Scena XII

[105] Hie wird aufgezogen und stellet vor die Stadt mit ihren Mauern und Pasteyen worauf etliche Stuck zu sehen und die Stadt-Guarde von ferne.

Selim, Ibrahim und sechs Türcken mit Schilde.


SELIM. Jetz under bin ich wohl zufrieden, daß ich nur Gelegenheit habe meinen Muth an die Christen zu kühlen, indem der Sturm bald angehen wird, O wie werden diese Hund zappeln, wann wir sie aus ihren Löchern jagen, und uns hingegen hinein postiren werden.

IBRAHIM. Dieses kan uns nicht fehlen, und werde ich des Kindes im Mutterleibe nicht verschonen, sondern alles was sich nicht in der Güte ergeben will, werde durch die Schärffe unserer Säbel erwürget.

SELIM. Jedennoch muß man sie nicht alle zur Höllen schicken, sondern die Schiffe auf dem Adriatischen Meer gebrauchen Ruder Knechte, wie dann auch Adrianopel vieler Sclaven zu seinem Bau benöthiget ist.

IBRAHIM. Es ist wahr mein Freund Selim, diese Gefangenschafft wird ihnen härter als der Todt selbst fallen, solte es uns aber an Ketten und Stricke ermangeln, diese Hund zu binden, so schneide man Riemen aus derer übrigen Leiber sie damit zu feßeln, und zu bestricken. Ihr aber tapffere Janitscharen freuet euch mit mir an der Christen Niederlage, die Beute die in dieser Stadt sich befindet ist alle euer, dafern ihr sie nur holen wollet.


Kara Mustapha, Tekely und sechs Tartarn mit Schilde und einem Roß-Schweiff dazu.


KARA MUSTAPHA. Wie zum Hencker, wo ist anjetzo der Muth derer Spahi, vor welcher Asia sich geneiget, und die Tapfferkeit derer Janitscharen vor welcher Africa ehedeßen erzittert ist, daß unsere Völcker jederzeit von denen verächtlichen Christen in die Flucht getrieben werden. Pfuy schämet euch daß ihr welche ehedeßen allezeit zu siegen gewohnet gewesen anjetzo wie die Haasen davon laufft.

TEKELY. Großer Vezier, die Christen welche gegen uns fechten, wehren sich wie die Löwen,[105] Sie wollen lieber sterben als gefangen seyn, und ist weder Stahl noch Eysen vermögend ihre Hertzhafftigkeit zu biegen.

SELIM. Mächtiger Feldherr ich habe gleich anjetzo zwey Kerl, welche mir verdächtig vorkommen, angetroffen, deren einer mir entsprungen der andere aber gefangen genommen worden, und habe ich solches dir gebührend andeuten wollen.

KARA MUSTAPHA. Alsobald gebe man Befehl, daß derselbe zu mir hergebracht werde.

SELIM. Ich gehe dein Gebot zu erfüllen. Gehet ab.

KARA MUSTAPHA. Vielleicht ist dieses ein Kundschaffter, von welchem ich die Beschaffenheit der Stadt zu meinem Vortheil erfahren kan.


Hans Wurst in Türckischer Kleydung, gefeßelt, und zu fuße nebst Selim und der Wacht kommen dazu.


HANS WURST. Wo wolts mich dann hinführen brauchts raison.

KARA MUSTAPHA. He du, von wannen bistu, und was ist dein Gewerbe, indem ich wohl sehe daß du kein Soldat bist.

HANS WURST. Ich bin ein Araber.

KARA MUSTAPHA. Aus welchem, aus dem glückseeligen, steinigten, oder wüsten Arabien?

HANS WURST. Das weiß ich selber nicht.

KARA MUSTAPHA. Aber wie nennet sich die Stadt, darinnen du gebohren und welches ist dein Geschäffte und Handthierung?

HANS WURST. Ich bin ein Saltzburger meiner profehsion und von Geburt ein Wurst Schütz.

KARA MUSTAPHA. Aber du Kerl scheinest mir verdächtig, indem du nicht Arabisch, sondern gar gut teutsch redest.

HANS WURST. Ich bin halt ä Teutscher Türck, und wer weiß wanns auf die Prob kommt, werden wir wohl alle beyde weder Arabisch noch Türckisch können.

KARA MUSTAPHA. Du Hund rede die Warheit und gib Antwort, oder ich will dich Augenblicklich in Stücke zerhauen laßen: Sage bist du ein Musulmann und beschnitten?

HANS WURST. Ja, ja, ich bin verschnitten.

KARA MUSTAPHA. So bist du gar verschnitten, wohl, ich werde dich nach Constantinopel schicken im Serrail zu dienen.

HANS WURST. Was soll ich da machen was ist das Seragl oder Schmaracke?

KARA MUSTAPHA. Denen Weibern des Groß-Sultans im Serrail solt du aufwarten, weil man dazu deinesgleichen Leuth braucht.

HANS WURST. Ah ha, das ist die Hoffstuterey, wan mans auf Arabisch ausspricht.

KARA MUSTAPHA. Hast du Lust dahin?

HANS WURST. Nä Herr Türck, ich mag nicht nach Constantinopel, ich muß heim zu meinem Weib gehen.

SELIM. Du dieses ist der Vizier gib ihm seinen gebührenden respect.

HANS WURST. Der Visir, gewiß der Visir-Schneider der den Weibern im Serrail das Maaß nimt, deßwegen hat er mich auch gefragt, ob ich beschnitten bin.

KARA MUSTAPHA. Aber was machstu dann mit einem Weib, da du deiner Außage nach verschnitten bist?

HANS WURST. Ich hab ä hübsch junges Weib, ich weiß nicht daß Sie über mich klagt, vielmehr hat sie mich allezeit heimlich gelobt.

KARA MUSTAPHA. Holla, dieses ist ohne Zweiffel ein Schelm und Spion. Alsobald lasse man ihn besuchen, ob er keine Brieffe bey sich hat.


Die Türcken visitiren ihn.


HANS WURST. Greiffts nur selber eine ins Felleisen. Zeigt ihnen den Hintern.

IBRAHIM. Was bistu aber zu verrichten Vorhabens gewesen?

HANS WURST. Ich bin von meinem Herrn Wein zu kauffen ausgeschickt worden.

KARA MUSTAPHA. Ah Vogel anjetzo sehe ich daß du ein Christ bist; Alsobald gebe man Befehl daß der Hund gespießt werde.

HANS WURST. No ä Spieß der ist schon recht, wann nur eine gute Spänn Sau dransteckt, ich friß Sie gar gern.

SELIM. Siehe du Bösewicht, ob du nicht so gar auch Schweinenfleisch ißest, welches allen Musulmännern ein Greuel ist.

KARA MUSTAPHA. Ihr Soldaten führt ihn weg; daß er allen Verräthern zum Exempel seinen verdienten Lohn empfange. Selim, Hans Wurst mit der Wacht ab. Anjetzo mache sich alles fertig zum Sturm, dann ich noch heute die Stadt haben, und denen Christen den Garaus machen will.

TEKELY. Großer Fürst, ich selbst werde mit meinen unterhabenden Tartarn den Angriff thun und die Stadt berennen, und zweiffele nicht an einem glücklichen Siege.

KARA MUSTAPHA. Man verschone keines Christen, er seye alt oder jung, nur was der Lehre des Alcorans sich unterwerffen will bleibe am Leben das übrige aber gehe zu[106] Grund, ja aus jenem großen Gebäu und Thurn werde ich dem großen Mahomet eine Mocheé widmen und verfertigen laßen damit der Nahme derer Christen daraus vertilget und hingegen die Macht des großen Mahomets, und seines Dieners Solimans gefürchtet werden möge.


Alhie läßet die Stadt-Guarde auf der Pastey sich sehen und schießet heraus, auch die Türcken richten sich zum Sturm.


IBRAHIM. Größester Fürst der ottomannischen Pforte, mein Geblüt kochet in meinen Adern, und ich kan mein Haupt nicht eher sanffte legen, biß ich die Christen ausgerottet sehe, derowegen es freue sich der Mond, es fliege der Roß-Schweiff, es frolocken alle Musulmänner daß der Christen Verderben nahe ist.


Hie wird auf beyden Seiten die Trummel gerühret, wie auch Granaten geworffen und gehet der Sturm an, die Türcken werden abgeschlagen, und etliche bleiben als todt liegen so die andern hernach wegtragen.


KARA MUSTAPHA. Verfluchtes Glück welches gäntzlich von mir gewichen, indem mein Volck gar wie verzaubert ist, jedoch muß ich die Stadt erobern, solte es auch Leib und Leben kosten.

TEKELY. Großer Vezier, der Baum fält nicht von einem Streich, und ob gleich die Belagerten sich eine Zeitlang währen, wird doch endlich ihre Raserey Deiner Gewalt in die Länge zu schwach seyn.

IBRAHIM. Weil sie anjetzo der Verzweifflung nahe sind, so schaumen Sie vor Gall und Eyffer, jedoch wird ihre tollkühne Wuth vor unsern Säbeln wie Butter an der Sonne zerschmeltzen müßen.

KARA MUSTAPHA. So laße man indeßen mit der Arbeit in denen Minen fortfahren und mit Bomben einwerffen die Stadt beängstigen; ich aber werde noch heute alle Bahsen und Obristen für mich erfordern laßen, umb mit ihnen Raths zu pflegen: Ihr übrige aber kommet und begleitet uns.


Alle gehen ab, forderstes Scena wird zugemacht.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 105-107.
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