Scena VIII

[91] Wald.

Hie geschiehet der Türckische March mit einer Türckischen Music auf nachfolgende Weise langsam über das Theatr.

1. Ein Cadi oder Türckischer Gesetz-Lehrer führend die Standarte des Mahomets worauf dieser falsche Prophet gemahlet zu sehen.

[91] 2. Ein Türckischer Officier und 6 Gemeine mit bloßen Säbeln.

3. Wiederumb ein Cadi so den Alcoran oder Türckisches Gesetz-Buch tragt.

4. Zwey Türcken mit einer langen Stangen, ein jeder an seiner Stange zu oberst ein Roß-Schweiff gebunden.

5. Tekely und Sechs Tartarn, deren ein jeder eine Flinte über die Achsel hangen hat.

6. Zwey Türckische Kebs-Weiber auf einem Wagen, so von Mohren gezogen wird.

7. Zwey Türcken, jeder mit einer Fahne, worauf der halbe Mond oder das Türckische Wappen zu sehen.

8. Wieder obige 6 Türcken [No. 2], jeder mit einem Rantzen, aber ohne den vorigen Führer.

9. Wiederumb die 6 Tartarn [No. 5] aber ohne den Tekely.

10. Die Tiirckische Stuck, und hinter denenselben die Bagage. NB.: Wann es seyn kan und sich schicket.

11. Wiederumb die Zwey Türcken [No. 4] mit ihren Roß-Schweiffen.

12. Zwey Türckische Bahsen mit bloßen Säbeln.

13. Vier Türckische Printzen, biß daher pahsiret der Zug über das Theatr:

14. Der Großvezier Kara Mustapha auf den Wagen [No. 6].

15. Selim und Ibrahim.

16. Sechs Türcken, welche sich auf der einen Seiten des Theatri rangiren.

17. Sechs Tartarn [aber ohne Flinten] auf der andern Seiten.

Kara Mustapha, Selim und Ibrahim, und ihre Soldaten No. 16 und 17 verbleiben, die übrigen ab.


KARA MUSTAPHA. Also müßen des Groß-Sultans Waffen ihnen alles unterwürfig machen; ja von Orient biß Occident darf sich niemand unterstehen den gehorigen Tribut ihm zu verweigern. Die Ottomannische Pforte machet billig aus der Trapezuntischen, Griechischen und Römischen Monarchie eine Herrschafft, und dieses Kleeblat schreibet der gantzen Welt Gesetze vor. Europa ist es, welches biß daher sich geweigert, die Macht des großen Mahomets zu erkennen. Aber dieser gewaltige Lehrer wird denen verhaßten Christen zeigen, wie gefährlich es sey, ihm zu wiederstehen. Die Stadt Wienn muß zuerst die Schärffe unserer Säbel empfinden, ja aus dieser Stadt werde ich die Christen herausjagen so sich darinnen verkrochen, und hernachmahls meinen Siegreichen Einzug darinnen halten, damit die Macht des großen Mahomets überall verehret, und die Waffen seines Dieners Solimans auf dem gantzen Erdkreiß gefürchtet werden mögen.


Hie blitzet, donnert und regnet es.


SELIM. Großer Vezier und Fürst des ottomannischen Reichs, ich weiß nicht, wie ich dieses verstehen soll, indem der Himmel auf deine geführte Reden so plötzlich seinen Donner schicket, welches mich fast zweifflen machet, ob auch unsere Unternehmungen einen erwünschten Ausgang gewinnen werden.


Hie steiget der Groß-Vezier herunter, und wird der Wagen hinweg geführet.


KARA MUSTAPHA. So bistu schon kleinmüthig Selim, da dich doch der Blitz noch nicht einmahl gerühret hat. Warum hast du dich in den Krieg, und nicht vielmehr einem alten Weib zum Diener gegeben, da dich ein rauschendes Blat erschrecken thut. Siehe da, dieser von dem Himmel geschickter Donner zeiget vielleicht an, daß dem großen Mahomet meine Reden gefallen, und er alle Christen vertilgen will, welche selbst der Horizont nicht zu erdulden vermag, ja ich schwöre bey Sonn und Mond, daß ich alle diejenigen so diesen mächtigen Propheten nicht verehren, mit Feuer und Schwerdt verfolgen will, selbsten aus ihrer Stadt Wienn, nach dem ich die Burger und Einwohner darinnen niedergehauen und zu Sclaven gemacht, werde ich die beste Kleinodien nehmen und nach Mecha senden das Grab dieses großen Propheten damit zu behängen und zu bezieren.

IBRAHIM. Ich selbsten Großer Vezier kan dir nicht bergen, daß ich anfangs hierüber entstellet war, dem ohngeachtet und ob es uns zwar weder an Muth noch Volck gebricht, so sind doch die Christen nicht so geringe zu schätzen, als du dir vielleicht einbildest. Sie haben in denen vorigen Kriegen gezeiget, daß Sie auch geschickt sind, Warfen zu führen, wodurch Sie uns offtmahls viel Volck zu nichte gemacht, anjetzo da es auf das äußerste gehet, werden Sie ohne Zweiffel sich starck zusammen rotten, derowegen behutsam, wann wir nicht wollen, daß unsere Verrichtungen fruchtloß abgehen sollen.

KARA MUSTAPHA. Wie zum Teuffel was höre ich, so seyd ihr auch furchtsam und habet[92] eure Löwenhaut in einen Hasenbalg verwandelt, hat es ehmahls das Ansehen gehabt, als hätten diese Hund gesieget, ist dieses nicht durch Tapfferkeit, sondern unsinnige Raserey geschehen, und wann auch unter unseren Vorfahren verzagte Hudler sich gefunden hätten, wollen wir umb desto behertzter seyn; Wer aber nicht Lust hat in den Krieg, der kehre wiederum, Ich werde gleichwohl derjenige seyn, welcher die Christen bestreiten, vertilgen, und ihre Stadt erobern will.

SELIM. Großer Vezier, du eyfferst ohne Ursach, in dem du meine Worte ungleich auslegest. Siehe da: aus diesem meinem Leib wird auch nicht Milch sondern Blut fließen, welches ich zu Dienst des Groß-Herrn und zum Untergang derer Christen zu vergießen bereit und willig bin.

IBRAHIM. Auch ich werde nicht meine Hände in die Schoß legen, sondern die Christen mit Stumpff und Stiel auszurotten trachten, und haben meine Reden nur eine wohlgemeinte Errinnerung in sich begriffen.

KARA MUSTAPHA. Wann dem also, so bin ich zufrieden, und umbarme euch als meine Mittgenoßen, ich eyle dem Siege einen Anfang zu machen, doch ihr Selim laßet euch angelegen seyn, daß das Lager an einem vortheilhafften Orth geschlagen, wie auch die Batterien aufgerichtet und die Stuck gepflantzet, und sonst die Janitscharen in guter Ordnung erhalten werden, und ihr mein Freund Ibrahim, nachdem ihr die Spahi gemustert und versehen, verfüget euch mit denenselben zu dem Heer, alwo ich euerer erwarten will.

SELIM. Ich gehe Fürst Mustapha deinen Befehl zu vollziehen.

IBRAHIM. Dein Wille großer Vezier muß mir anstatt eines Gebots dienen.


Alle ab.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 91-93.
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