Achte Scene

[149] Schwartze. Keller.


KELLER trifft in der Thür mit dem hinausgehenden Max zusammen, den er verbindlich grüßt und der ihn herausfordernd mißt.

KELLER. Herr Oberstlieutenant, ich bin untröstlich, Sie verfehlt zu haben. Als ich aus dem Kasino heimkam, wo ich mittags stets zu finden bin – wie gesagt, immer zu finden – da lag Ihre Karte auf dem Tisch – und da ich annehme, daß Dinge von Wichtigkeit zwischen uns zu verhandeln sind, so beeile ich mich – wie gesagt, ich habe mich beeilt –

SCHWARTZE. Herr Regierungsrat, ich weiß noch nicht, ob in diesem Hause ein Stuhl für Sie da ist, aber da Sie den Weg[149] hierher so rasch gefunden haben, so werden Sie müde sein. Ich bitte, setzen Sie sich.

KELLER. Ich danke! Setzt sich neben den offen gebliebenen Pistolenkasten, sieht hinein, stutzt, sieht den Oberstlieutenant ungewiß an, überlegend. Hm!

SCHWARTZE. Nun, sollten Sie mir nichts zu sagen haben?

KELLER. Gestatten Sie mir zuvor eine Frage: Hat Ihr Fräulein Tochter Ihnen nach unsrem Gespräche über mich Mitteilungen gemacht?

SCHWARTZE. Herr Regierungsrat, sollten Sie mir nichts zu sagen haben?

KELLER. O gewiß, ich hätte Ihnen manches zu sagen. Ich würde mich zum Beispiel glücklich schätzen, Ihnen einen Wunsch, eine Bitte vortragen zu dürfen – aber ich weiß nicht recht, ob ... wollen Sie mir wenigstens das eine sagen: Hat Ihr Fräulein Tochter sich in einigermaßen günstiger Weise über mich ausgesprochen?

SCHWARTZE auffahrend. Ich will wissen, Herr, wie ich mit Ihnen dran bin – als was ich Sie hier zu behandeln habe?

KELLER. Ah so, Pardon, jetzt bin ich im klaren. Zu einer Rede ausholend. Herr Oberstlieutenant, Sie sehen in mir einen[150] Mann, der es mit seinem Leben ernst nimmt ... Die Tage einer leichtlebigen Jugend – Schwartze blickt zornig auf. Pardon, ich wollte sagen, seit heute früh ist ein heiliger und – wenn ich so sagen darf – freudiger Entschluß in mir gereift. Herr Oberstlieutenant, ich bin kein Mann der vielen Worte. Ich gehe gerad auf mein Ziel los: Als Ehrenmann zum Ehrenmann oder – kurz, Herr Oberstlieutenant, ich habe die Ehre, Sie um die Hand Ihrer Fräulein Tochter zu bitten.

SCHWARTZE sitzt still und atmet schwer, das Weinen verbeißend.

KELLER. Pardon, Sie antworten mir nicht ... bin ich vielleicht nicht würdig –?

SCHWARTZE nach seiner Hand hinübertastend. Nicht, nicht, nicht – nicht doch, nicht doch! ... Ich bin ein – alter Mann ... Es war ein bißchen viel für mich in diesen letzten Stunden ... Achten Sie nicht auf mich.

KELLER. Hm, hm!

SCHWARTZE aufstehend und dabei den Deckel des Pistolenkastens zuklappend. Geben Sie mir die Hand, mein junger Freund. Sie haben mir schweres Leid zugefügt – schweres Leid zugefügt! – Aber Sie haben es rasch und männlich wieder gutgemacht. Geben Sie mir auch die andre Hand –[151] so – so! Na, da wollen Sie sie wohl auch sprechen? – Man wird sich doch so manches zu sagen haben – hä?

KELLER. Ich bitte um die Erlaubnis.

SCHWARTZE öffnet die Flurthür und spricht hinaus, öffnet dann die Thür links. Magda!


Quelle:
Hermann Sudermann: Heimat. Stuttgart 61893, S. 149-152.
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