Vierter Auftritt.

[64] Agnes wird ohne Ketten hereingeführt und unten an neben einem Stühlchen gestellt. Knechte ab. Alle schweigen und betrachten sie. Ein Schreiber schreibt beim Verhör, das langsam gehalten wird.


OBERRICHTER. Agnes Bernauerin! warum steht Ihr vor Gericht?

AGNES. Ich weiß es nicht, kenne auch das Gericht nicht.

VICEDOM. Du stehst vor des Herzogs Vicedom und seinem Fraißgericht in Straubing.

AGNES. Der Bernauerin Gericht war die Reichsstadt Augsburg; mein Richter ist der Herzog selbst und Gott.

VICEDOM. Hier sollst du antworten. Das ist des Herzogs Wille, das beweisen dir deine Ketten.

AGNES. Albrechts Unterthanen können seine Frau nicht richten, und der Vicedom nicht die Frau seines Feindes. Doch ich will antworten, wen hat Unschuld zu scheuen?[64]

OBERRICHTER. Wie kam's, daß Albrecht Euch lieb gewann?

AGNES. Würdet ihr mich verstehen, wenn ich's euch sagte? weiß ich's selbst? – wir sahen uns und liebten.

OBERRICHTER. Wie ging's weiter?

AGNES. Er wollte mich besitzen! er mußte mich heiraten; er führte mich nach Voheburg; dort geschah's; das übrige, ach! wißt ihr ja selbst.

OBERRICHTER. Was sind Eure Ansprüche?

AGNES. Auf Albrechtens Herz und Treue; auf alle Rechte einer Frau.

OBERRICHTER. Das Gericht sagt Euch, Eure Ehe sei nicht gültig. Was weiter?

AGNES. Es kann nicht wider Gott sprechen, der uns verband.

OBERRICHTER. Wenn Albrecht sich gültig vermählen wollte, ließet Ihr ihn frei?

AGNES. O, das wird er nicht! – Doch gerne, wenn's sein Glück wäre; aber auch dann könnt' ich und dürfte es nicht.

OBERRICHTER. Was hofft Ihr vom Gerichte? oder von der Gnade des Herzogs? oder von Albrechts Liebe?

AGNES. Vom Herzoge sollt' ich hoffen, daß er das Albrechten gegebene Wort halten werde! von Albrechten eheliche Liebe und Treue bis an den Tod; von euch Gerechtigkeit.

OBERRICHTER. Was könnte Euch zu andern Gesinnungen bewegen, auf die des Landes Ruhe und vielleicht Eure eigene Rettung sich gründen?

AGNES. Meine Gesinnungen sind unwillkürliche Gefühle und geliebte heilige Pflicht. Nichts kann sie umstoßen.

OBERRICHTER. Habt Ihr noch was zu sagen?

AGNES. Daß ihr mich morden könnt, nicht verurteilen; daß ihr Albrechts Gemahlin ehren, euch der Unschuld doch erbarmen, oder zittern sollt vor ihrem Rächer da oben.

OBERRICHTER. Wollt Ihr Eure Aussagen nochmal hören?

AGNES. Sie stehen in meinem Herzen geschrieben.

VICEDOM zieht die Schelle an; Knechte kommen; man führt Agnesen fort. Habt ihr sie gehört, die stolze Dirne? – was ist da noch zu überlegen? Sterben, oder bürgerlicher Krieg! eine Welt muß zwischen die zwei gesetzt werden, oder es ist nichts gethan; geschwind muß es sein; sonst kommt Albrecht zurück, oder es reuet Ernsten gar; Verführung, Verrat, Empörung sind ihre Verbrechen; darüber sprecht! ersparet[65] euch Reden, die zu nichts taugen, die euch gefährlich werden könnten: eine schwarze Kugel in den Helm da, wenn ihr dem Herzoge treu seid: wenn euch Bayern lieb ist, wenn eine schwäbische Hure nicht eure Herzogin werden soll.


Der Helm geht herum. Die Räte ballotieren mit großer Bestürzung. Der Vicedom wird unruhig. Der Oberrichter sammelt die Stimmen.


VICEDOM. Zählt, Oberrichter!

OBERRICHTER. Acht weiße, acht schwarze Kugeln.

VICEDOM. Also an mir? – so sterbe sie! Steht auf: die Räte auch; viele weinen. Nun, Oberrichter! die Anstalten! vorsichtig und schnell. Morgen bei Tages Anbruch. Für sich. Bis ihr's vernehmt, verliebter Junge! alter, guter Vater! hat der Vicedom Bayern und sich gerächet. Ab; alle folgen still und traurig.


Quelle:
Das Drama der klassischen Periode. Herausgegeben von Dr. Adolf Hauffen, Band 1, Stuttgart [o.J.], S. 64-66.
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