Scena VIII

[102] Wird aufgezogen und praesentiret den geheimen Kriegs-Rath wie oben im Act. sec. scen. 3. Baaden, Stahrenberg, Cappliers und einen Secretarium.


BAADEN. Aus jetzt abgelesenem Schreiben, geehrte und ansehnliche Mittglieder werdet ihr vernommen haben, was Gestalt Ihro Röm. Kayserl. Mayestät Allergnädigst geruhet, uns Landes-Väterlich beyzustehen, und das ein Nahmhaffter Succurs derer Christlichen puihsancien im Anzug begriffen sey. Wir unseres Orths wollen nicht ermüden, unsere noch übrigen Kräffte zu Beschützung unserer geliebten Vater-Stadt anzuwenden, denen Barbaren zu zeigen, daß wir nicht allein die Waffen in denen Händen, sondern auch ein Hertz im Busen führen.

STAHRENBERG. Durchläuchtigster Fürst, die Sorge so Ew. Durchlaucht biß daher in Beschützung dieser unserer so edlen Vater-Stadt angewendet, ist dasjenige Bollwerck welches biß dato die feindliche Gewalt nicht überwältigen können, ob Sie zwar durch stätes canoniren und Bomben einwerffen der Stadt ziemlichen Schaden thut, dieses was ich ein Geheimes Collegium mir zu deseriren bitte, ist, und bestehet darin, daß 1. die in der Stadt befindliche Handwercks- und andere Leuthe mit Gewehr versehen und bey schwerer Straffe zur Defension der Stadt sich gebrauchen laßen sollen, 2. die arme und blehsirte Soldaten beßerer Verpflegung genießen mögen, damit dieselbe ein gleiches thun können, 3. alle Tag von gemeiner Stadt Tausend Mann zum schantzen zu verordnen seyen.

CAPPLIERS. So hat auch Sr. Kayserlichen Mayestät Resident, der Herr von Cunitz gegenwärttigen Brieff aus dem Lager gesendet, welchen ich Ew. Durchlaucht gehorsamst überreichen will. Übergibt den Brief No. 6.

BAADEN lieset den Brieff. Die Gefahr ist groß darinnen wir leben, und deswegen muß unsere Wachsamkeit umb desto größer seyn, euch aber Herr Graff von Stahrenberg soll das gesuchte bewilliget, und die Edicta ausgefertiget und publiciret werden.


Hans Wurst mit dem Brieff No. 5 dazu.


HANS WURST. Gnädiger Herr Graff, geschwind, geschwind, da ist eure Frau, die schickt euch diesen Brieff. Übergibt den Brieff.

STAHRENBERG. Meine Gemahlin, sage Hans Wurst wie befindet sich doch dieselbe, indem meine Geschäffte mich verhindert Sie zu sehen. Lieset den Brieff.

HANS WURST. Ach die arme Gräffin, sie hat umb euch geweint, daß man die Zäher nicht in zwo Waßer-Schaff einfaßen kunt. Sie krigt von lauter Sorgen so ä gspitzte Nasen, wie ä Nadel Büchsel, und wann ihr nicht bald komt und sie tröstet, so muß Sie gar in Trähnen verbrennen.

BAADEN. Und du, wer hat dir erlaubet, also unangemeldet herein zu kommen und unsern Geheimen Rath zu stören?

HANS WURST. Was geht mich euer Cammerad an.

STAHRENBERG. Du du seye unterthänig und höfflich, oder man wird dich abstraffen.

HANS WURST. Ich bin sonst wegen der Höfflichkeit noch nie gestrafft worden.[102]

STAHRENBERG. Aber ich höre jemand klopffen, Hans Wurst siehe zu wer es ist.


Hans Wurst schauet an die Thür und Koltschützky komt dazu.


KOLTSCHÜTZKY. Gnädige und hochehrbahre Herren, ich hab halt wollen kommen, Wie Sie mir geschafft haben.

BAADEN. Ihr thut wohl daran und nachdem ihr den Eyd der Treue schon abgeleget seyd ihr mit denen benöthigten Kosten von der Stadt aus versehen, Euere Verrichtung soll darin bestehen, zwey Brieffe an Sr. Durchlaucht den Hertzog von Lotthringen, welcher mit der Kayserl. Armeé am Biesenberg stehet, zu überbringen, zu dem Ende euch eine Türckische Kleydung und alle Nothdurfft gereichet werden soll.

KOLTSCHÜTZKY. Ist schon recht gestrenge Herren, ich werd schon alles ausrichten.

STAHRENBERG. Wie würdet ihr aber thun, wann man euch erkennete und etwas durch die Folter aus euch erzwingen wolte?

KOLTSCHÜTZKY. Ey da wird mir keiner zu gescheidt, ich wolt auch wohl das gantze Lager ausgehen, ohne daß man mich kennen solt, wann ich nur noch einen getreuen Menschen bey mir hätte.

STAHRENBERG. Mit Genehmhaltung Sr. Excellenz des Herrn Praesidenten will ich meinen Diener den Hans Wurst dazu vorgeschlagen haben.

CAPPLIERS. Dieser ist aber gar einfältig, und kan kein Türckisch reden.

HANS WURST. No No ich werd schon avancirt, von einem Brodtsitzer a Thorwartel und von einem Thorwartel ä Spion, mit der Zeit kann ich noch am Galgen promovirt werden wann ich mich wohl halte.

BAADEN. Es bleibet dabey Koltschützky, er seye euch zugegeben, der Himmel gebe daß alles gut von statten gehe, hier empfanget die Brieffe, welche ihr überreichet, und darauf eine Antwort wieder zurück bringet. Gibt ihm die Brieffe No. 7 et 8.

STAHRENBERG. Und du Hans Wurst kanst dich also hiezu fertig machen.

HANS WURST. No so seys halt werd ich gehenckt, so darf ich nicht ersauffen.

KOLTSCHÜTZKY. No Gnadige Herren so befehl ich mich biß auf Wiedersehen.

HANS WURST. Und wir bleiben ihnen mit Gnaden gewogen.


Koltschützky und H.W. ab.


BAADEN. Auch uns beruffet die Zeit zu andern Geschäfften, und die Nothwendigkeit ermahnet uns, uns von hier zu begeben.


Alle stehen auf.


STAHRENBERG. Wann dieses Stratagema seinen Entzweck erreichet so zweiffle ich nicht an einer glücklichen folge.


Tisch und Stühle werden weggetragen.


CAPPLIERS. Der Himmel vereinige seinen Willen mit unsern irdischen Unternehmungen, so können dieselbe nicht anders als erwünscht von statten gehen.


Alle gehen ab.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 102-103.
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