67. Einsame Sommerlust

[482] Eigene Melodie


1.

Süßer Schatten, bunte Wiesen,

Wie vergnügt ihr meinen Sinn!

Wenn ich Jesu einsam bin,

Hab' ich euch so oft gepriesen.

Süßer Schatten, bunte Wiesen,

Wie vergnügt ihr meinen Sinn!

Ich seh' nichts in euch als diesen,

Den ich nenne, des ich bin.

Süßer Schatten, bunte Wiesen,

Wie vergnügt ihr meinen Sinn!

Wenn die Liebeswinde bliesen,

Fiel' ich leicht in Ohnmacht hin.
[482]

2.

Was hier grünet und sich reget,

Hat mein Freund hervorgebracht;

Schönheit, Weisheit, Güte, Macht

Ist im Kleinsten eingepräget.

Was hier grünet und sich reget,

Hat mein Freund hervorgebracht,

Sich nach seinem Wink beweget,

Und ihn lobt mit stiller Pracht.

Was hier grünet und sich reget,

Hat mein Freund hervorgebracht,

Doch was Erd' und Himmel heget,

Wird bei seiner Schönheit Nacht.


3.

Jesu, dich allein zu finden,

Sitz' ich still und einsam hier;

Du allein genügest mir,

Alles andre mag verschwinden.

Jesu, dich allein zu finden,

Sitz' ich still und einsam hier;

Daß wir uns aufs neu verbinden,

Reine Lust und Seelenzier.

Jesu, dich allein zu finden,

Sitz' ich still und einsam hier;

Willst du nicht mein Herz entzünden,

Daß ich mich in dich verlier'?


4.

Mit dir, Liebster, einsam leben,

Ist auf Erden Seligkeit;

Was die tolle Welt anbeut,[483]

Kann mir nichts als Plage geben.

Mit dir, Liebster, einsam leben,

Ist auf Erden Seligkeit,

Wenn wir dir allein ankleben

Über Sinnen, Ort und Zeit.

Mit dir, Liebster, einsam leben,

Ist auf Erden Seligkeit,

Bis du uns wirst ganz erheben

In die Ruh der Ewigkeit.


Quelle:
Gerhard Tersteegen: Geistliches Blumengärtlein. Stuttgart 1956, S. 482-484.
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