[30] Menesto, eine alte Schaffnerin, mit Bio, Phenippe und anderen jungen Sklavinnen, die Blumenkörbe tragen.
MENESTO.
Erst kränzet den Altar, dann kränzt den Thron,
Und Pfort' und Säule wollen auch ihr Teil.
Nur jene Bilder lasset ungeschmückt,
Denn Schmuck sind sie sich selbst, sagt unsre Herrin
Was lacht ihr, Kinder? Lachen dürft ihr wohl.
Das Haus verfällt, des Mägde mürrisch sind,
Sagt unsre Herrin. Aber wenn ihr lacht
Und lacht an diesem Tage –
BIO.
Ist er nicht
Ein Tag der Freude? Jubelt nicht das Volk
Und schmückt die Hermen – tanzt um die Altäre –?
MENESTO.
Und schielt nach rechts und schielt nach links derweilen,
Ob kein Karthagischer des Weges komme.
Denn übel deuten könnt' er das Gebaren.
BIO.
Was wollen sie in unsrer Stadt, die braunen,
Gierschlündigen Gesellen? Wen ein Blick
Aus ihrem Auge trifft, dem ist's, als führe
Der Mordstahl ihm zum Herzen.
PHENIPPE.
Haben wir
Umsonst sie überwältigt in der Quellenschlucht[31]
Heut' vor zehn Jahren, daß wir dulden sollen,
Wie sie auf Markt und Gassen –?
MENESTO ängstlich.
Still doch, still!
Sorg um die Peitsche, Kind! Wir dienen
Dem Herrn der Stadt. Mit der Gebieterin
Und ihres Hauses Recht erwarb er uns
Und hält uns gnädiglich. Wenn er so will,
Wenn er zu Freunden die Karthager will,
Ob deren Haupt er selbst die Geißel schwang,
Wie darfst du Nichts, du Weniger-als-Nichts,
Du, die du nicht den Kaufpreis wert bist, du –
PHENIPPE.
Ich schweige schon und denk' mir dies und das
Und denk' auch an den Herrn, den gütigen,
Der heute vor zehn Jahren –
MENESTO zusammenzuckend.
Gar noch er!
BIO.
Gedenkst du seiner nicht, Menesto?
MENESTO verängstigt.
Nein!
Ich nicht, du nicht, die Herrin nicht und keiner.
Verboten ist's, den Namen je zu nennen
Des Mannes, der in frevlem Unbedacht[32]
Die Stadt der Väter und des Heers Vertrauen
Der List des Feindes blindlings preisgegeben;
Und wäre nicht –
PHENIPPE.
Sieh, wer dort –
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