510. Der Pilger Wegweiser

[149] Mensch, hast du zu reisen Lust,

Höre, wie du reisen mußt:

In der Welt und in den Sünden

Ist kein guter Weg zu finden;

Wende dich zur Wüstenei,

Aller Kreatur vorbei,

Geh dann durch Vernunft und Sinnen,

Bleibe ja nicht sitzen drinnen,

Kehr dich tiefer niederwärts

Durch Verleugnen in dein Herz,

Was zur Seite ist, nicht achte,

Sieh nur vor dich still und sachte,[149]

Geh, doch nimmermehr allein,

Jesus laß dein'n Führer sein!

Strenge gehn ist hier Verweilen,

Still sein ist das beste Eilen.

Man vergeht sich leicht beim Licht,

Folge blind, dann irrst du nicht!

Merk's, willst du den Fußpfad gehen,

Auf dem Weg viel Kreuze stehen,

Und der Weg des Kreuzes ist

Einsam, tief und schmal und wüst;

Doch, wer's wagt, kann mit dem Stecken

In der Wüste Honig lecken.

Hie und da wird man gespeist,

Frisch dann wieder fortgereist!

Endlich, wenn du weitergehest

Und bei dir nicht stillestehest,

Kommt die große Wüstenei,

Laß dich da dem Führer treu!

Ist sie finster, dürr und lange,

Werde doch darum nicht bange,

Glaub's, bist du gekommen da,

Dann bist du der Heimat nah!


Quelle:
Gerhard Tersteegen: Geistliches Blumengärtlein. Stuttgart 1956, S. 149-150.
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