seyn, dieses ist die Gräffin mit der ihr redet.

ALOISIA. Und wer hat dir den Brieff gegeben?

HANS WURST. Der Herr Commoediant er sagt er sey euer Mann.

ALOISIA. Der Commendant wilt du sagen, dieses ist mein Ehe-Herr, und der Brief an mich geschrieben.

HANS WURST. Commendant und Commoediant ist alles eins. Übergibt den Brieff.

ALOISIA lieset den Brieff laut. Und wo war mein Gemahl, als er dir diesen Brieff gab?

HANS WURST. Daß er gemahlen hat, daß hab ich nicht gesehen, geschrieben hat er wohl, ist er etwa ä Müllner, und ihr die Müllnerin.

ALOISIA. Du Einfalt, wo befand sich dein Herr als du von ihm giengest?

HANS WURST. Im Kohl-Häfen ist er geseßen.

SOPHIA. Ihro Excellenz im Collegio will er sagen, er ist gar ein Einfältiger Mensch, dem das Latein auszusprechen schwer fället.

ALOISIA. Aber höre du Bote, Mein Gemahl, der dich aufgenommen, schreibet, daß ich dich alhier behalten soll, wann es demnach dein Wille, kanst du in meine Dienste verbleiben.

HANS WURST. Und was soll ich vor ä Dienst versehen, etwa ä Hoffmeister, oder so?

ALOISIA. Einen Narren hätte ich schier gesagt, weil man aber deren ohne dem gnug hat, solt du meine Salve-Guarde seyn, wozu gegenwärttige meine Bediente dir Anweisung geben wird. Gehet ab.

HANS WURST. Was hat Sie gesagt, Salb den Karren, das wird so viel seyn als schmier den Wagen, der Dienst gefalt mir weiter nicht.

SOPHIA. Nein Mein Freund, Sie hat gesagt Salve- Guarde, das will sagen Thor-Warter oder Thor-Steher.

HANS WURST. Was hats dann alles geredt, ich glaub Roht-Welsch, ich hab ihr wohl wenig verstanden.

SOPHIA. Dieses ist frantzösisch, welches dergleichen hohe Standes Persohnen reden, und davon zu Zeiten ein Wort in das Teutsche einmischen, aber saget doch wie ist euer Nahme?

HANS WURST. Hans Wurst der Jungfrau zu dienen.

SOPHIA. Seyd ihr niemahls im Feld gewesen?

HANS WURST. Ja von Jugend auf.

SOPHIA. Es wird meiner Gräffin lieb seyn, einen solchen hertzhafften Menschen bey sich zu haben, der schon weiß wie es im Krieg hergehet.

HANS WURST. Ey freilich weiß ich wie es in den Krügen hergehet und in der Kandel darzu.

SOPHIA. Ich frage nicht nach Krüge und Kandeln, sondern ob ihr nicht wißet, was ein Lager sey, wo man sich verschantzet, biß der Feind heran komt.

HANS WURST. Ah ha, itzt weiß ich erst, was die Jungfrau meynt, ja, ja, wie ich bin daheim gewesen, wir haben uns alleweil gelagert, in der Früh und auf Mittag, aber keinen Feind haben wir nicht gesehen.

SOPHIA. Auff die Weise habt ihr auch nicht nöthig gehabt, euch zu verschantzen.

HANS WURST. Ja wir haben uns gleich wohl immer mahl verschantzt, anstatt der Schantz-Körbe haben wir so viel Bauern Menscher genommen, als wir braucht haben.

SOPHIA. Und was werdet ihr vor Beut gemacht haben, da ihr keinen Feind gesehen habt?

HANS WURST. Das ist so unser gewest, was wir gehabt haben, ä Grieß-Schmarren, Nocken, Linßen, ä Brein und was halt die Bauern ins Feld mit auße geben, wir habens nicht Beut machen dürffen, indem wir hart und schwer darum geackert und gedroschen haben.

SOPHIA. Eh du Ertz-Narr und fantast; So sehe ich wohl, daß du nur ins Feld gewest als ein grober Bauren Tölpel, welcher nur S.v. den Acker zu misten gebraucht worden, ich habe gedacht, du seyest ein Soldat, daß mit der Zeit ein officier aus dir werden könnte,[94] da ich dich zu heyrathen willens gewesen, aber anjetzo mag ich dich nicht.

HANS WURST. Du Strudel-Gesicht und ich mag dich auch nicht, unsere Jodeln daheim haben wohl hübschere Mädel, das sind Menscher, Fuß habens so weiß wie ä Gold, laß schauen ob die deinigen so weiß sind.

SOPHIA. Du ungeschliffener Esel, du Flegel wart, jetzt will gleich den Haußknecht laßen über dich kommen, daß er dir den Puckel voll anprügeln soll. Gehet ab.

HANS WURST. Du Schneebruntzerin ich verlang dich nicht, unsere Buben daheim, wann sie ihrem Diendel ä Schmatzel geben, und nicht zwey finger dick ein Rotz dran sitzen thät so meynten Sie es wär nicht gesund, ja diese da wär wohl geschickt darzu, wann sies sehen würden, daß es solche schopffete Menscher geb, Sie dächten es wären Fledermäuß oder Meer-Wunder, und sol der Haußknecht sich unterstehen mich zu prügeln, ich wolt ihm ä Stoß geben, daß man ihn zu Preßburg wieder suchen müst. Gehet ab.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 93-95.
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