Lambesk.

[71] Hier bin ich nun schon einige Meilen über der Gränze jenes wurmstichigen und von Mönchen durchwühlten Landes, und befinde mich schon um vieles besser. Unter dem Burgfrieden eines Prinzen, der mit Joseph dem Zweiten verwandt ist, werde ich von seinem abgedankten Haushofmeister bewirthet, der mein Vaterland kennt – dem es dort wohl ging – und der es den Reisenden zu vergelten sucht, die daher sind. So klein diese politische und moralische Verbindung auch seyn mag, so kommt sie mir bei meinem Nachtlager doch sehr wohl zu Statten. Ich ward schon meiner fehlerhaften Aussprache wegen, die mein deutsches Vaterland verrieth, und die, sobald sie an die Ohren meines Wirths anschlug, ihn an alle das Gute erinnerte, das er bei uns genoß, auf das freundlichste in seiner Herberge empfangen; und als vollends meine persönlichen Verdienste dazu kamen, und meine Bedienten um den Küchenherd das Wunder sehr theatralisch beschrieben und vorgestellt hatten, von welchem ich eben herkäme, so wußten die Leute im Hause nicht, wie sie mir ehrerbietig genug begegnen sollten. Ich bin mit Wachskerzen umgeben, wie ein Heiliger, dessen Festtag man feiert, die erst der Wirth, dann seine Frau, dann seine Tochter und Magd einzeln auftrugen – um nur oft, und jedes mit eigenen Augen, den großen Mann anzugaffen, der ihrem Hause den Vorzug gegönnt hat, seine ermüdeten Glieder zu bedecken. – Um nichts Menschliches zu verrathen, ging ich mit stillem Ernste in dem erleuchteten Zimmer auf und ab, als ob ich an solche Klarheit gewöhnt wäre, bis sie mir ein Abendessen auftrugen, das eine wahre Coena domini und aus den feinsten Schüsseln zusammen[71] gesetzt war. Wenn ich immer und überall in diesem Nimbus erscheinen könnte, ich wollte keinen Meßmer, keinen Lavater, und keinen von den Herren beneiden, die so glücklich sind unser aller Mißgunst zu erregen. – Jetzt nun, da ich mich wie ein Erzbischof gesättigt, und mich beinahe ein wenig berauscht habe, wie ein gefürsteter Abt – da sich auch meine allzu dienstfertigen Wirthsleute in den unteren Stock zurück gezogen, und meine Bedienten umringt haben, die sich immer, wie ich von weitem höre, einander unterbrechen, um mit dem ehrwürdigen Ansehn ihres Herrn groß zu thun; jetzt könnte ich nun ruhig und lächelnd in das feine schneeweiße Bette steigen, das mir winkt, wenn mich das Versprechen, das ich Dir, lieber Eduard, mit meinem letzten Federstriche zu Avignon gab, nicht mehr als wie billig, munter erhielt. So höre mich denn eben so munter an, und höre noch die letzten Merkwürdigkeiten meines heutigen großen Tages, unter welchen ich glücklich bis an das Tintenfaß gekommen bin, das mir, in Wiener Porcellan, ein zweiköpfiger Adler vorhält.

Als ich mit dem Schwure, keinem Kasuisten, keiner Heiligen und keiner milden Stiftung je wieder so nahe zu kommen, die Gruppe, die ich Dir oben beschrieb, noch um eine Bouteille betrunkener, unter Rousseaus Aufsicht verließ, und ohne Geräusch meinen Hut und Stock aus der Ecke gezogen hatte, wo die fromme Bertilia ihrer verdienten Ruhe genoß, schlich ich stillschweigend meiner Wege, und war schon bis an die Thür gekommen, als der Domherr meinen Abzug bemerkte. Seine Zunge war jedoch zu schwer, ein deutliches Lebewohl auszusprechen; dafür aber schlug er mir so lange seine Kreuze nach, bis ich ihm aus dem Gesichte kam. Klärchen wischte höflich mir nach bis auf den Vorsaal, wo sie mir aus überströmender Dankbarkeit, im Angesicht des heiligen Nicaise, der unverschämt zusah, noch ein paar Küsse aufdrang, die, so Gott will, die letzten seyn sollen, die mir eine Heilige gab. Auf der Treppe hielt mich noch ein anderer widriger Anblick auf. Der schwarzgelbe Prokurator trat mir mit der Verbeugung eines Advokaten entgegen, der, nach einem verlornen Prozesse, seine Expensen sucht, überreichte mir mit der Abschrift seines Protokolls die Beglaubigungs-Urkunde[72] meines gethanen Wunders, und zugleich ein Handbriefchen vom Propst. Es thut mir leid, daß ich es nicht für Dich aufgehoben, und jetzt statt des Originals, das ich wegwarf, Dir nur einen Auszug davon mittheilen kann. Der geschmeidige Mann versicherte mich darin seiner unbegränzten Hochachtung, und bat mich, wenn ich je wieder diese Domaine des heiligen Vaters besuchte, die Freundschaft zu nähren und zu befestigen, die er, als ein unwürdiger Vorsitzender bei meinem Verhör und während meiner triumphirenden Rede, zu mir gefaßt habe. Er nannte mich einen seltenen Mann, der ganz von Gott ausgerüstet sei, das blinde Volk zu regieren – und empfahl sich mir so zudringlich, als hätte er in mir seines Gleichen gefunden. Ich beantwortete im Heruntersteigen seine Höflichkeit mündlich an seinen Boten, bedauerte, daß meine Abreise die Freundschaft, die nur ein Wunder unter uns zu stiften vermocht hätte, so bald unterbräche, daß ich aber, wenn ich Avignon jemals wieder mit einem Fuße beträte, mich seiner Leitung ganz überlassen würde, und dann erst das zu werden hoffte, was er allzu gütig schon bei mir voraussetzte. Unter diesen hingeworfenen Komplimenten gelangte ich die Treppe herunter, bis an die Hausthür – als mir hier noch ein Umstand auf das Herz fiel, der, wenn Du ihn nach Deiner gewöhnlichen Flüchtigkeit, nicht übersehen hast, Dich bis zu dieser Zeile nicht wenig geängstigt, Dir den Odem versetzt, und Deine Lippen und Hände bewegt haben wird, um mich, mit einem jeden Schritte weiter, den ich nach meinem Wagen that, freundschaftlich noch aufzuhalten – als mir nehmlich glücklicher Weise noch beifiel, daß ich, aus allzu großer Eil aus Klärchens Augen zu kommen, – unter Rousseau's Kopfe mein Tagebuch vergessen hatte. Nun wäre es zwar zum Nutzen der Welt vielleicht gut gewesen, wenn es die alte Bertilia beim Auskehren gefunden, und es als unnützes Papier verbraucht hätte – vielleicht aber auch nicht; wer kann das wissen? Für mich wäre es doch immer ein, ich hoffe es zu Gott, unersetzlicher Verlust gewesen – da ich dergleichen Tage, als die acht letzten, nie wieder durchzuleben gedenke, und viel zu vergeßlich bin, als daß ich hätte hoffen können mir die Erinnerung davon,[73] die mir doch für mein ganzes Leben sehr dienlich seyn wird, bis zum Aufschreiben wieder lebendig zu machen. Ich lief nun wie ein Wiesel die Treppe hinauf, das Zimmer hinein, gerade vor den Kamin.

Es war ein Glück, daß die alte Bertilia noch schlief. – »Lassen Sie Sich nicht stören,« sagte ich zu Klärchen, die dem Domherrn auf dem Schooße saß, und mich mit höchster Verwunderung angaffte: »Ich habe hier sonst nichts – als nur unter dem Gypskopfe ein Paket Belege vergessen, die zu meiner Einnahme und Ausgabe gehören, und die ich selbst nicht der Mühe werth achten würde, wenn sie nicht mit Ihrem Strumpfbande umwickelt wären, das mir, mein gutes Klärchen, viel zu lieb ist, um es im Stiche zu lassen; und nun leben Sie wohl, und grüßen Sie Ihre Tante.« – »Was?« stammelte der Domherr, »was sagten Sie da von Klärchens Strumpfbande?« –»Das wird das liebe Kind Zeit genug haben Ihnen selbst zu erklären,« antwortete ich, und schlug die Thür hinter mir zu. – Wer war froher als ich, da ich meine Kriminalakten unter dem Arme, von meinem Schrecken nun wieder zu mir selbst kam! – Non omnis morior, war das wenigste was ich dabei dachte; und wie dankte ich es nicht dem langsamen Epilogus, daß er mir nicht das erstemal schon die Hausthür öffnete, als ich ohne mein Tagebuch davor stand! denn der Anblick, der mich jetzt überraschte, würde mich gewiß ganz um das Bißchen Besinnungskraft gebracht haben, von der einzig seine Rettung noch abhing. Der große Platz vor dem Hause, und so weit ich in die Gassen sehen konnte, war von Menschen gestopft, die in der Nähe und Ferne auf die Knie fielen, und mich um meinen Segen anflehten. Ich richtete mich in meiner Chaise gerade in die Höhe, und warf der betrogenen Menge, wie von der Kanzel, gutmüthig alle die Kreuze wieder zu, die mir der Domherr mit auf den Weg gab. Einige von den Andächtigsten drängten sich vor, um die Pferde abzuspannen und meinen Wagen zu ziehen, und es gelang mir durch nichts anderes, sie von dieser Ausschweifung ihrer Ehrfurcht, die mich schwerlich postmäßig würde gefahren haben, abzuhalten, als daß ich ihnen die offene Hausthür zeigte, und ihnen[74] sagte, daß sie alle meine Wunder unter den Händen des Domherren antreffen würden. Haufenweise strömten sie nun in das Haus, und meine Postillons bekamen Raum ihre Peitschen zu schwenken, und, ohne jemanden umzufahren, vor der Hand wenigstens, ungestört bis an den Buchladen meines Freundes zu kommen. Hier aber mußten sie die Zügel mit Gewalt anziehen; denn der kleine Mann war heraus getreten – schrie und winkte, und hielt uns etwas so Flatterndes entgegen, daß wir alle fürchteten, er möchte die sechs Pferde scheu machen. Es war sein Katalogus, den er mir, wie er sagte, zu weiterer Fortsetzung unserer Freundschaft überreichte, und noch einige abgebrochene Worte seines Entzückens darein gab, die allein schon im Stande gewesen wären, einen sechsspännigen Wagen in seinem Laufe zu hemmen; so überspannt waren sie und so holprig. Ich hatte jetzt nicht Zeit sie ihm anders zu beantworten als mit einem lauten Gelächter, über das er höchst verwundert zurück trat, und mir freien Weg ließ. So weit ich kam, fand ich alle Bürger in Bewegung, wie an dem Frohnleichnamsfeste. Nur den getauften Juden hatte die Revolution meines Wunders nicht von seiner Stelle gebracht. Ich sah ihn, als ich bei seiner Kirche vorbei fuhr, noch an eben dem Pfeiler stehen, an dem ich zuerst seine interessante Bekanntschaft gemacht hatte. So eilig ich auch war, ließ ich doch einen Augenblick halten, und schickte ihm meinen Abschiedsgruß durch den Epilogus zu, der ihm zugleich die verpfändete Maske eigenthümlich abtrat, und noch das Glück hatte, einen kleinen Thaler von ihm heraus zu bekommen. Ich erhielt auf einem Kartenblatte nachstehende Worte, mit Bleistift geschrieben, von ihm: »Ihr heutiges Wunder,« – Du siehst, lieber Eduard, Dohm und seine Anhänger mögen auch sagen was sie wollen, ein Jude bleibt immer ein Jude, – »ist das größte, wovon ich gehört habe, und das einzige, woran ich glaube. Fahren Sie fort, lieber junger Mann, über die Thorheiten Ihrer Zeitgenossen zu spotten. Thun Sie es aber ja, wenn Sie nicht unter Blindgebornen sind, wie hier, lieber heimlich und von weitem, wie ich es selbst hier thue. Das ist der freundschaftliche Rath eines Mannes, der seine Ruhe und Sicherheit liebt.« – Ich bog mich[75] weit aus meinem Wagen hervor, und warf ihm lächelnd eines von meinen Kreuzen zu, das er mit einem schelmischen Kopfnicken beantwortete. Es gab mir, so wenig es war, doch hinlängliche Auskunft über den Werth, den er darauf setzte. O, des ehrlichen Konvertiten! dachte ich, und fuhr weiter.

Avignon lag schon eine große Strecke hinter mir, ehe ich mich ein wenig aus dem Gewirre meiner Ge danken los winden konnte, die, wie sie an einander anstießen, meine Seele mit sich herum trieben. Bald sah ich mit Spott, bald mit Aergerniß und Scham, bald mit innigster Zufriedenheit, auf die Zeit, die hinter mir lag, und auf die Gefahren zurück, denen ich, weniger zur Ehre meiner Klugheit als zur Glorie meines Erretters, des Zufalls, glücklich entging. Einmal überzählte ich hochmüthig die Menge von Erfahrungen, durch die sich, in einer Spanne von acht Tagen, meine Welt- und Menschenkenntniß so unglaublich bereichert hatte. – Ein andermal warf ich mir bitter vor, daß sie der Mühe und der Kosten nicht werth wären. Die unzähligen Abwechselungen meines heutigen Tages – von dem Anfange meines Verhörs an, bis auf den Segen, den ich dem getauften Juden zuwarf, hatten indeß meine Kräfte so erschöpft, daß mir, mitten in meinem Nachdenken, die Augen zufielen. Ich glaube, ich würde in Einem weg, bis vor mein Wirthshaus, geschlafen haben, wenn es, auf der Station, die mich an die Gränze des Comtats brachte, meinen Begleitern beliebt hätte, ohne Zuziehung meiner die Post wechseln, und frische Pferde vorhängen zu lassen. Aber das Nachdenken hatten meine klugen Schauspieler nicht. – »Mein Herr,« rief mir, ich weiß nicht welcher von den beiden Brüdern, in den Wagen, »haben Sie denn nicht Lust auszusteigen?« – »Und warum das?« fragte ich schlaftrunken. – »Hier ist,« antworteten sie, »der letzte Ort in dem Gebiete des Papsts.« – »Desto besser!« gähnte ich, und legte mich in die andere Ecke. – »Aber,« schrien sie fort, »es ist ja Cavaillon, mein Herr.« – »Meinetwegen!« versetzte ich ärgerlich, »was liegt mir daran?« – »Nehmen Sie es nicht ungütig,« erwiederte der unausstehliche Kerl, wir glaubten, es würde Ihnen lieb seyn den Propheten kennen zu lernen.« – »Was denn, zum Henker! für[76] einen Propheten?« fuhr ich jetzt auf. – »Der unser Glück,« unterbrachen sie sich beide, »und unser Unglück gemacht hat. Er liegt nur wenige Schritte hier von der Post.« – Jetzt ermunterte ich mich erst. – »Ihr guten Leute,« sagte ich, indem ich ausstieg, »habt nichts als euer zerstörtes Theater in dem Kopfe. Das müßt ihr euch abgewöhnen, und mir nicht immer damit in den Ohren liegen, zumal wenn ich schlafe. Aber sagt mir einmal – lebt denn der Onkel von Klärchen noch?« – »O, ja wohl,« antworteten sie. – Nun! dachte ich, da du einmal um deinen Schlaf bist, willst du doch wundershalber sehen, was für eine Respektsperson von Verwandten du heute dran und drauf warest dir auf den Hals zu laden – kannst dir auch nebenbei das Bette zeigen lassen, wo dem Mädchen der Teufel zuerst erschien. An fremden Orten nimmt man ja oft wohl noch geringere Merkwürdigkeiten in Augenschein. Habe ich nicht selbst einmal in Erfurt einen Thurm mit Mühe und Gefahr für einen Dukaten erstiegen, weil es zwei Tage vorher der König von Schweden gethan hatte, um die große Susanna zu sehen, vor der, wie mich der Glöckner versicherte, alle Teufel ausreißen. – Und so trat ich denn auch hier, meinen Wegweisern nach in die Garküche des Propheten, und fand an meinem Onkel einen sehr gesprächigen Mann.

Er stämmte seine beiden Hände in die Seite, so bald er den Doktor und den Teufel erkannte. – »Je, meine Herren,« rief er voll von Verwunderung aus, »Sie treten ja da in einem Aufzuge einher, der wahres Wohlleben verkündiget! – Das freut mich von ganzem Herzen; denn ewig werde ich Ihnen danken, daß Sie mir über meine gottlose Nichte die Augen geöffnet haben. Ich ließ mir zwar damals meinen ganzen Kummer nicht gegen Sie merken, meine lieben Herren; aber, ohne jene Nacht, kann ich nun wohl sagen, wo Sie ihr erschienen, wäre einmal mein schönes Vermögen in ihre Hände gefallen. – Aber das ist nun damit vorbei, und ich habe es bereits der Magdalenen-Kirche verschrieben.« – So wenig ich nun auch Ursache hatte mich dieses Geschöpfs anzunehmen, so schien es mir doch ungerecht von ihrem Verwandten, ihr eine Erbschaft zu entziehen, woran sie, bei allen ihren Fehlern,[77] doch immer mehr Anspruch hatte als die heilige Magdalena. Sie kann sich ja wohl auch noch, dachte ich, mit der Zeit bekehren, wie jene, zumal wenn sie nicht mehr nöthig hat der Gnade der Domherren und Pröpste zu leben. Ich nahm mir also vor, ihm den Einfall aus dem Kopfe zu bringen; aber es schlug mir fehl. Als ich mit gehöriger Behutsamkeit des Wunders erwähnte, und ihm erzählte wie der Domherr aus Achtung für ihre Namensschwester sie wieder in das Haus nähme, gerieth der Mann in einen Zorn, den ich weiter nicht zu stillen vermochte. – »Das mag er,« antwortete er mir; »in das meinige soll sie keinen Fuß wieder setzen, so wenig als ihr Verführer. – Wollen Sie sehen, wo das erste Unglück geschehen ist? so kommen Sie!« – Er führte mich nun in die große Stube – zeigte mir das Bette, und mit Thränen im Auge fing er gerührt an – »Hier mein Herr, ist das schönste, beste, unschuldigste Mädchen dem bösen Feinde geopfert worden; aber ohne mein Verschulden. Wie hätte sich eine Christenseele einbilden können, daß ein Kind neben einem Geistlichen, der in der Nacht, von der Reise ermüdet, um eine Herberge bat, so etwas zu besorgen hätte? – ein Kind, das damals noch nicht ... Doch ich will keine Sottise sagen – aber Sie verstehen mich, mein Herr ... O, du barmherziger Gott! was hast du uns für Seelenhirten gegeben! Ich war stolz auf das Mädchen – denn reizender – sehen Sie, und niedlicher gebaut, war weit und breit keine andere zu finden.« – »Ach, ich kenne sie, besser vielleicht als Sie selbst, mein guter Mann,« antwortete ich seufzend. – »Ich habe ganzer acht Tage neben ihr an, gewacht und geschlafen..« – »Und reisen nun – ist es nicht so?« fiel er mir kleinlaut in die Rede, »nach Montpellier?..« – »Nichts weniger,« gab ich mit großen Augen zur Antwort, »ich gehe jetzt nach Marseille, wo ich den Winter über..« – »Nun, da nehmen Sie mir nicht übel,« unterbrach er mich, »da kennen Sie meine Nichte schwerlich besser als ich. Seyn Sie froh, mein guter Herr! Sie sind der erste Passagier, der von dort her zu mir kam – in der Nähe dieser Virtuosin gewohnt hat – und noch so gleichgültig von ihr sprechen, und gar ein gutes Wort für sie einlegen kann.« – »Heilige Cäcilia!«[78] entfuhr mir der Ausruf. – »Ja, ja!« spöttelte er mir zu, »traue nur einer der heiligen Cäcilia und ihrem Kreuze! Sie sehen doch nun wohl, daß meine Nachrichten ächt sind. Ich habe sie von guten Händen. In der That war es der artigste Herr, von dem feinsten Geschmacke, den ich jemals gesehen – ein junger Baron aus der Neumark, der auf Ihrer Route, und fünf Tage, gezwungen war, von den Beschwerden der Reise – Sie wissen wohl – bei mir auszuruhen. Da ich mir nichts anders denken konnte, als daß Sie auch nach Montpellier müßten, so freute ich mich recht meinen Gruß an ihn bestellen zu können – denn vermuthlich ist er noch dort. Alles erinnert mich an ihn, bis auf die Livree sogar, die er eben so gab wie Sie. – Es war ein heller, vortrefflicher Kopf! Hätte er sich nur besser vor meiner Nichte gehütet!« –»Aus der Neumark war er, sagen Sie?« griff ich endlich dem Schwätzer in's Wort, »und er gab,« indem ich den Epilogus bei dem Fittich nahm, »dieselbe Livree?« – »Accurat so,« antwortete der Wirth, »und mit eben solchen Quasten und Knöpfen.« – »Und der Name?« fiel ich ihm ein, »wie war denn sein Name?« »Aussprechen kann ich ihn nicht,« sagte er, »das habe ich schon mehrmalen versucht; zum Glücke aber habe ich mein vorjähriges Rechnungsbuch noch nicht zerrissen, dort können Sie ihn unterm Monat November selbst lesen – Bemühen Sie Sich nur in meine Unterstube.« – Ich ging ihm voller Neugier nach, bis an seinen Schrank, aus dem er mir sein Rechnungsbuch zulangte. Er schlug mir das Blatt auf. Ich las mit Bedauern den Namen eines Mannes, den ich – hier nicht gesucht hätte wie viel er – für Brühen von jungen Hühnern schuldig geworden war, und sah, daß seine beiden Bedienten – vermuthlich bessern Appetits wegen – fünfmal so viel verzehrt hatten als ihr Herr. Das ist, was ich aus seinem Conto herauslas. Sein Name soll übrigens nicht über meine Zunge kommen – darauf kann der junge Herr sich – wenn er ungefähr mein Tagebuch zu sehen bekäme – auf Kavalier-Parole verlassen; und treffe ich ihn, wenn ich durch Montpellier komme, noch an, so könnten wir wohl gar unsere Nachhausereise zusammen machen. – Nicht daß ich etwa wünschte, noch mehr von[79] unserer Nachbarin zu erfahren – von der weiß ich in dieser Zeitlichkeit nun genug. Nein! ich wünschte es bloß, weil der Wirth von ihm rühmt, daß er ein artiger Mann, von dem feinsten Geschmacke, und ein vortrefflicher Kopf sei. – Wahrlich Eigenschaften, die man sich an einem Reisegesellschafter nicht besser wünschen kann! – »Sie haben voriges Jahr eine hübsche Einnahme gehabt, Herr Wirth,« sagte ich, indem ich ihm sein verrätherisches Buch wieder zurück gab. »Ich sehe, Sie sind ein ordentlicher Mann, der sein Vermögen gut zu verwalten weiß: desto weniger, um wieder darauf zu kommen, kann ich es billigen, daß Sie es einer Heiligen vermachen wollen, deren größte Sünde wohl ist, daß sie sich bekehrt hat.«– »Das ist mir –wahrlich, das ist mir zu hoch,« antwortete der Wirth, »und ich wende eine Flasche Wein an Ihre blasenden Postillions, damit sie Ihnen Zeit gönnen es mir zu erklären.« – »O, dazu gehört nur eine Minute, lieber Mann,« erwiederte ich. »Sie können wohl glauben, ich habe nicht das geringste Interesse bei der Sache – und eben so wenig habe ich etwas wider die heilige Magdalena – aber das Aufsehn, das sie überall macht – die Kirchen, die ihr geweiht sind – das Lob, das ihre Wiederkehr von allen Kanzeln erhält, und die Ehre, die man ihren Thränen erweist, – haben, seit ihrem Evangelio – glauben Sie mir – mehr schöne und gute Mädchen um ihre Unschuld gebracht, als alle Domherrn zusammen; und das ist doch, Gott weiß, viel gesagt! Denn, wie das menschliche Herz ist, um eine reuige Sünderin zu werden gleich der heilig belobten Magdalena, denken die meisten, muß ich ja doch erst meine Jugend nützen wie sie. Lieber wollte ich an Ihrer Stelle, Herr Wirth, meinen sauern Erwerb, auf den Fall meines Todes, den Armen schenken.« – »Den Armen, mein Heer?« wiederholte er höhnisch. »In diesem schönen, fruchtbaren, unbebauten Lande, sollte es Arme geben, die Unterstützung verdienten? Sind denn nicht schon genug Spitäler voll von Müssiggängern und Faulen? Mag denn hier wohl eine Seele arbeiten? Findet es nicht jedes bequemer zu betteln – zu stehlen, so lange es jung ist – im Beichtstuhle sich seine Sünden vergeben zu lassen, um neue zu begehen, und sich um eine Stelle in einer milden[80] Stiftung zu bewerben, wenn es altert und krank wird? Dieses Leben führte der Vater, der Sohn setzt es fort, und vererbt es wieder an seine Kinder. – Nein, mein Herr! die hiesigen Armen sollen nichts von mir bekommen. Aber da Sie mir wegen der Magdalena einen Floh in's Ohr gesetzt haben, so kann es wohl seyn, daß ich mein Testament ändere – und ein gutes, frommes und schönes Mädchen an Kindesstatt aufnehme, die einmal einem rechtschaffenen Manne wieder mein erworbenes Vermögen zubringt.« – »Thun Sie das, lieber Onkel!« sagte ich – und Gott sei Dank, daß ihm dieser Ehrentitel auf keine Art zukommt, da er bei verwandten Seelen eben nicht im Gebrauch ist; denn in diesem Falle, Eduard, gäb' ich ihn diesem wackern Manne nicht mehr aus Laune, sondern aus bessern Urkunden sogar, als andere oft vorzeigen können, die ihn stolz von uns fordern. – »Thun Sie das, lieber Onkel,« sagte ich ihm also beim Einsteigen in den Wagen: »bemühen Sie Sich um ein hübsches Kind, das Sie der Verführung Ihrer Domherrn entreißen, und das Ihnen und der Jugend den großen Verlust von Klärchen, wenn es möglich ist, ganz wieder ersetzt. Mir ist es sehr lieb, daß ich wenigstens doch beim Austritte aus diesem Lande Einen ehrlichen Mann habe kennen lernen. – Gott erhalte Sie! Leben Sie wohl!« – Ich faßte noch mit gerührtem Herzen den Segen auf, den er mir nachrief. Von einem so ungeweihten Speisewirthe er auch herkam, hoffe ich doch, soll er mich besser entsündigen als die Kreuze jenes betrunkenen Herrn.

Wie ich vor das Stadtthor kam, bemerke ich erst, daß ich auf einer Insel gewesen war, und begriff nun leichter, wie sich hier – abgesondert vom festen Lande – noch einige Ehrlichkeit erhalten konnte.

Die Brücke über die Dürance kam mir, trotz dem heiligen Nepomuk, der zu ihrem Schutze darauf stand, doch so gefährlich vor, daß ich ausstieg, und mich nicht eher darüber wagte, bis ich meinen Wagen an dem andern Ufer erblickte.

Das Bild der Sonne schwebte nur noch an dem Saume des Horizonts, und ihre gebrochenen Strahlen rötheten die hinschwindende[81] Landschaft. Die Gegend war im Steigen – die Pferde zogen mühsam – und ich schlich voll von Gedanken zu Fuße hinter dem Wagen her. Wie wir den Hügel bald erstiegen hatten, befahl ich meinen Leuten, sachte fortzufahren und die matten Pferde verschnaufen zu lassen, setzte mich an seinem Abhang auf die Wurzeln eines abgestorbenen Oelbaumes, und suchte mir die Empfindungen deutlich zu machen, die meinem Herzen entstiegen. Wie ungleich waren sie jenen, die sich sanft aus ihm ergossen, als ich das freundliche Caverac in seiner gesegneten Flur – als ich in dem sympathetischen Gefühle der Jugend meine geliebte Margot verließ! Unter einem noch schöneren Himmel als dort, wie erschlafft fand ich hier, in dem Müssiggange eines frömmelnden verdorbenen Volks, jede Federkraft der Natur! Welch eine bängliche Ansicht! So weit meine Augen mich trugen, sah ich Standbilder der Heiligen auf rebenlosen nackten Bergen – entdeckte nur verfallene Stege – durchgebrochene Dämme, morschen Götzen mit ruhmlosen Namen zum Schutze überlassen – hörte das Läuten der Abendmetten in den umliegenden einzelnen Dörfern – ohne daß ein Schäfer vor seiner gesättigten Herde, oder ein müder Ackersmann hinter seinem umgelegten Pfluge, dem Aufrufe zur Ruhe nachschlich, – ohne daß ein Winzer, von fröhlichen Kindern begleitet, aus seinem Weingarten hervorbrach. – Großer Gott! rief ich wehmüthig aus, und faltete die Hände, wie lange wird dieser Mißverstand deiner wohlthätigen Absichten, diese Beschimpfung deiner Natur noch dauern! Wie lange wird noch der Bürger seine kostbare Zeit, der Landmann seine nützlichen Kräfte, der Tagelöhner den kleinen Erwerb seiner wenigen übrig gelassenen Arbeitsstunden, an den Putz einer Wachspuppe und das Wohlleben ihrer Götzendiener verschwenden – in seinem Hause das Licht – auf seinem Herde das Feuer ersparen – um durch eine verdienstliche Finsterniß der ewigen Lampe Oel zu verschaffen! Wie lange werden die Sklaven der Andacht das Mark ihrer Söhne gegen ein geweihtes Todtenbein vertauschen, und mit dem Geruche seiner Heiligkeit ihre Schlafkammern verpesten! Wie lange noch, großer barmherziger Gott! werden die Unsinnigen für die baldige Entwicklung ihrer[82] Töchter alle Heiligen anrufen, um ihre ersten Blüthen dem ehelosen Mönche zu opfern, der jedem frühen Gefühl eines erwachten Herzens noch früher entgegen kommt, jede aufkeimende Frucht wie ein Raubthier bewacht, und alle Erstlinge der Natur und des Fleißes als sein Eigenthum ansieht! Durch, ach! wie viele Menschenalter – rief ich mit gepreßter Brust – wird dieser schwere Uebergang zur Wahrheit und Freiheit noch zögern! – Und wie ich so sprach und meine Augen zu Gott erhob, vergüldete die ewige Sonne, zum letztenmal heute, die steinigen Hügel. Ich schrieb noch im Glanze des Abendroths folgende Gedanken in meine Schreibtafel, aus denen Du sehen wirst, daß ich nicht umsonst das Wirthshaus zum Propheten besucht habe – überblickte noch einmal diesen so schönen und so gemißbrauchten Erdstrich – und winkte nach meinem Wagen.


Als hätte die Natur im Bilden

Mit Liebe länger hier verweilt,

So ganz hat diesen Lustgefilden

Sich ihre Schönheit mitgetheilt:

Doch Mönche kamen und zertraten

Den Plan der fröhlichen Natur,

Und auf dem Umkreis ihrer Saaten

Herrscht Gleißnerei und Armuth nur.


Trajan entlockte Fleiß und Leben

Hier diesem Felsen – diesem Hain,

Und Berge luden ihn voll Reben

Zum Jubel guter Fürsten ein.

Ihr Fluren, die ihr freundlich blühtet,

Als Jupiter noch auf euch sah,

Wie traurig liegt ihr, abgehütet

Von päpstlichem Gesindel, da!


O, Land, das nur den faulen Bäuchen

Der Mönche zu Gebote steht,

Und, mit abgöttischen Gebräuchen

Belastet, – schwankt und untergeht!

Ach, warum hat, ruft meine Stimme,

Gott seinen Blick von dir gewandt?

O du, der Hirnwuth und dem Grimme

Der Heiligen verrathnes Land!
[83]

Wo Priesterstolz und Aberglaube

Wie Mehlthau eine Gegend trifft,

Verdorrt die Saat, verwelkt die Traube,

Und aus dem Oelbaum rieselt Gift.

Besangen wohl des Landmanns Lieder

Sein Glück an einem Erntetag

In Argos Thälern, eh die Hyder

Dem Arm des Rächers unterlag?


Hier heißt die Tugend eine Bürde;

Der Weisheit selbst wird hier geflucht,

Die nicht in Klöstern – Menschenwürde,

Nicht Trost am Tisch des Gauklers sucht:

Bei Ihm – der Felsen abzuründen

Verspricht, der Berg' und Thäler gleicht;

Und deinem Mund Erlaß der Sünden

Und deinem Gaum Vergebung reicht.


Wie stürzt nicht der bethörte Haufe

Ihm zu! begafft und überschlägt

Die Waare, die zu gutem Kaufe

Er ihren Sinnen vorgelegt!

Der Mörder packt dann, wie der Zecher,

Ein Sortiment zum andern auf,

Und jener Schutzgott der Verbrecher

Spricht Segen über ihren Kauf.


Und dieser Troß von Himmelserben

Durchwallfahrt dieß verarmte Land –

Spielt seinen Ueberrest von Scherben

Dem Hohenpriester in die Hand,

Vertauscht für unbegriffne Worte

Das Bettelbrod, das er erwirbt,

Und mit dem Schlüssel zu der Pforte

Des Himmels – gähnt er hin, und stirbt.


Ihr Räuber dieses Landes! höret

Der Wahrheit Ruf, die aus mir spricht:

Euch droht, die ihr das Volk bethöret,

Des Volkes blutiges Gericht;

Ich seh' im Kreis von euern Bürgern

Des Aufruhrs schwarze Fahne wehn,

Und eure Schafe – zu den Würgern,

Furcht – zur Verzweiflung übergehn;
[84]

Und seh' erstaunt, wie jede Puppe

Der Andacht in ihr Nichts versinkt;

Wie nicht mehr die geweihte Schnuppe

Der ew'gen Lampe sie umstinkt –

Kein Kuttenträger mehr die Zofe

Der heiligen Maria macht,

Und kein an eines Priesters Hofe

Gebildeter dieß Land bewacht;


Seh' eure Heiligen zerstückeln –

Seh' die Legenden in dem Wind

Zu edlern Stoffen sich entwickeln,

Die eines Gottes würdig sind;

Und seh' entfernt, wie aus dem Staube

Die Tugend ihre Stirn erhebt,

Und neue Hoffnung – neuer Glaube

Und neues Glück dieß Land belebt.


Und dann erst, möge Gott es wollen!

Wird Ordnung und Natur gedeihn;

Die Wüsten werden Früchte zollen,

Die öden Berge – guten Wein:

Gesundes Volk wird, ungesegnet,

Im Schatten seiner Laube ruhn,

Und, ohne daß ihm Gott begegnet,

Doch redlich seine Arbeit thun.


Dann erst entsteigt den Finsternissen

Des Glaubens die versteckte Flur;

Man wird von keinem Wunder wissen,

Als von den Wundern der Natur;

Der Pilger wird sie nur im Reize

Der Unschuld seines Mädchens sehn,

Und manch Kapellchen ohne Kreuze

Wird seiner Andacht offen stehn.


Den 9ten Januar.


Unter dem Heere von Gedanken, die diesen Morgen auf mein Erwachen zu lauern schienen, war Dein Bild, theuerster Eduard, der erste, der mir anflog, so wie es der letzte war, mit dem ich einschlief. Darf es Dich wundern, daß ich mich leichter selbst aus dem Auge verliere, als Dich? Wem könnte ich denn wohl den Verdruß, der mir aufstößt, billiger zurechnen, als dem Anstifter[85] meiner Reise? so wie ich ihm eben so gern das Gute verdanke, das mir begegnet. Nachdem ich Dir meine Verbeugung gemacht hatte, und zu der Musterung Deiner Nachtreter überging, merkte ich es, durch die letzt vergangenen acht Tage gewitzigt, den meisten bald an, daß ich wohl am klügsten thäte, sie lieber gleich vor meinem Bette abzuweisen, ohne mich an ihre zuvorkommenden Mienen zu kehren. Ich suchte mir Einen unter der bunten Gesellschaft aus, der mich mehr als die andern alle befremdete, von dem ich mir jedoch, wo nicht die angenehmste, doch die lehrreichste Unterhaltung versprach; vorausgesetzt, wenn ich Muth genug hätte, ihm bis in den Schlupfwinkel nachzugehen, in den er sich, wie ich ihn in das Auge faßte, zu verkriechen anschickte. Freilich hätte er mir nicht so neu vorkommen sollen, als er mir schien: denn es war der ewige Gegenstand meiner Betrachtungen – mein eignes Selbst. Da ich aber, wie Du nur zu gut weißt, vorige Woche nicht zu mir selbst kam, so wird es begreiflich, wie ich die Veränderungen, die stufenweise mit ihm vorgingen, so wenig bemerken konnte, daß es mir jetzt schwer ward, seine sonst so offene Physiognomie unter den Flecken heraus zu heben, die ihn entstellten. O hätte mich Freund Eduard, seufzte ich, ruhig in dem Winkel sitzen lassen, aus dem ich mit stolzem Wohlbehagen über die übrige Welt hinblickte! Dort lebte ich unter der strengen Aufsicht meiner moralischen Bücher, kannte keine Heilige, keine Kasuisten, und war meiner Tugend gewiß. Dort hätte ich, mit Zufriedenheit meines Beichtvaters, exemplarisch an meiner Hypochondrie verscheiden, und die Rechnung meines Lebens dem obersten Richter vorlegen können, ohne zu erröthen. – Würde ich denn aber auch, warf ich mir auf einmal ein, darum besser gewesen seyn als jetzt? Hätte mir der oberste Richter nicht antworten können: »Du trittst mir zwar unbescholten und mit dem Bettelstolze eines guten Gewissens unter die Augen – du bist unbefleckter als jener Domherr, den eine Reihe schändlicher Thaten verklagt; aber bist du wohl darum viel besser als er? Kannst du dir als Verdienst anrechnen, daß der Zufall den ich gewähren ließ, dich an eine viel kürzere Kette legte als ihn? – dich in den Zirkel eines kränkelnden, reizlosen Lebens[86] einzäunte, und dir nur den geläuterten Nahrungssaft zuflößte, den die gesunde Weide hervorbringt, auf der du geboren warst, und starbst, ohne daß du die Giftpflanzen zu kosten bekamst, die, in einem andern Erdstriche einheimisch, den Einwohnern zur gemeinen Nahrung geworden und mit ihrem Blute vermischt sind?«

Er! dessen Stimme an mein Herz schlägt, bewahre mich vor dem Unverstande, mit Ihm zu rechten! Er mag es wohl besser wissen, als wir selbstsüchtigen Thoren, was wir eigentlich werth sind, und – wie gar nichts unser Antheil an allem dem Guten ist, das aus unserer belobten Freiheit entspringt. O ich erbärmliches Geschöpf! Was ist doch aus meiner Selbstzufriedenheit – was aus den Forderungen geworden, die ich auf die allgemeine Achtung zu machen mich berechtigt glaubte? Eine Spanne Zeit verschlang den Reichthum einer ganzen langen Reihe von Jahren. Jetzt ist es mit der schönen Leichenrede vorbei, die ich manchmal im Namen des ganzen Menschengeschlechts in Gedanken hielt, wenn ich mir eine recht behagliche Stunde machen wollte. Der neue Text, den mir die vergangene Woche unterlegt, ist von einem Gehalte, der mir schwerlich die lange Weile über meinem Grabhügel vertreiben kann. So wirke er denn, rief ich endlich aus, was er vermag, und mache mich wenigstens, so lange ich diesseits des Grabes wandele, duldsam gegen andere Schwächlinge, die mir gleichen, und desto verschämter und andächtiger, wenn ich die Worte jenes großen Menschenkenners in den Mund nehme: »Und führe uns nicht in Versuchung.« – Ich kenne keine, die einen deutlichern Spott auf unsere Geisteskräfte enthielten. Auf wessen Bedürfnisse paßten sie nicht? In dem Sinne der meinigen gesprochen, was wollen sie anders sagen, als: Mache mich nicht zu gesund am Leibe, damit ich nicht kränker am Geiste werde. Führe mir auf meinem geraden Gange keine Heilige und keinen Heuchler entgegen; denn ich bin zu blind, großer Gott! um sie unter ihren Larven zu erkennen, und zu ungeschickt, ihnen solche abzuziehen, ohne mich selbst zu beschmutzen.

Ich schlug meine Augen in die Höhe – eine Bewegung, die wir so gern als ein Zeichen der Andacht anrechnen, da es[87] doch meistens nur ein Hebel ist, durch den wir unsere beunruhigte Seele über ihren eigenen Anblick hinweg zu bringen, und eine andere Richtung zu gewinnen suchen; denn hinter der geringsten unsrer Handlungen steckt Stolz und Betrug. – Mich brachte mein mechanischer Aufblick dießmal nicht höher als in die Region der großen Herren. Mein Wirth war nicht umsonst in Wien gewesen; denn außer seinem Schreibzeuge, das ich Dir schon beschrieb, hatte er auch noch das Bild des Kaisers mitgebracht, die Kopie über dem Eingange seines Gasthofs, das Original aber, wie billig, in seinem Staatszimmer aufgehängt, in das er mich – Du weißt aus welchem Irrthume – logiert hatte. Ich konnte immer Gott danken, daß es nicht das Bild eines Heiligen war; denn wer weiß, wohin das meine Phantasie, die nur ein Brett suchte um fortzuschwimmen, verschlagen hätte! In dem Deutschen Reiche, wohin mich Joseph der Zweite trug, war ich wenigstens zu Hause.

Ich schiffte mit ihm auf gerade wohl fort, von einem der Fürsten zum andern, die es theilweise beherrschen, und mein beklommenes Herz erleichterte und tröstete sich an ihren Höfen. Ich war erkenntlich für ihre freundliche Aufnahme, und außerordentlich billig gegen die Fehler, die ich an ihrer Person oder Regierung bemerkte; denn meine eigene Demüthigung machte es mir unmöglich, sie anders als mit der Art von Mitleiden zu betrachten, die ein Hektikus für seinen Bruder empfindet, der Blut speit. Es wird Dich vielleicht Wunder nehmen, Eduard; aber ich mochte im Verfolg meiner Visiten unsere größern oder kleinern Herren so genau mustern so als ich wollte, ich zählte immer mehrere, unter deren Zepter oder Krummstabe es sich leidlich genug leben ließ, und die, selbstständig, der Ehre, die wir ihnen erzeigen, so ziemlich werth sind, ehe ich Einmal unter zehnen auf einen traf, bei dem man, wenn man ihn auch, wie viele andere Dinge, mit Respekt nennt, es doch so unmöglich findet, einen festen Gedanken zu fassen, wie bei einem Polypen. Da sich der Hauptstock dieses Sumpfgewächses ohne den Inbegriff der kriechenden, schlüpfrigen und wurmstichigen Saugarme nicht denken läßt, die ihn zum Polypen erheben – und hinwiederum diese zu keinem edlern Dienste bestimmt[88] sind, als die unreinen Nahrungssäfte, die sie einschlucken, dem regierenden Klumpen zuzuführen, um sein Pflanzenleben durch die Mechanik des ihrigen zu erhalten; so giebt das Ganze kein unebenes Sinnbild eines solchen Fürsten und seines Hofs. Was kann man mit einem so begabten Zwittergeschöpfe anfangen, als daß man es stehen läßt, so lange Gott will? Denn gesetzt, Du nähmest auch das Lebendigste, was an ihm ist – seine Auswüchse, unter die Scheere, so wird doch für den einen Ast, den Du heute absonderst, morgen ein anderer wachsen, der vielleicht noch häklicher ist, als der erste. Dieses Mittelding von Thier und Pflanze wird, wie die Regenten die ihm gleichen, in unserm kultivirten Vaterlande immer seltener, und bald wird die fortschreitende Zeit den Deutschen Boden ganz davon gereinigt haben. Auf dem Platze, den solche Pigmäen aussaugen, werden sich große, selbständige Bäume erheben, die durch ihren schattigen Umfang alle Schmarotzer- und Wucherpflanzen ersticken, veredelte Früchte tragen, und guten Samen über das Land streuen, das ihren Wachsthum befördert.

Gott segne diese prophetischen Worte! Sie entfließen so leicht einem patriotischen Herzen, und klingen so schön in dem Munde eines Unterthanen des Römischen Reichs, besonders, wenn er sie seinem Oberhaupte in einem Französischen Gasthofe zuruft. Auf alle Weise enthalten sie besser geordnete Empfindungen, als das bittere Gewäsch jenes politischen Geschmeißes, das nicht müde wird, die angebornen Rechte seiner Beherrscher zu benagen, ihren ererbten Stand lächerlich zu machen, und ihren Glanz zu besudeln. Wie oft empört mich die Zudringlichkeit dieser boshaften Tadler, die den Großen der Erde keine Entschuldigung hingehen lassen, selbst die nicht, die in ihrer menschlichen Natur liegt! Wie wollte ein ehrlicher Mann, bei den unaufhörlichen Beschleichungen dieser Weltverbesserer, die sich in ihren Wirbeln immer selbst durchkreuzen und gegen einander anstoßen, nur einen ruhigen Augenblick finden, wenn sie nicht, nach Art der Spinnen, das Gute an sich hätten, daß sie eben so geschwind, als sie anrücken, in ihre Höhlen zurück kriechen, sobald man sie nur von fern mit der Spitze des Fingers berührt? Es giebt kleine Wendungen – ich will Dir einige angeben[89] – die auf solche vorlaute Klüglinge nachdrücklicher wirken, als Bücherverbote. Wenn der eine lange genug über die Anmaßungen der Fürsten, und über die Stelzen, auf denen sie sich über uns erheben, gefaselt – der andere ihre häufigen Mißgriffe bei der Wahl ihrer Staatsdiener aufgezählt – der dritte die Erschlaffung in ihren Regierungsgeschäften auf das genaueste entwickelt hat; wenn jener Schwätzer sich mit gelehrtem Anstande in seinem Lehnstuhl festsetzt, um desto bequemer seine philosophische Hitze an dem kaltherzigen Regententroß zu verblasen; wenn dieser ihren festlichen Müssiggang mit schelen Augen verfolgt, die Backen voll nimmt, um ihr Eigenthum als einen Raub zu verschreien, den ihre ritterlichen Ahnherren an dem gemeinen Wesen begingen, oder wenn er ihnen zumuthet, Rechnungen abzulegen, die durch Gottes Zulassung längst schon geschlossen sind: so ergreift mich die Ungeduld – so schlage ich mich endlich ins Mittel, nehme den einen und nehme den andern bei der Hand, und führe ihn, Treppe auf Treppe ab, in seinen eigenen verschobenen, lächerlichen oder zerrütteten Haushalt zurück, begleite ihn in das Putzzimmer oder Schlafgemach seiner Gebieterin, oder in die Kerkerstube seiner Knechte und Mägde – schlendere mit ihm seinen verfallenen Scheuern oder verwilderten Krautäckern zu, gehe das Inventarium seiner Wäsche durch, frage ihn, wie seine Vorältern zu dem Zehenten kamen, den sie ihm vererbten, und durch welches Recht Er mehr Spielraum einnimmt als ein anderer, der eben so breit ist als er? Den Grämling endlich, der alle Kron- und Erbprinzen zu Mißgeburten menschlicher Thorheit herabwürdigen, seine Beherrscher wählen, oder zu seinem Idol eine Hyder aus den klügsten Köpfen des Volks – den seinigen jedoch mit eingeschlossen – zusammen setzen möchte, dränge und treibe ich durch das Labyrinth seiner Sophismen nach Berlin, zu den Füßen unsers Monarchen. Sein Daseyn ist schon allein die beste Vertheidigung der Erbfolge. Die klügste Wahl hätte nicht väterlicher für uns sorgen können, als hier die Natur, die aus dem Urstoff so mancher lieblosen, stolzen und schwachen Ahnherren endlich einen König destillirt hat, der, gut, selbstständig und groß, alle Herrschertalente vereinigt – der,[90] mit dem feinsten Gefühl begabt, zu jedem Uebel das Gegenmittel zu finden, nie einen stärkern Hebel gebraucht, als die Last erfordert, die er wegschaffen soll. Dieser Brennpunkt, der meine Blicke immer wieder sammelt, wenn sie noch so weit über die Gränze schweifen, vereinigte sie auch dießmal. Ich verlor mich so sehr in Betrachtung dieses merkwürdigen Mannes, daß Kaiser und Reich lange warten mußten, eh' ich auf sie zurück kam.

»Meine gnädigen und hochgebietenden Herren,« beurlaubte ich mich am Ende von der ganzen vornehmen Gesellschaft, »mein langes Ausbleiben beschämt mich; aber das große Vorbild, das ich in Ihren Kreis bringe, wird es entschuldigen. Darf ich Ihnen noch zum Abschied einen wohlgemeinten Rath ertheilen, so suchen Sie nur seine einfachern Tugenden zu erreichen – die glänzenden erlassen wir Ihnen gern – und Tausende mit mir werden aufstehen, und Sie gegen das giftige Gewürme in Schutz nehmen, das Ihre Vorzüge begeifert. Mögen doch Ew. Majestäten und Ew. Durchlauchten durch Verbrechen Ihrer Vorfahren, oder durch Geistesschwäche der unsern, zur Herrschaft über uns gelangt seyn; wir wollen Ihnen den zufälligen Genuß Ihres angeerbten Gewinnstes gönnen, ohne über den ersten Erwerb desselben lange nachzugrübeln – wenn Sie Sich nur als edle Spieler betragen – uns nicht durch das stolze Lächeln der Schadenfreude bei jedem Bissen trockenen Brodes, das wir essen, an den Verlust unseres Fettes erinnern, und nicht den Enkeln zu hart die Ungeschicklichkeit ihrer Vorältern entgelten lassen. Mag es noch so gewiß seyn, daß Ihre geheiligte Person durch eben die kleinen Hülfsmittel an uns zum Ritter ward, die Sie jetzt in unsern profanen Händen für verdächtig und strafwürdig erklären – so wollen wir doch in blindem Gehorsam die moralischen Bollwerke ungestört lassen, hinter denen Sie Ihre Rechte verschanzt haben, und der Politik huldigen, die das Gesetz der Vergeltung an den Galgen geschlagen hat – wenn Sie nur nicht gar zu treu dem Beispiel eines Ihrer Herren Kollegen nachgehen.1 Durch eine Flasche Wein gewann er das[91] Gebiet seines Nachbars – und sogleich, als weiser Gesetzgeber, verbannte er das begeisternde, Getränk aus seinen eroberten Staaten, versicherte sich der Treue seines Volks – durch Mohnsaft, und vertheilte jedes kraftvolle Männerherz in kleinen Bissen unter ein Heer hungriger Bacchantinnen. Vor solchen politischen Anstalten – meine gnädigsten Herren, bewahre Sie Gott!«

Ich wurde in meiner stattlichen Rede an die großen Herren drollig genug durch eine noch stattlichere unterbrochen, mit der mich mein Wirth hinterrücks anfiel, der, während ich mich mit Kaiser und Reich unterhielt, unbemerkt mit meinem Frühstück eingetreten war, und, sobald er seine Hände frei hatte, sich mit vielem Anstande nach mir zu kehrte. An der Thüre sah ich zugleich einen hagern Kerl, der, bis auf sein ominöses Gesicht in die Draperie eines Scharlachmantels geschlagen, wie die Maske eines Römischen Censors da stand. »Ich habe,« fing der Wirth an, »die ganze Nacht der Vorsehung gedankt, die meinem Hause das Heil widerfahren ließ, einen Mann wie Sie zu bewirthen.« – O ho! dachte ich, dieser Herrenhutische Eingang verspricht nicht viel Gutes für meinen Beutel; aber hierin irrte ich mich. – Immer habe ich gewünscht, den Reisenden, die vor meinem Gasthofe halten, noch ehe ich sie bewillkommne, an das Herz zu reden, und ihnen mit einem großen feierlichen Gedanken gleichsam in die Pferde zu fallen. – Ich spitzte voll Erstaunen die Ohren. – »Was soll man sich bei den Sinnbildern so vieler Wirthshäuser denken, bei dem goldenen Hammel, der silbernen Striegel oder dem Kreuze von Malta? Ich versuchte es im Anfange meiner Wirthschaft mit dem Bilde meiner Frau. – So lange das Bild noch frisch war, that es auch Wirkung. Nach und nach ward es aber bleich – die Gäste blieben aus, und ich war entschlossen, es aufmalen zu lassen. Es ging aber anders: denn eben in dieser Epoche, geschah es, daß mich der Prinz auf einem Besuche, den er seinem großen Vetter[92] in Wien abstattete, als Mundkoch mitnahm, und nach seiner Zurückkunft mit dem Titel seines Haushofmeisters entließ. Auf dieser Reise lernte, ich erst, ich muß es gestehen, den feinen Geschmack der französischen Küche mit dem nahrhaften der Deutschen verbinden. Ich sah Joseph den, Zweiten nicht ohne Nutzen einigemal speisen, und glaubte es dem Andenken dieser belehrenden Reise schuldig, kein ander Bild auszuhängen, als das seinige. Sieben Jahre hängt es nun da; doch fängt es nun auch an unscheinbar und den Leuten gleichgültig zu werden; ich merke es nur zu sehr schon in meiner Wirthschaft. Da flüsterte mir nun meine Frau diese Nacht zu: – ›Andre's! Die Erzählung der fremden Bedienten liegt mir immer im Ohr und läßt mich nicht schlafen. Das Wunder, das ihr Herr gestern gethan hat, wird bald genug Lärm machen; denn so etwas wächst wie ein Schneeball. Weißt du was! der Herr muß gut seyn, da er Wunder thut – und wir brauchen ein neues Schild. – Sein Porträt würde sich unter allen am besten dazu schicken. – Ich dächte, du bätest ihn darum. Unsre Wirthschaft würde sicher dabei gewinnen; denn nagelneuer kann man keinen Heiligen auf treiben – Thue es, lieber Mann, damit uns kein anderer Gasthof zuvorkommt.‹ So sagte meine gute Frau, und gewiß ist es nicht bloß Eigennutz, sondern. Frömmigkeit, die ihr diesen Wunsch abnöthigt. – Schlagen Sie uns solchen nicht ab, würdiger Mann! Nur Eine Stunde – und dieser geschickte Künstler ...« – Hier bewegte sich der Scharlachmantel, und sein Handwerkszeug fiel mir mit Entsetzen in die Augen. Ich fuhr wie aus einem schweren Traum auf, und sah im Spiegel, daß ich so roth war, wie die Draperie des Malers. – Das, dachte ich, soll auch gewiß der einzige Anstrich seyn, den er dir giebt.

»Halten Sie inne,« fiel ich dem Wirth mit äußerstem Verdruß in die Rede, »und verschonen Sie mich mit solchen – Anträgen: ich will das Beiwort, das sie wohl verdienten, verschlucken. Kanonisieren Sie, wen Sie wollen nur mich nicht. Mein so genanntes Wunder, von dem ich gestern bei Ihnen ausruhte, war, deutsch gesprochen, nichts mehr und weniger als eine Posse: das können Sie mir nachreden, ohne mir Unrecht zu thun. Ein Herr wäre[93] wahrlich übel daran, wenn er für alles das stehen müßte, was seine einfältigen Bedienten um den Küchenherd von ihm posaunen.«

Ich ging ernst und mit großen Schritten die Stube auf und ab. Der Wirth schwieg, und ich sah es ihm an, daß er bei jedem hitzigen Worte, das ich ausstieß, immer mehr an meiner Heiligkeit irre ward. Du mußt wohl, dachte ich, ein wenig einlenken. – Sind doch schon klügere Leute durch solche Albernheiten verblüfft und verrückt worden. – »Es thut mir leid,« drehte ich mich gelassener zu ihm, »daß Sie einen geschickten Maler hierher bemüht haben; aber Sie sollen nichts dabei einbüßen. Ich will gern das Mißverständniß bezahlen, in das meine Leute Sie gebracht haben, von den vielen Lichtern und Schüsseln des gestrigen Abends an, bis auf den Fleischergang dieses Herrn. Setzen Sie nur alles auf meine Rechnung. Dafür bitte ich mir aber wiederholt aus, daß Sie allen Reisenden, die Sie über mein Wunder in Avignon dogmatisiren hören, das Verständniß öffnen, und entschuldigen Sie mich aufs beste bei Ihrer lieben Frau. Wenn ich Ihnen beiden etwas rathen soll, so behalten Sie ja das Bild unsers guten Kaisers fernerhin bei. Es wird Ihrem Hause gewiß das meiste noch einbringen. Warum sollte es andern Reisenden nicht gehen wie mir? Es erinnerte mich an die guten Tafeln von Wien – das Wasser kam mir in den Mund, und ich kehrte bei Ihnen ein.« –

Dieses brachte den Mann ganz wieder zu seiner Besinnung. »Sie haben Recht,« sagte er nach einigem Nachdenken; »Wien ist die hohe Schule der Kochkunst, und ein Wirth, der das seinige dort gelernt hat, sollte eigentlich in keinem Lande verderben. – Das Bild des Kaisers – ja – ja – weil der Herr Maler einmal hier ist, so mag er es heute noch auffrischen. Es bleibt doch noch immer das anlockendste Schild.« – »O ganz gewiß,« fiel ich ihm ein: »es erweckt nicht allein große Gedanken, sondern auch lüsterne. Aber ich möchte gern bei Zeiten nach Aix. – Schicken Sie mir meine Bedienten herauf, und sorgen Sie für das Anspannen.«

Ich warf ihm ein Schnippchen nach, und meine Wundergestalt[94] auf einen Stuhl, sobald er sich mit seinem Künstler getrollt hatte. – »So darf man,« sagte ich mit höhnischem Verdrusse, »nur eine Thorheit in der Welt begehen, oder dem dummen Haufen ein Blendwerk vormachen, wenn man wünscht sich modelirt, gemalt oder in Kupfer gestochen zu sehen, den Kirchen, den Wirthshäusern, den Büchersälen zum Schilde zu dienen. Da forschen denn Zeitgenossen und Nachkommen nach dem Ausdruck unsers Geistes – denken, so muß ein großes Genie aussehen, und, um der Larve ihres Vorbildes gleich zu werden, verzerren sie ihre eigenen. Nein, bei Gott! so ein Affengeschlecht als wir Menschen sind! – Und du,« – fuhr ich in meiner Galle gegen das Trio fort, das herein trat, »du Bastian – abergläubischer, dummer Kerl, und ihr beiden elenden Puppenspieler – was zum Teufel gehen euch meine Wunder an? Wenn euch nach der Ehre gelüstet, einem Heiligen zu dienen, so sucht euch einen; denn wahrlich euer Unverstand allein wird mich nicht dazu machen. Erwähnt einer von euch das vermaledeite Avignon noch mit einer Sylbe, so sind wir geschiedene Leute. Ich will dieses Nest durchaus vergessen, und mich nicht bei jedem Bissen Brod und von jedem Esel daran erinnern lassen. Das ist mein letzter Bescheid!«

Sie standen so einfältig und niedergebeugt vor mir, wie Ladendiener vor ihrem Handelsherrn in dem kritischen Augenblicke, wo er ihnen seinen Bankerot ankündiget. Ich sah es ihnen an, daß sie bei meiner Herabwürdigung mehr noch an die ihrige dachten; denn jeder Pinsel, er mag in einer Liverei stecken oder in einem Hofrocke, fürchtet an Werth zu verlieren und in Finsterniß zu versinken, wenn der Nimbus seines Gebieters verlischt. Zwei traten stillschweigend nach meiner Erklärung ab. Nur der Epilogus schien etwas noch auf dem Herzen zu haben, und fing mit seinem gewöhnlichen Anstande an, es auszukramen.

»Unter allen guten Eigenschaften eines Bedienten,« erhob er seine Theaterstimme, »steht wohl die Ehrlichkeit..« »Keine Chrie, Herr Volksredner,« siel ich ihm ins Wort, »die verbitte ich mir. Sage es ohne Umschweife. Was hast du anzubringen – nun?« – »Nun denn nämlich,« stotterte er, »ich bin so glücklich gewesen,[95] eine Entdeckung zu machen.« – »Und die besteht?« – »Ja, mein Gott! wie soll ich Ihnen antworten? Ich darf den Ort nicht nennen – Eigentlich braucht es auch nicht – es steckte ja nur in der Liverei, die Sie dort kauften.« – »Kerl,« fuhr ich ihn an, »das einemal sprichst du wie ein Buch, das andremal noch schlechter – Wo ist denn hier der mindeste Zusammenhang?« – »Sie wollen ja keinen,« versetzte er mit weinerlicher Stimme: »Ihr Verbot hat mich so – so irre gemacht, daß ich für alles in der Welt in diesem Augenblicke nicht auf einer Schaubühne stehen möchte – man würde mich auspfeifen; und doch ist das, was mir geschehen ist, ein wahrer Coup de théatre – Werden Sie nur nicht wieder ungeduldig, mein Herr! – Heute früh, als ich mich in meinen neuen Rock warf – wo muß ich gestern Nachmittags mein Gefühl gehabt haben? – stellen Sie Sich meine Ueberraschung vor, entdeckte ich einen verborgenen Schubsack. – Ja, den wird mir nun freilich niemand streitig machen; wem aber gehören die Sachen, die ich darin fand? Das ist die Frage. Gehören sie Ihnen, der die Liverei bezahlt hat? – dem Bedienten, der sie vor mir trug und verkaufte? – seinem Herrn, der sie anschaffte? – mir, dem sie jetzt auf dem Leibe sitzt? – oder dem unbegreiflichen Trödler, der ...«

Indem blies der Postillion, und ich griff nach meinem Hute. – Das that Wirkung. – Der Schwätzer fuhr nun in die Tasche, und zog seinen Fund hervor, der, in Makulatur geschlagen und mit einem schmutzigen Bande umwickelt, nichts viel wichtigeres als einen Pfefferkuchen erwarten ließ. – »O Sie werden gleich sehen, daß es keiner ist,« antwortete er meiner spöttischen Vermuthung, »wenn Sie noch so lange verziehen wollen, bis ich das Paket aufgeschnürt habe.« – Ich hätte ihm den Gefallen nicht gethan, wenn meine Neugier auch noch so groß gewesen wäre. »Das will ich bei Gelegenheit schon selbst thun,« antwortete ich; »denn dir will ich gewiß keine geben, dein Geschwätz fortzusetzen.« – Und so schob ich das Paket oben zwischen die Weste, und ging. – »Nein, mein Herr,« flüsterte er mir noch auf der Treppe ins Ohr, »es ist wohl ein Bißchen mehr als ein Pfefferkuchen – Bei dem hätte ich mir[96] kein Gewissen gemacht – Es ist eine Schreibtafel – ich habe noch keine von der Schönheit gesehen, und es steckt eine Arabische Handschrift darin, die ich aber weiter nicht untersucht habe.« – »Das will ich glauben,« antwortete ich kurz. – »Aber,« hielt er mich noch auf der letzten Stufe bei dem Aermel, »wem gehört sie denn nun?« – »Wem anders,« fuhr ich ihn an, »als dem Herrn des lüderlichen Burschen, der vor dir in der Liverei steckte. Einer von euch ist wie der andere. Eure Unordnung, eure Plaudereien und eure doppelten Schubsäcke sind den Teufel nicht werth.«

Wie ich an den Wagen kam, stand eine Menge Gaffer darum, die, so früh es auch war, doch vermuthlich schon von meinem Wunder gehört hatten. Ich stieg ein, ohne den Hut abzuziehen oder sie eines freundlichen Blickes zu würdigen. Das ist immer das sicherste Mittel, den Pöbel von falschem Glauben an uns abzubringen, und mehr wünschte ich jetzt nicht. Ein Heiliger wird es bei der frömmsten Seele nicht lange bleiben, wenn er sich ihr als ein Grobian zeigt.


Ich fand jetzt zum erstenmale, und werde es, fürchte ich, öfter finden, daß ich ein paar Bediente an den Puppenspielern zu viel hatte; denn ich wäre gern Bastianen aus meinem Wagen los gewesen, wenn ich nur einen andern unbesetzten Platz für ihn gehabt hätte. So saß er mir hier gegenüber mit seiner freundlichen Miene, in der allerlei Erinnerungen lagen, die mir in diesen Augenblicken eben kein besonderes Vergnügen machten. Ich habe Dir schon von der sprechenden Aehnlichkeit erzählt, die er mit seiner Schwester hat. Wie ich die Augen aufschlug, kam es mir vor, als ob mich Margot ansähe, und mich eben durch eine naive Frage außer Fassung bringen würde. Hätte ich ihr wohl nur die einfache Erkundigung: Wie haben Sie Sich die Zeit über befunden? beantworten können, ohne zu lügen und roth zu werden? Es ist doch eine eigene Sache um das Gewissen; es findet in jedem Kinde seinen gestrengen Richter; und zu welcher grausamen Folter wird ihm nicht der flüchtigste Hinblick auf ein unschuldiges Herz! Ich fühlte meine Brust immer beklemmter; und durch eine Verwechselung[97] des Sinnlichen mit dem Geistigen, die gewöhnlicher ist als man glaubt, schob ich es sehr philosophisch auf das Seelenfieber, das ich mir in Avignon zuzog, ohne eher zu muthmaßen, daß wohl auch eine äußere Ursache daran Schuld seyn könne, als bis ich vor Unruhe mir die Weste aufriß, und nun das Paket, das offenbar meine Hitze vermehrt hatte, heraus fiel.

Es kam mir recht wie gerufen. Meine Brustbeschwerde ließ nach, und die Neugier schaffte mir Zerstreuung. Kaum hatte ich es aus einander, so sah ich mit Erstaunen, in welchem hohen Grad mein Epilogus ehrlich gewesen war, wenn er anders Juwelen besser kennt als das Arabische. Das goldene Schloß an der Schreibtafel war mit Brillanten besetzt, davon sich einer drücken ließ, um es zu öffnen; die Arabische Handschrift aber war nichts mehr und weniger, als ein Deutscher Brief von mehrern Bogen, ohne eine andere Unterschrift, als einen einzelnen Buchstaben: indeß schloß ich doch aus dem Wenigen, was mir das Rütteln des Wagens zu lesen erlaubte, daß er von einem Landjunker herrührte, der – was denkst Du wohl? – den guten Geschmack – Gott weiß aus was für Ursachen – förmlich in Klage nimmt. Es hätte mir vielleicht die Zeit vertreiben können, einen Herren dieses Zeichens über einen solchen Gegenstand schwatzen zu hören; nur stellte ich mir den Spaß nicht groß genug vor, um deßhalb meinen Wagen auf der offenen Landstraße halten zu lassen. Ich schlug also den Brief wieder zusammen bis auf ein andermal: als ich ihn aber an seinen vorigen Ort bringen wollte, schob sich etwas dazwischen, das ich für ein Schnallenfutteral hielt. Die sind doch nicht auch etwa von Brillanten? dachte ich, häkelte den Deckel auf, und Himmel und Hölle! und »Halt – halt, Postillion,« rief ich, »ich muß an die Luft. – Fahrt langsam fort – ich werde nachkommen.« – So sprang ich heraus, blieb an der Straße stehen wie ein Meilenzeiger, und staunte lange vor mich hin, eh' ich bemerkte, daß Bastian neben mir stand und mich ängstlich beobachtete. »Warum,« fragte ich ihn mit hinfälliger Stimme, »bist du nicht sitzen geblieben?« – »Ach, lieber Herr, weil ich glaubte, es sei Ihnen etwas gefährliches zugestoßen.« – »Das ist es auch, Bastian: so[98] ein unerwarteter Anblick – – ich glaubte, der Schlag würde mich rühren. – Da, sieh selbst zu, ob ich recht gesehen habe! Erkennst du ...« – Bastian warf, wie er den Deckel des Futterals zurück zog, funkelnde Augen auf das Mignatur-Gemälde, das er hier erblickte, und schien sich und mich und die ganze Welt darüber zu vergessen. – »Nun?« fragte ich nach einer Weile. – »Ach wunderschön!« rief der junge Bursche. »Ich bin zwar nicht so glücklich, weiter etwas von dem Porträt zu kennen – als das Gesicht; wenn aber alles an der lieben Mamsell so treffend gemalt ist als das, so habe ich in meinem Leben nichts gleicheres gesehen. – Armes Klärchen!« fuhr er lächelnd fort, »der Tag ist schwül – wie behaglich mag es dir vorkommen, so allein zu seyn und dich zu lüften! – Ach wie würdest du zusammenfahren, wenn du wüßtest, daß dich ein Maler belauschte! – Der Schalk! Gewiß hatte er sich neben dir eingemiethet, wie wir, guckte durchs Schlüsselloch, zeichnete, pinselte, ohne Athem zu holen, und hat dich nun – ach Gott und wie? über und über verrathen! – Lieber Herr! sagte ich es denn nicht schon vor acht Tagen, wie ich das schöne Kind zuerst an dem Fenster sah, nichts weiter sah als das Köpfchen – daß es ein Engel wäre? Und kann wohl ein, ich frage Sie auf Ihr Gewissen, ein Cherubin reiner und durchsichtiger glänzen, als diese unvergleichliche Figur?«

Jetzt merkte ich erst, wie unrecht ich that, den feurigen Jüngling mit der ganzen unverhüllten Gestalt dieses Engels bekannt zu machen: denn ob ich gleich noch vor kurzem in meinem Tagebuche dieser Art Kabinets-Malerei das Wort sprach; so setzte ich doch, wie Du weißt, gewisse Bedingungen voraus, unter denen sie allein von Nutzen seyn könne; und diese fielen freilich ganz bei meinem guten Bastian weg. Es ward ihm unglaublich schwer, sich von der schönen Waare zu trennen, die ihm hier, vermuthlich zum erstenmale, zur Schau vorgelegt wurde. Es gehören freilich mehr Jahre und andere Erfahrungen dazu, als die seinigen waren, um über diesen Prunk der Natur gleichgültig hinweg zu gaffen.

»Aber wie konnte Sie das schöne Bild so erschrecken?« fragte Bastian, indem er es mir mit einem Seufzer zurückgab. – »Wie[99] es das konnte?« antwortete ich ziemlich verlegen: »weil ich, wie du schon gehört hast, an nichts, was in Avignon lebt und webt, erinnert seyn will, am wenigsten an ein Geschöpf, das der hohen Schönheit nicht werth ist, mit der es die Natur beschenkt hat.« – »Ach, bei allen den Fehlern des Originals, bei allem, was Sie dem guten Kinde Schuld geben,« antwortete Bastian, »wird doch gewiß jedermann so ein Bild gern sehen; und es ist wohl glücklich, daß Sie gestern der Propheten-Wirth auf die Spur des Eigenthümers gebracht hat! Er wird sich nicht wenig freuen, wenn er es wieder erhält!« – »Ja, ja,« sagte ich, »er hat es theuer genug erkauft, und bezahlt noch daran.« – »Was muß sein Kammerdiener für ein alberner Mensch seyn!« fuhr der meinige listig fort. »Wenn mir so etwas zum Aufheben anvertraut würde, ich wollte gewiß das sorgfältigste Auge darauf haben.« – »O ich kenne deinen Diensteifer,« antwortete ich lächelnd: »aber jetzt hast du Bewegung nöthig; lauf nach dem Wagen und laß ihn halten.«

Nun war ich allein, konnte nun, wie ich so gern thue, meine Empfindungen gegen mich laut werden lassen, konnte nach Belieben mit den Füßen stampfen und in die Luft reden, ohne daß jemanden hinter oder neben mir Angst werden, oder daß er mich fragen durfte: Was fehlt Ihnen? – »Ein heimtückischer Streich!« rief ich, und warf grelle Augen auf die Mignatur. »Abscheulich schönes Geschöpf! wie weit glaubte ich mich schon von dir und deinem Andenken entfernt, während sich dein Bild, großer Gott! an meinem beängsteten Herzen erwärmte, und sich nun auf einmal so reizend und unverschämt meinen Augen darlegt, wie es deine Kasuisten erlauben! Konnte der Zufall,« fragte ich bitter, »keinen andern Boten auftreiben als mich, um das Gemälde dieser heiligen Buhlerin über die Gränze zu bringen?« – Einen Augenblick war ich entschlossen, es an einem Stein zu zermalmen. Die Ehrfurcht für die Kunst allein, die Achtung für fremdes Eigenthum, hielten mich ab. Nun! so will ich denn wenigstens, dachte ich, dieser Kreatur, ob sie gleich sonst nicht verdient die Feder eines rechtlichen Mannes zu beschäftigen, ein Monument setzen, und ihrem Bilde eine Warnung anhängen, die seine blendenden Farben so gut wie vernichten,[100] und den lüsternen Herren, denen es nach mir unter die Hände kommt, die Lust schon benehmen soll, das Original aufzusuchen. Ich hoffe, die keuschen Musen, wenn sie wirklich keusch sind, sollen es mir vergeben, daß ich dem Rücken dieser Heiligen den Stempel ihres Lebens zum Correktiv ihres verführerischen Anblicks aufdrücke. Eine widrige Beschäftigung! ich gestehe es gern: da sie aber nur dahin zielt, den Lieblingen meines Herzens, den jungen Unerfahrnen, denen, wie meinem armen Bastian, die Natur so heftig zusetzt, daß sie darüber alles verhören, was ihnen die Sittlichkeit vorpredigt – die Augen über diesen kasuistischen Kontreband zu öffnen; so ist die Frage, ob in dem ganzen Martial ein einziges so gemeinnütziges Epigramm steht, als das meinige hoffentlich werden soll.

Unter diesem Selbstgespräche setzte ich mich, ohne weiter zu zweifeln, ob ich auch diesen Ehrenplatz verdiene, in den Schatten eines Lorberbaums, der nicht weit von dem Wege stand, spitzte meinen Silberstift und schrieb nun auf die Rückseite des elfenbeinernen Blattes folgende Adresse an die Vorderseite, wobei ich nicht viel andres that, als die Herzensbewegungen meines guten Bastian getreu zu übersetzen, und am Ende ein kurzes Sapienti sat beizufügen:


Ach, welch ein Engel setzt hier mir Herz und Augen in Brand!

Wirft nicht ein Spiegel, wie der, uns den verlorenen Stand

Der Unschuld wieder zurück? Baut dort in schattiger Lage

Nicht noch die Tugend ihr Nest, wie seit dem ersten der Tage,

Als Gott ihr stolzes Gefühl mit einem Kleinod verband,

Für das, der alles genannt, doch keinen Namen erfand?

Dein Aug' in Ehren, doch, Freund, vor der Entscheidung der Frage

Leih' erst dein prüfendes Ohr der tausendzüngigen Sage.

Dieß Wunder Gottes, spricht sie, so weit das Aug' und die Hand

Es zu begreifen vermag, steh' als ein eisernes Pfand,

Gleich andern Wundern der Welt, in Mönchs- und Pfaffenbeschlage,

Und – Doch bedarf es wohl noch, daß ich um Worte mich plage?

Was dir ein Engel verspricht, mit solchen Geistern verwandt, –

Flieh die Erfahrung – versteht sich ohne Glossen am Rand.


Sobald ich die Schöne mit dieser Aufschrift gebrandmarkt und mein Müthchen gekühlt hatte, ward ich ruhig und heiter, wie ein Mann nach einer gethanen mühseligen Pflicht, steckte das Bild in[101] die Schreibtafel, und schwur, es nicht wieder vor meine Augen zu bringen. So gar lange wird es ohnedieß nicht in meiner Verwahrung bleiben: denn schwerlich möchten die Aerzte in Montpellier den rechtmäßigen Eigenthümer vorher entlassen, eh' ich hinkomme, wiewohl er ohnehin dieß Souvenir nicht so gar nöthig haben wird, um sich lebhaft an sein Liebchen zu erinnern.

Während des Hingangs nach meinem Wagen überlegte ich, wie ich die vielen Tage, die ich durch meinen abgekürzten Aufenthalt in Avignon gewonnen hatte, um vieles nützlicher in der Hauptstadt der Provence anwenden wollte, nahm meinen geographischen Wegweiser zu Hülfe, überlas alle die Merkwürdigkeiten, die er mir dort versprach, und freute mich herzlich der guten Gesellschaft, die, seiner Versicherung nach, dort so einheimisch seyn soll, als es in Avignon die schlechte ist. Mit diesen Gedanken beschäftigt, erreichte ich meinen Wagen, und eine Stunde nachher die Stadt.


Ich weiß nicht, lieber Eduard, ob Dir die eigene Gewohnheit bekannt ist, der ich mich fast mechanisch überlasse, wenn ich in einen fremden Ort komme. Ich gehe nämlich, so wie ich aussteige, auf seine Beschauung aus, und zwar aus mancherlei Ursachen. Denn einmal kann man sich den ersten Tag, wo man noch stockfremd auf den Gassen ist, manches erlauben, wozu man schon den zweiten nach seiner Ankunft nicht mehr das Herz hat, und darüber, die niedrigste zwar, aber auch erste Sprosse überhüpft, die doch unsere Leiter, auf der wir empor steigen, so gut zusammen hält als die oberste, und mitgezählt werden muß, wenn man die Höhe richtig bestimmen will. In dieser Rücksicht ist die erste Stunde Deines Eintritts in ein städtisches Getümmel sicher auch die bequemste. Sie ist die einzige, die Deinen Launen und Deinen Schritten noch ihren Gang frei läßt, der einen Tag später, wo wenigstens Dein Wirth und Dein Lohnlakai Notiz von Dir nehmen, um ein gut Theil beschränkter ist. Dein zerzaustes Haar, die ungesalzene Miene, der staubige Ueberrock, die Du von der Reise mitbringst, nöthigen niemand, vor Dir den Hut zu ziehen, oder Dir höflich aus dem Wege zu treten. Du könntest Dich, wenn Du es bedarfst,[102] an der Ecke der Straße barbiren lassen, ohne den Blick eines Vornehmen zu scheuen, der etwa bei Dir vorbei geht, indeß Dich noch oben darein das geheime Bewußtseyn kitzelt, mehr zu seyn, als Du vorstellst, und als die guten Leute glauben, unter die Du Dich gemengt hast. Morgen – wenn Du vielleicht gern mehr vorstellen möchtest als Du bist, ist es mit diesem Kitzel vorbei, und es ist noch die Frage, ob Dir das abgeredte Spiel der großen Welt selbst diese kleine, nicht unbehagliche Empfindung ersetzen würde. Aber schon deßwegen möchte ich nicht von meiner Gewohnheit abgehen, weil mich die Erfahrung gelehrt hat, daß der erste Eindruck, den die Außenseite einer Stadt, so dunkel er auch ist, bei mir zurück läßt, mich doch weit weniger irre führt, als ihre Topographen und besoldeten Trompeter. Ich könnte Dir eine Menge großer und kleiner Städte herzählen, wo ich nichts weiter nöthig hatte, als aus dem Wagen zu steigen, durch den Koth ihrer Gassen zu waden, die Schnörkel an den Giebeln ihrer Häuser zu begaffen, den Drachenköpfen ihrer Dachrinnen auszuweichen, einen Blick auf ihre Markgeschäfte zu werfen, oder einer ihrer geputzten Gesellschaften mit meinen Augen und Ohren auf der Promenade nachzuschleichen, um geschwind mit mir einig zu werden, – weiter zu fahren. Ich könnte Dir ... Doch ich will Dich nicht länger mit meiner Vorklage aufhalten, sondern Dir kurz und gut sagen, daß es mir in dem merkwürdigen Aix gerade so ging.

Meine Uhr stand auf zehn, als ich ankam, und auf zwölf, als ich wieder abfuhr, ungeachtet ich während dieser kurzen Zeit auch eine Klosterkirche besuchte, die außer den Ringmauern lag. Traue einer den Reisebeschreibern! Wie konnten sie es einer einzelnen Gasse wegen, die auf beiden Seiten mit Palästen besetzt, und so breit ist, daß freilich von den Gliedern des Parlaments, die darin wohnen, keines dem andern auf die Finger sehen kann, eine herrliche Stadt nennen, ohne die unzähligen Nebengassen in Anschlag zu bringen, wo der ungleich größere Theil ihrer Einwohner durch schmutzige, verfallene Häuser, wie an einer rostigen Kette, gleichsam an einander geschlossen ist? Alle meine Blicke, die ich neugierig von einem Thore zum andern ausschickte, kamen[103] unbefriedigt und schwermüthig zurück. Ich sah doch in der Welt nichts, als einzelne, scheue Menschen, die es auf meiner offenen Stirne zu lesen schienen, daß meine Verhältnisse unter dem Monde glücklicher wären als die ihrigen, und mir mit ingrimmiger Miene aus dem Wege traten, wenn ich sie anblickte. Ein Kaffeehaus, in das ich eintrat, vereinigte zehn Bürger, die, jeder für sich, ihr Frühstück einschlürften, ohne einen Laut von sich zu geben, und die von eben so maulfaulen Menschen bedient wurden. Ich schlenderte den geräumigen Markt einigemal auf und ab. – Der Ausdruck einer wohl genährten groben Selbstliebe in den Gesichtern der Vornehmen, denen ich begegnete, empörte mein Herz; die schüchterne Darlegung derselben in den Mienen der Geringern, auf die ich stieß, erweckte in demselben ein widriges Mitleiden; und die gefühllose Dummheit auf den Stirnen der Mönche, die hinter ihren Schmerbäuchen hertrabten, verdarb mir vollends meine schöne Morgenstunde. Mein Urtheil war geschwind gefällt, und noch erlebte ich hinterher etwas, das mich wahrlich nicht verführen konnte, es wieder zurück zu nehmen. Ich brachte das eine wie das andere in ein paar Dutzend Zeilen, die ich in mein Memorien-Buch schrieb, und auch Dir zu Deiner Notiz dieser Stadt hersetzen will.


Ihr weises Parlament hält Bürgerschaft und Adel

In gleicher Mäßigkeit und Ruh,

Und dreht hier jeden Kopf, wie der Magnet die Nadel,

Dem Gegenpol der Freude zu.

Gewohntes Beispiel, träger Wille

Gießt Oel auch in des Jünglings Blut,

Und in den Gassen herrscht solch eine Sabbathsstille,

Wie auf dem Markt zu Herrenhut.

Auch fühlt' ich gleich in Einem Vormittage,

So gut als hätt' ich es schon Jahre lang gefühlt,

Wie wenig mir ein Puppenspiel behage,

Wo Harlekin die zweite Rolle spielt.

Indem mich nun der Geist der Langenweile

So vor sich her, gleich einem Kreisel trieb,

Rief mir mein Taschenbuch zum Glück ins Ohr, ich eile

Dem Tempel jetzt vorbei, wo Friedrich eine Zeile,

Und zwar die einzige für einen Tempel, schrieb,

Weil seinem D'Argens hier, dem Feinde

[104] Des Irrthums und der Wahrheit Freunde,

Das letzte Ruheplätzchen blieb.

Welch Auge blickt nicht gern nach einer Myrtenkrone,

Die, sonder Neid, ein Mitgenoß

Der Seligkeit am Helikone

Um seines Freundes Urne schloß! –

Dem Zuruf eines Aschenkruges

Von dieser Seltenheit geh nie mein Stab vorbei!

Doch hier – betrogne Phantasei! –

Fand ich, statt Friedrichs Wort, ein hämisch aberkluges,

Verworrnes Epitaph im Styl der Klerisei,

Das mir bewies, daß nie im Weichbild der Abtei

Ein Feind des Irrthums und Betruges

Zu seiner Ruh gekommen sei.


Noch einige Worte zur bessern Erläuterung dieses Textes. Ich fragte den Minoriten, der mich in seiner Klosterkirche herumführte und den Teppich abnahm, mit dem das marmorne Monument des guten D'Argens bedeckt war: warum man denn die kurzen königlichen Worte mit einem solchen Schwall anderer vertauscht hätte, als ich hier in goldenen Buchstaben vor mir sah? – »Weil wir sie,« antwortete er mit dummer Aufrichtigkeit, »in dem Sinne nicht brauchen konnten, die der König hinein legte. Die Freigebigkeit des königlichen Ketzers trugen wir kein Bedenken zur Verschönerung unserer Kirche zu benutzen; aber seiner heidnischen Inschrift geschah nicht mehr als Recht, da sie auf Befehl unserer Obern wegbleiben mußte.« – »Diese Abweichung,« antwortete ich, »würde sich kein Kloster in Schlesien erlaubt haben.« – »Auch wir nicht,« lachte er laut auf, »wenn wir dem Tyrannen so nahe wären als jene; aber die Entfernung, mein Herr – bedenken Sie nur die Entfernung!« – Ich brauchte wahrlich dieser seiner Erinnerung nicht, und fühlte es in diesem Augenblicke nur zu sehr, wie weit ich von Berlin verschlagen war. Ich hätte mich mit der französischen Aufschrift begnügen sollen: denn bei dem haut et puissant Seigneur, mit dem Nachsatze Chambellan, verzog sich mein Mund doch nur zum Lächeln; die Lateinische hingegen erweckte nichts weiter in mir als Aerger. »Instante morte,« wiederholte ich laut, und drehte mich nach dem Mönch – »Aber,[105] lieber Mann, ist es denn auch so gewiß, als Ihr Latein sagt, daß sich der Marquis noch aus seinem Todbette zu dem Glauben seiner Väter bekehrt hat?« – »O nichts weniger,« fiel der Minorit ein: »das ist nur ein Anstrich, den wir der Sache gaben! Nein, mein Herr, er ist gestorben – Sie werden es hören, wenn Sie nach Toulon kommen – wie er gelebt hat: Erroris inimicus – veritatis amator. Er verlangte hier – in seinem Erbbegräbniß beigesetzt zu werden. – Angemerkt haben wir es auf dem Epitaph – aber wir wußten es zu verhindern: denn was kümmert uns die Asche eines Abtrünnigen, der Judenbriefe geschrieben, und Freund und Anhänger Friedrichs des Großen, oder vielmehr, wie wir das Frederic le grand auf der Inschrift verstehen – des größten Freigeists unseres Jahrhunderts war!« – Dummes Geschöpf! dachte ich, und suchte es ihm noch durch meine Blicke zu verstehen zu geben, als ich die Kirche verließ. – –


Ihr habt doch noch nicht abgepackt? rief ich meinen Leuten entgegen, die an der Thüre des Gasthofs aus mich warteten. – Noch nicht, antworteten sie. – Nun, so laßt in diesem Augenblicke anspannen.

Ich trat unterdeß in das Speisezimmer, und fand die Tafel gedeckt, um die schon einige geistliche Herren in hungriger Erwartung herschritten. Der Wirth war ganz betroffen, als er meinen sonderbaren Befehl hörte, überreichte mir den Küchenzettel, und zählte mir alle seine Weine an den Fingern her; da aber auch das nicht verfangen wollte, fragte er mich, ob ich denn schon bei den Kapuzinern das unüberwindliche Krucifix, die Manufaktur der Macaroni, und die Sammlung von Reliquien bei den Nonnen der Heimsuchung Mariä gesehen hätte, die einzig in ihrer Art wäre? – Kein Reisender würde es so leicht verabsäumen, der nur einen Gran ... »Sollte sich wohl,« unterbrach ich ihn geschwind mit der Gegenfrage, »der zweite Kniegürtel der Mutter Gottes darunter befinden?« – »Kann wohl seyn,« antwortete der Wirth, »denn die Sammlung ist die vollständigste in der ganzen christlichen Welt.« – »Aber warum fragen Sie eben nach dem zweiten?« fiel[106] ein junger Abbé ein. – »Weil der eine,« erwiederte ich, »vorige Woche in Avignon versteigert wurde.« – »Und wer ist denn so glücklich gewesen ihn zu erstehen?« fuhr er mit sichtbarer Neugierde fort. – Daß man es doch nicht lassen kann, auch in unbekannter Gesellschaft, und wäre sie noch so schal, sich eine wichtige Miene zu geben! »Ich, mein Herr,« warf ich mit vornehmer Gleichgültigkeit hin, und zog mir darüber den ganzen Troß auf den Hals. – Der eine wollte wissen, wie hoch er mir zu stehen käme? der andere, aus welchem Stoff er bestände? und ein dritter bat sich die Gefälligkeit aus, ihm solchen zu zeigen. Ich bedauerte unendlich, daß er nicht mehr in meinen Händen sei. Da das kostbare Stück von der Toilette einer Dame herrühre, habe ich für billig gehalten, es wieder an eine zu bringen, die sich aber, wenn die Herren nach Avignon kommen sollten, gewiß ein Vergnügen daraus machen würde, es ihnen vorzulegen. – »Und ihre Adresse, um Vergebung?« riefen zwei zugleich, und einer so hastig als der andere. Wäre die meinige, die Du oben gelesen hast, nicht Deutsch gewesen, und hätte ich es nicht verschworen, mir das Bild wieder unter die Augen zu bringen, wer weiß was ich gethan hätte! Unstreitig etwas ganz überflüssiges – denn kaum daß ich ihnen geantwortet hatte: Es ist eine junge Heilige, Namens Klara, so singen sie alle zugleich an, mir in das Gesicht zu lachen. – »O meine Herren,« stimmte ich mit ein, »wie ich sehe, ist Ihnen das fromme Mädchen so gut bekannt, als mir selbst, und so habe ich Ihnen denn auch weiter nichts zu sagen.« – Sie setzten sich nun mit großer Lustigkeit zu Tische, die ich ihnen von Herzen gönnte, und ich steckte zu einiger Entschädigung des Mittagsmahls, da es doch sehr wahrscheinlich war, daß ich es ungenossen würde bezahlen müssen, das Brod von dem Kouverte ein, das für mich hingelegt war. – »Da thun Sie wohl,« winkte mir der Wirth zu, »denn in Marseille ist es kontreband.« – »Und warum das?« fragte ich. »Weil dieß Produkt unsrer Gegend, wie Sie auch selbst finden werden,« antwortete er, »so vorzüglich gut ist, daß es uns die reichen Marseiller vertheuern würden, wenn die Ausfuhr davon erlaubt wäre. Indeß können Sie doch bei meinem Vetter, dem Wirth im heiligen[107] Geiste,« flüsterte er mir in das Ohr, wie er mich an den Wagen begleitete, »täglich so viel davon bekommen, als Sie nur wollen, wenn es Ihnen einerlei ist, es unter einem andern Namen zu essen.« – »Es wird doch nicht eingesegnet?« sagte ich lächelnd, dankte ihm für die gute Anweisung, die er mir gab, fuhr nun um vieles besser gestimmt durch die leeren Gassen, und hoffentlich zum letztenmale bei dem dummen Minoritenkloster vorbei.


Gott gönne, rief ich noch, der Asche des Verfassers

Der Judenbrief' in klügern Mauern Ruh! –

Und flog nun, wie ein Strom lang' aufgehaltnen Wassers,

Dem lustigen Marseille zu.


Ich flog, wie ich nur erst die Vista erreicht, und die große Handelsstadt und den Spiegel des Meers vor mir liegen hatte, durch das reizendste Land, das sich die schwelgerischte Einbildungskraft nicht schöner zu malen im Stande ist. Schade nur, daß es nicht unter dem Zepter des großen Freigeists steht, wie jene geweihten Zwerge ihn schimpfen! Wie würde Friedrich dieses Feuer der Natur, dieses fruchtbare Klima, diese Weizenfelder und Oelgärten, und die Kräfte dieser bräunlichen lebhaften Menschen benutzen, die jetzt bald von diesem, bald von jenem verdammten Heiligen ihrem Tagewerke entrissen, und, in Processionen zusammen getrieben, aus einem Narrenfeste in das andere zu Grabe gehetzt werden!

Das stärkende Brod, unerachtet ich keinen Brocken davon verstreute, konnte mich doch nicht ganz über die Besorgniß beruhigen, daß ich Marseille nicht zeitig genug erreichen würde, um in dem heiligen Geiste noch einen gedeckten Tisch zu finden. Ich betrog mich zu meinem Vergnügen. In einer Seestadt, wo kein Wind bläst, der nicht den Speisewirthen einen Trupp Ausgehungerter zuführt, finden alle Nationen, zu allen Zeiten des Tags und in jedem Gasthofe, die Einrichtung einer Feenwirthschaft. Unzählige dienstbare Geister nehmen den Ankömmling in Empfang. Immer fertige Gerichte rauchen ihm entgegen, und keiner verläßt den Speisesaal, der nicht in seinem Kauterwälsch Gott für die sinnliche Freude der Sättigung, und für das bängliche Leben,[108] dankt, das er ihm wieder um einen Tag fristete. Um wie viel klüger kam ich mir vor, daß ich mich weder durch den Hunger, noch durch die Tischgesellschaft in Aix hatte verführen, und um den mannigfaltigen physischen und geistigen Genuß betrügen lassen, den mir hier eine neben dem Weltmeere errichtete Tafel – den nur die verschiedenen Sitten, Trachten, Gesichter und Zungen versprachen, die das erste menschliche Bedürfniß freundschaftlich um mich herum an einander reihte!


Das war ein guter Geist! Durch ihn ward ich der Qualen

Des Spleens und Hungers los. In seinen Mittagsstrahlen

Erquickt der Matte sich. Hier trieben Ries' und Zwerg

Und Juden, Türken, Kanibalen,

An Einem Tisch vereint, das Selbsterhaltungs-Werk,

Wie Moses, Mahomet und Petrus es befahlen.

Mir, da Deisten auch nicht mehr als andre zahlen,

Blieb meine Zunge zwar das erste Augenmerk:

Doch lächelnd sammelt' ich zugleich die leeren Schalen

Von Hummern, Matripors, Seeigeln, Admiralen,

Für einen Freund zu Nürenberg.


Ich konnte mich von dem angenehmen Schauspiele dieser Tafelrunde nicht trennen, selbst da meine Rolle dabei gespielt war. Ich blieb noch immer ritterlich daran sitzen, und erlauerte dadurch ein Vergnügen, das ich seit meiner Reise entbehrt, und auf das ich in diesem Augenblicke am wenigsten gerechnet hatte. Denn eben als ich mich in geheim über den blinden Nationalstolz und über das Vorurtheil eines Spaniers lustig machte, der uns allen beweisen wollte, daß die Mandeln zu Cadix weit voller und schmackhafter wären, als die hiesigen – erschienen zwo junge artige Damen mit einem ältlichen Mann an der Seite, warfen fröhlichen Muths ihre Staubmäntel ab, und setzten sich nach der Anweisung der frischen Couverts, die der Wirth für sie hinlegte, in meine Nachbarschaft. Je näher sie mir kamen, desto weißer schien mir ihre Haut, desto glänzender ihre Augen, desto gütiger ihre Blicke zu werden: aber sie entzückten mich erst über alle Maßen, als ich sie gegen einander sprechen hörte; denn sie sprachen – Deutsch. Nun habe ich immer geglaubt, es erfordere schon die allgemeine Achtung gegen das schöne[109] Geschlecht, daß man nie ein paar Mädchen fortschwatzen lasse, in dem Falle, daß man ihre Sprache versteht, ohne sie in Zeiten von diesem Umstande zu benachrichtigen. Ich that es daher auch jetzt. Es standen frische Erbsen vor mir, ich bot sie der mir nächsten mit der Anmerkung an, daß dieses Gericht für Deutsche etwas sehr neues vom Jahre wäre. – »Ganz gewiß,« antwortete sie; »unter vier Monaten würden wir,« Du kannst denken wie ich überrascht wurde, »schwerlich in Berlin welche geschmeckt haben.« – »Wie, meine lieben Nachbarinnen?« fuhr ich lebhaft fort, »Sie sind Berlinerinnen?« – »Das sind wir,« versetzte sie lachend: »wundern Sie Sich darüber?« – »Freilich sollte es mich wundern,« antwortete ich, »daß ich erst ein paar hundert Meilen von Hause so ausgezeichnete Landsmänninnen kennen lerne.« – Hier drehte sie sich lustig nach der andern Seite: »Schwester, der Herr will mir weiß machen, er wäre von Berlin; melde es doch dem Vetter, der versteht sich besser aufs Examiniren, als ich.«

Ich bog mich etwas vorwärts, um den Herrn in das Gesicht zu fassen, und fand die Anspielung seiner schönen Nichte sogleich nur zu deutlich erklärt; denn diese Physiognomie konnte niemanden angehören als einem Visitator, und es fand sich auch nachher, daß ich richtig gesehen hatte. Mir war jedoch jetzt mehr daran gelegen, seiner reizenden Nichte, als ihm, mein Indigenat zu beweisen; ich fing es aber am unrechten Flecke an. Ich nannte ihr alle meine Berliner Freunde und Bekannten; aber leider gehörte keiner davon zu den ihrigen, und von allen den stolzen Namen, mit denen ich das Maul voll nahm, war auch nicht Einer von ihrer Bekanntschaft! Selbst von Dir, lieber Eduard, hatten sie nie gehört, so schön sie auch waren. Ich war trostlos. Indeß schien mir noch nicht alles verloren. – »Nennen Sie mir,« sagte ich, »nur einige Personen aus Ihrem Zirkel; es müßte nicht gut seyn, wenn wir nicht am Ende zusammen treffen sollten.« – Aber da ging es eben so unglücklich. Ich wußte ihr auf keine ihrer höhnischen Fragen, weder wo der Monddoktor wohne, noch wen die alte Sibylle auf dem Johannismarkte geheirathet habe, noch auf andere dergleichen Dinge, womit sie mich in die Enge trieb, den geringsten Bescheid[110] zu geben, und ich sah wohl, daß ich so lange bei ihr für einen Prahler gelten würde, bis ich mich durch andere Umstände legitimirte, die besser zu den ihrigen paßten. Ich erbot mich daher, sie nach Tische auf ihr Zimmer zu begleiten, und mich dem scharfen Examen ihres Herrn Vetters zu unterwerfen. Sie versicherte mich, daß es ihnen lieb seyn würde, setzte bis dahin ihren Verdacht bei Seite, und schwatzte nun von allerei gleichgültigen Dingen, die mir aber gar nicht unwichtig schienen, so lange sie ihr weißes, freies, deutsches Gesichtchen mir zukehrte, in das ich mit wahrer Vaterlandsliebe blickte. Als sich ihr Herr Vetter gesättigt hatte, standen wir alle auf seinen Wink auf; ich bot seinen beiden Nichten den Arm, er schlenderte hinter uns her, und sie hatten nichts dawider, daß ich befahl, uns einige Erfrischungen auf die Stube nachzubringen.

Mein Vorstand bei dem Herrn Vetter war sehr kurz. Nach zwei Worten war er von der Wahrheit meines Vorgebens überzeugt, ich erhielt Ehrenerklärungen von den Damen, und wurde nun mit gegenseitiger Freude für ihren Landsmann erkannt; denn in einer je größern Entfernung von der Heimat man einen Mitbürger findet, desto lieber wird er uns. Es ist, als ob der Gedanke eines gemeinschaftlichen Vaterlandes erst außerhalb desselben Stärke bekäme. Die äußern Verhältnisse, wodurch er dort nur zu leicht geschwächt wird, verlieren ihren Druck durch die Weite des Wegs. Der Abstand der Vornehmen von den Geringern scheint sich von selbst aufzuheben, wo die Abstufungen fehlen, die den Zwischenraum ausfüllen, und man umarmt sich aus patriotischem Gefühl, ohne lange zu fragen, zu welcher Kaste gehört ihr? Es that mir so wohl wieder einmal neben Menschen zu sitzen, die seit ihrer Jugend, wo nicht einerlei Gesellschaft mit mir genossen, doch dieselben Glocken, dieselben Trommeln gehört hatten – den Thiergarten so genau kannten als ich, und, so gut wie ich, gegen Berlin alle andere Städte verachteten, durch die sie gekommen waren. Wir wechselten unsere politischen Bemerkungen, wie unsere eigne Geschichte, auf das traulichste gegen einander aus. Ich wäre, glaube ich, aus Ueberfluß des Herzens im Stande gewesen, ihnen mein[111] geheimes Tagebuch vorzulegen, wenn es die Zeit erlaubt hätte, und sie waren eben so wenig zurückhaltend gegen mich. Vorzüglich machte sie ein Glück schwatzhaft, das ihnen über dem Meere bevorstand. Die Sache hing so zusammen.

Eine Schwester des Herrn Visitators und Tante seiner beiden Bruderstöchter, die – sagte die eine – in ihrer Jugend bildschön war, hatte in dem siebenjährigen Kriege einen französischen Proviant-Bedienten geheirathet, der, nach unglaublichen Abenteuern zu Wasser und zu Lande, sich endlich mit ihr in St. Domingo niederließ, sich dort – fiel hier der Visitator ein – erstaunliches Vermögen erwarb, und auf seinem Todbette es seiner Wittwe vermachte. Durch die Länge der Zeit war das gute Weib nun auch hinfällig geworden. Sie soll, lispelte die andere Nichte, sehr kränkeln, und kann sich fast gar nichts mehr zu gute thun. Ihr vieles Geld kann sie auch nicht mit aus der Welt nehmen. Das bedachte sie, und Gott rührte ihr Herz, daß sie sich noch in Zeiten nach ihren armen Verwandten umsah, und sie mit dem Versprechen zu sich einlud, ihnen ihre Erbschaft zuzuwenden. Der Herr Vetter suchte sogleich, wie er diesen wichtigen Brief erhalten hatte, um Entlassung aus preußischen Diensten an, die er auch auf das allergnädigste erhielt, und reist nun, überflüssig mit Gelde versehen, das ihm seine liebe Schwester von Banquier zu Banquier anwies, mit den beiden einzig übrig gebliebenen Sprößlingen der Familie einem Reichthum entgegen, auf den er, wie er mich heilig versicherte, in seinem ganzen Leben nie rechnen konnte. Indeß verschwört es der gute Mann nicht, wenn er bald genug zum Besitze dieser Glücksgüter gelangen sollte, wieder in seine Vaterstadt zurück zu kehren; denn er stellt sich es doch als einen großen Spaß vor, sich einmal allen den Augen in einem gewissen Anstande zu zeigen, die ihn von Jugend an nur als einen Lump gekannt hätten.

Ich unterdrückte das Lächeln, zu dem mich diese entfernte Hoffnung des ehrlichen Mannes so kurz vor seiner Hinreise, und die treuherzig wichtige Miene, mit der er sie vorbrachte, nur zu sehr reizten. Der Gedanke ist so natürlich, Eduard: es scheint uns ja allen, so viel wir unser sind, auch das größte Glück fast[112] kein Glück mehr, wenn wir es immer entfernt von unserer Heimat genießen, und nicht die Freiheit haben sollen, unsere alten Bekannten und Schulgesellen damit zu blenden. Ich hörte, wie Du aus meiner genauen Wiedererzählung schließen kannst, zum erstenmale einem Visitator mit aufmerksamer Geduld zu; ob ich mich gleich nicht für eben so verbunden hielt, während er sprach, bei seinen gemeinen Gesichtszügen zu verweilen, da ich die Wahl hatte, meine Augen indeß mit zwei andern deutschen Gesichtern zu vergnügen, die freilich nicht so alltäglich waren, als das seinige. Doch ich ward bald genug seiner ganzen redseligen Person los.

Der Kapitän, dem die Wittwe zu St. Domingo die Ueberfahrt ihrer Verwandten als eine Rückfracht verdungen, so wie sie jenen zugleich die Zeit, wo sie mit ihrem Führer zusammen treffen sollten, bestimmt hatte, ließ ihnen jetzt wissen, daß er wegen seiner nunmehr beendigten Geschäfte sie mit ihrer Habe an Bord erwarte, um noch diese Nacht abzusegeln. Mit dieser Nachricht schickte er ihnen zugleich Träger, um die Koffer zu holen. Der arme Visitator und seine Nichten hätten nun wohl gern noch diese Nacht auf festem Boden von ihrer Landreise ausgeruht; da es aber die Umstände nicht erlaubten, so gaben sie sich heroisch darein, und, nachdem er hastig eine Tasse von der Chokolate und zwei Gläser von dem Champagner hinunter gestürzt, die der Kellner für meine Rechnung eben auf den Tisch gepflanzt hatte, so eilte er seinen Koffern nach, versprach seine Nichten abzuholen, wenn es Zeit zur Abfahrt wäre, und überließ uns mit einem freundlichen Winke den Ueberrest der Kollation.

Das Zimmer kam mir zwar viel aufgeräumter und geputzter vor, als er weg war: doch machte mich das große Zutrauen eines Onkels nicht wenig stutzig, der mich in der Dämmerung, bei solchen Erfrischungen, mit solchen Mädchen allein lassen konnte, die jetzt in der lustigsten Laune von der Chokolate zu dem brausenden Wein übergingen, und abwechselnd, dem festen Lande, wie sie sagten, zur letzten Ehre, trällernd um den Tisch tanzten, bis es für diese Art Leibesbewegung zu dunkel ward. Fürchte aber nur nicht zu sehr für mich, Eduard. Denn, ungeachtet die Gefahr wuchs, als[113] die fünfzehnjährige Schwester, nach wohl errungener Müdigkeit, der sechzehnjährigen den Tummelplatz allein überließ, und sich mit der Bitte in das anstoßende Kabinet begab, sie möge sie ja nicht eher wecken, bis es die höchste Noth sei – und, ob ich Dir auch gern gestehe, daß ich in einem gefährlichen Augenblicke vorher, wo die erhitzten Schönen ihre Halstücher abwarfen, und mir nur desto vorteilhafter in die Augen fielen, mir in geheim die spitzfindige Frage vorlegte, ob nicht der strengste Sittenrichter – auf den zwar traurigen, aber doch möglichen Fall, daß diese Rosenknospen auf dem Meere verloren gingen – mir die wenigen im Raub gepflückten Blätter immer noch lieber gönnen würde, als einem Haifische? – und ob es gleich nicht dunkler werden konnte, als die noch muntere Schwester einen Sitz neben mir auf dem Kanapee einnahm, und mich launig aufforderte, ihr die Seekrankheit, vor deren neuer Bekanntschaft sie sich am meisten fürchte, aus dem Kopfe zu treiben: so schützte mich doch – und ich setze es dankbar auf die Rechnung des vielen Guten, das sich daher entspann – die Erfahrung der vorigen Woche vor jedem kasuistischen Gedanken. Ich nahm vielmehr von unserer baldigen Trennung Gelegenheit, dem schönen Geschöpfe, das neben mir saß, noch einige gute Lehren mit auf den Weg zu geben.

»Ihre Bekanntschaft, meine lieben Landsmänninnen,« sagte ich mit rührender Stimme, »hat mir meinen heutigen Tag recht werth gemacht, und es wird mich herzlich freuen, wenn ich erfahre, daß es Ihnen in der Entfernung wohl geht. Bald eilen Sie nun auf den Flügeln des Windes einem Lande des Wohllebens und der Freude entgegen. Mit so vielen Reizen geschmückt, als Ihnen beiden die Natur gab, werden Sie dort mehr Aufsehen machen, als selbst in Berlin; und dort, wo bewahrte Unschuld, mit Schönheit verbunden, ungleich seltener ist als Reichthum, wird gewiß bald eine glückliche Ehe – auf die Sie in unserer verarmten Vaterstadt noch lange vielleicht vergebens hätten warten müssen, Ihr Theil werden. Es muß auch von nun an Ihr einziges Ziel seyn, lieben Kinder! Denken Sie, wenn Sie es erreichen, und mit dem stolzen Bewußtseyn einer unbefleckten Tugend die Freuden[114] der Liebe ernten, die Sie zu geben und zu nehmen bestimmt sind – denken Sie dann an das Wahre und Uneigennützige meiner Vermahnung. Erinnern Sie Sich, in welcher für Sie und mich gefährlichen Stunde ich sie Ihnen an das Herz legte – in der Stunde unsers Abschieds – unter der Einladung der Nacht – während der fröhlichsten Stimmung Ihres Bluts, das Sie, wenn ich es sagen darf, meine lieben Kinder, ein wenig leichtsinnig, durch unbekannte hitzige Getränke in eine Wallung gebracht haben, die der Aufmerksamkeit auf uns selbst nur zu nachtheilig ist.« –

Es ging mir zwar hier wie manchem andern Prediger. Die eine Hälfte des Auditoriums, an das meine Rede gerichtet war – schlief, und die mögliche Erbauung der andern – mußte ich Gott anheim stellen. Indeß hätte ich doch um vieles nicht der Hülfe entbehrt, die ich mir gegen meine eigene Zerstreuung dadurch leistete, daß ich meinen Vortrag an eine Seele mehr richtete, als mir zuhören konnte. Diese Kleinigkeit benahm der Dunkelheit, die uns umgab, alle Gefahr; denn ich weiß nicht, ob ich mich so deutlich und ohne Stocken über den Werth der Tugend würde erklärt haben, wenn ich an die Bequemlichkeit meiner Kanzel, in Verbindung mit dem lieben Kinde, so einzeln, wie es neben mir saß, und entfernt von seiner Schwester, gedacht hätte, die, wie Du gehört hast, nicht eher gerufen seyn wollte, als »bis es die höchste Noth wäre.« Doch da dieser Sinnenbetrug, wie ich wohl merkte, in die Länge nicht dauern konnte, so ließ ich es mit dieser kurzen Probe genug seyn.

»Hum!« sagte ich zum Schluß, »ungerufen, sehe ich wohl, ist es im heiligen Geiste nicht hergebracht, daß man den Passagieren Licht bringt.« Ich griff nach dem Schellenzuge. – Die Schnur lag straff, und um sie ziehen zu können, suchte ich die Quaste. Aber gütiger Gott! wohin hatte die sich versteckt, und wie erschrocken führ meine Hand zurück! Ich bat das schöne Mädchen tausendmal um Verzeihung; aber, kannst Du es glauben? sie hörte mich nicht. Das müde Kind war, trotz meiner Predigt, so tief eingeschlafen, wie in der Kammer die Schwester, und machte mir jetzt keine kleine Angst. Da sie gerade unter der Klingel saß, so war es zwar sehr begreiflich,[115] wie die seidene Trottel, durch ihr Köpfchen gehoben, bei der geringsten Bewegung dahin gleiten konnte, wo ich sie fand; aber wie sollte ich sie nun aus der Klemme bringen, in die sie gerathen war? und ich brauchte doch Licht. Da war nun weiter nichts zu thun: ich mußte mich aus der Verlegenheit ziehen, wie es möglich seyn wollte. Ich fingerte auf das behutsamste, und ward endlich der Quaste habhaft, die so warm war als die Hand, mit der ich sie faßte, und nun stürmte ich in die Klingel. Sogleich stürzte der Aufwärter mit zwei Kerzen herein. Ich wollte schmählen – »O sie brennen schon lange,« entschuldigte er sich, »aber wir wagen nie, eher Licht zu bringen, als es die Herren verlangen.«

Alles das Geräusch konnte die schlafende Schöne nicht erwecken. – Es war wahrlich eine scharfe Kritik auf meine Predigt. – Ich trat ihr endlich mit den Lichtern unter die Augen, nahm jedoch mit Vorbedacht in jede Hand eins – aber sie rührte sich nicht. Dagegen konnte ich sie desto aufmerksamer betrachten. Es war zum Malen, wie fest der sanfte Schlaf die braunen Augenwimpern zusammen drückte, ein feines Lächeln um den Mund, Karmin um die Wangen zog, und mit kurzen Athemzügen eine Brust hob, bei der sich niemand verwundern durfte, daß die Quaste so fest lag. Ich überließ mich dem Vergnügen dieser süßen Beschauung ohne Bedenken; denn durch die Chokolate, den Wein und durch meine Predigt, die zusammen das Mädchen einschläferten, hatte ich es ehrlich bezahlt. Genau genommen, ging auch diese – ob sie gleich keine lebendige Seele vernahm als meine eigene, deßhalb nichts weniger als verloren; denn ungerechnet, daß man sich selbst nicht ungern hört, ward es jetzt nur zu sichtbar, wie erbaulich sie auf mich zurück gewirkt hatte. Ich war mit mir zufrieden, hatte, unter dem Schutze des heiligen Geistes, Kirche, wo nicht für andere, doch für mich, gehalten; und ich lasse mir es nicht abstreiten, daß jenes großmüthige Gefühl meiner warmen Hand, das ich mit der seidenen Quaste zurück brachte, mehr Verdienstliches hat, als die paar Groschen, die ein Geizhals in den Klingelbeutel wirst, und sich wunder etwas darauf einbildet.

Ich setzte nun die beiden Lichter, nach dem angenehmen[116] Dienste, den sie mir geleistet hatten, wieder auf den Tisch, und mich mit der heitersten Ruhe an das Fenster. Als ich aber den Mond in dunkeln Wolken über dem Meer hängen sah, und die jetzige Sicherheit der guten Kinder unter meiner Wache mit den Gefahren verglich, denen sie so unbefangen entgegen schliefen, – da, Eduard, ward mir ganz bänglich ums Herz, und es überfiel mich ein Frost, so oft ein Lärm im Hause vermuthen ließ, man würde sie nun wecken und zu ihrer Bestimmung abrufen. Indeß verging noch eine glückliche Stunde für sie, bis zu Mitternacht.

Nun trat endlich der Visitator schnaufend herein, war ganz betroffen, wie er sagte, von der wilden Wirtschaft, die auf einer Tartane herrsche, und schon über und über schwindlich von der ersten Probe, die seine Füße in dem Schiffraume gemacht hätten. Seine bekannte Stimme schreckte die beiden Mädchen sogleich auf, da sie sich hören ließ. Sie traten schlaftrunken neben ihn, und fragten, ob ihre Betten auf dem Schiffe schon gemacht wären? – Ja, ja, antwortete er, es ist alles in Ordnung, bis auf den Schlaf, den ich euch wünsche. – »O,« dehnte sich die eine, »wir schlafen heute ungewiegt.« – »Ungewiegt?« wiederholte er höhnisch: »das wird sich bald ausweisen – aber kommt nur!«

Ich gab der ältesten Schwester den Arm, die jüngere hing sich an ihren verstörten Vetter. Ein paar Fackeln leuchteten uns. Wir gingen, jedes in seine eigenen Gedanken vertieft, einige Gassen durch, bis an den Hafen; denn ob ich gleich dem Mädchen gern einen Auszug aus der Predigt gegönnt hätte, die sie verschlief, so fürchtete ich doch, sie in einem Selbstgespräche zu stören, das, nach den tiefen Seufzern zu schließen, von denen sie sich los machte, ihr noch zuträglicher schien, als die Warnung eines so frischen Bekannten, der nicht einmal in der unschuldigen Geschichte mit der seidenen Trottel auf ihr Bewußtseyn gewirkt hatte.

Eine Barke, mit lustigen Ruderern besetzt, erwartete die Gesellschaft am Ufer. Das neue große Schauspiel, das sich hier mit einemmal ihren Augen entdeckte – das unabsehlich ausgebreitete Meer – das Flimmern seiner Wellen im Mondschein – der Zuruf vieler tausend Stimmen von den schwankenden Schiffen her,[117] die sich mit dem Getöse am Ufer durchkreuzten – alles das nie Gesehene, nie Gehörte, das sie hier umringte, machte einen so heftigen Eindruck auf die armen Stadtmädchen, daß sie mich zitternd ansahen, mir um den Hals fielen und weinten. Ich war bewegt, und da mich die guten Kinder baten, sie bis auf ihr Schiff zu begleiten, hatte ich den Muth nicht, es ihnen abzuschlagen: ich zog mir noch so viel an meinem Schlaf ab, als etwa nöthig seyn möchte, um als Landsmann dem Kapitän sie zu empfehlen, und mir durch eine Lokalkenntniß ihrer schwimmenden Wohnung das Andenken an sie während ihrer Reise noch mehr zu versinnlichen.

Meine Nachgiebigkeit durfte mich nicht gereuen. Ihr Empfang auf dem Schiffe war so festlich, als ob es Prinzessinnen wären, die sich zu einer kleinen Lustreise einschifften. Wir traten, statt in eine beräucherte Kajütte, wie ich fürchtete, in einen artigen Salon, der, mit bunten Lampen behängt, eine runde Tafel beleuchtete, die mit den ausgesuchtesten Erfrischungen besetzt war, und fanden einen alten freundlichen Mann an dem Kapitän, der uns bewillkommte. Er blickte den Mädchen mit beifälligem Lächeln in die Augen, indem er mich zugleich fragte, wer ich wäre? Ich legte ihm in der Geschwindigkeit Rechenschaft von unserer kurzen Bekanntschaft ab, und empfahl sie ihm als Landsmann. – »Seyn Sie unbesorgt für die guten Kinder,« antwortete er: »ich bin der älteste Freund ihrer Tante, den sie jetzt auf der Insel hat. Vor dreißig Jahren schiffte ich sie ein, wie heute ihre Nichten; und diese sollen gewiß nicht übler fahren als sie, das habe ich der guten Frau versprochen. Ich habe wohl Zeit gehabt, – Sie lesen es zur Genüge auf meiner Stirn – mein Handwerk zu lernen. Die Tartane ist mein eigen. – Es ist kein Bettelschiff, wie da viele in dem Hafen auf der Ausbesserung liegen. – Den Tag bringen wir lustig in diesem Raume zu, und des Nachts ... Kommen Sie, lieben Kinder, ich will Ihnen zeigen, wo Sie schlafen sollen.«

Er führte nun die beiden Schwestern in einen niedlichen Verschlag, der rechter Hand an den Saal anstieß, worin zwei freundliche Bettchen, und dazwischen an der Mittelwand ein Spiegel, der[118] größte vielleicht, den sie noch gesehen hatten, befestigt war. Dieses vollendete ihre Ueberraschung. – »Nein! das ist allerliebst!« drehten sie sich nach dem Spiegel zu, und setzten ihre Hütchen zurechte. »Hier, sehen wir schon, wird es uns wohl gehen.« – »Ja! das soll es auch, so Gott will; mein ganzes Schiff steht unter Ihren Befehlen,« antwortete der alte Seemann mit einer Artigkeit, die mich nicht wenig verwunderte. »Auch habe ich weiter keine Passagiere,« fuhr er fort, »an Bord genommen, um Ihnen den Raum nicht zu verengen;« und nun nöthigte er uns zusammen an den Tisch. Eine Schale Punsch, die wir unter fröhlichen Gesprächen ausleerten, befeuerte uns noch mehr für den guten Mann, der besonders für die beiden Schwestern die zärtlichste und sogar medicinische Sorgfalt zeigte: denn als sie nach schönen Orangen von Malta langten, die eben vor ihnen standen, erklärte er, daß dieses für sie die einzige verbotene Frucht auf seinem Tische sei; die er ihnen jedoch, setzte er freundlich hinzu, aufheben wollte, bis ihnen die Abkühlung nöthiger sei als jetzt.

Dieses zuvorkommende Betragen des alten Mannes gegen die Mädchen mußte mir doch wohl auffallen, Eduard? Sollte denn, dachte ich, ihre Schönheit den Greis so sehr bestochen haben, daß er in ihnen die Nichten eines Visitators übersieht, und sie behandelt, als ob sie aus dem Schaume des Meers gestiegen wären, und St. Domingo beherrschen sollten? Oder hat ihm die Tante ein so reiches Fährlohn ausgesetzt, wenn er sie gesund überliefert? Nun ich gönne den armen Waisen alles mögliche Glück, mag es doch herkommen woher es will.

Du kannst denken, in welch einem vergnügten Erstaunen sich erst die beiden Schwestern befanden. Sie schlürften ein Gläschen Punsch nach dem andern ein, und lächelten einander an. Ueber den vielen Artigkeiten, die ihnen gesagt wurden, hatten sie – das liegt nun einmal in ihrem Geschlechte – alle Furcht verloren. Dann und wann, wenn sich das Schiff bewegte, schien es ihnen zwar einzufallen, daß zu viele Herzhaftigkeit ein junges Mädchen nicht kleide – dann thaten sie wohl einen angenehmen Schrei, und baten nachher in vollem Lachen den Kapitän um Verzeihung.[119] Du kennst ja, lieber Eduard, die Ziererei der Weiber. Sie verläßt sie nicht, so wenig auf der See wie auf dem Lande, auf dem Schiffe wie auf dem Sopha – sie mögen eine Spinne oder einen Wallfisch, einen Zwerg sehen oder einen Riesen. Der Kapitän war Weltmann genug, um zu thun, als ob er an ihr Schrecken glaube. – »Mein Gott!« sagte er, »bei einer ersten Seereise sind solche kleine Erschütterungen wohl zu vergeben, zumal jungen Damen. – Machten es doch meine beiden Buben nicht besser, als ich vor zehn Wochen mit ihnen auslief. Sie waren auch noch auf kein Schiff gekommen; denn bis dahin steckten sie in der Schule. Jetzt sind sie der Wirtschaft schon gewohnt, und werden Ihnen jede Ihrer Herzensbewegungen auf das genaueste vorhersagen können, da sie seit kurzem erst selbst die Erfahrung gemacht haben. – Klammern Sie Sich nur getrost an diese Helden, wenn Sie die Furcht überfällt. – Holla! wo sind sie denn?«

Jetzt traten ein paar starke, blühende Jünglinge herein, die in kurzen Verbeugungen sich der Gesellschaft näherten, und die beiden Mädchen mit ihren feurigen Blicken zu verschlingen drohten. Diese konnten mit ihren Gegenreverenzen nicht aufhören, bis der Kapitän seinen Söhnen lächelnd befahl, sich zwischen die jungen Damen zu setzen.

Auf einmal war mir nun das Räthsel ihrer festlichen Aufnahme gelöst, und der alte Schiffer zeigte sich mir in einem nur desto bessern Lichte; denn ungezwungener, klüger und väterlicher, dachte ich, kann man doch kaum einen geheimen Liebesplan anlegen, als ich mir an den Fingern abzählte, daß hier der Vater für seine Söhne, mit oder ohne Vorwissen der Tante, gethan hat. Ich möchte das Mädchen sehen, das, in einer solchen Lage, solchen Werbern entlaufen könnte! Denke nur selbst nach, Eduard! Abgeschnitten von der ganzen Welt sammt ihren Zerstreuungen – eingeschränkt auf einen einzigen Gegenstand der Begierde – so nahe dem Tode in dem Schweben des schönsten Lebensgenusses – jedes Gefäß des Herzens durch die stärkende Seeluft erweitert – jeder durchströmende Blutstropfen tausendfach erwärmt, die ganze Maschine in beständigem Schaukeln, und immer die größte[120] Oper der Welt, den Auf- und Untergang der Sonne, vor Augen – in welche Stimmung von Wohlbehagen, Sehnsucht und Zärtlichkeit muß das nicht eine weibliche Seele versetzen, und in welchem magischen Lichte muß ihr nicht der Jüngling erscheinen, der über ihrem Haupte, nur für ihre Sicherheit und Ruhe besorgt, Wache hält, ihr muthvoll und lächelnd den heran nahenden Sturm ankündiget, sie, wenn er einbricht, in die Arme schließt, und an das Herz drückt, und, wenn sich der Aufruhr gelegt hat, mit glänzenden Augen ihre zitternde Hand küßt! Welche süßen Vorgefühle müssen sich nicht bei solchen von der Natur selbst herbeigeführten Auftritten in der Brust eines Mädchens entwickeln, – und wie armselig kommen mir dagegen die Situationen vor, die sich in jedem Romane wiederholen, den wir unter uns spielen sehen! Denke Dir den seligen Augenblick, wo ein junges Paar, nach solchen Prüfungen und Vorbereitungen, endlich an das Land – und endlich dahin steigt, wo es die Liebe erwartet. Hätte ich Töchter zu verheirathen, wahrlich ich würde sie einige Monate mit ihren Liebhabern, und unter der Leitung eines solchen Menschenkenners von Kapitän, auf ein Schiff setzen und den Wellen überlassen, wäre es auch nur, um ihnen den schleppenden Gang zu ersparen, den in unserm Zirkel, ein Mädchen wie das andere, aus der Kinderstube gähnend in das Gesellschaftszimmer und gähnend in das Brautbette nimmt.

Da die jungen Herren nur gebrochenes Deutsch, die beiden Mädchen kein besseres Französisch sprachen, so suchten sie, unter vielem Gelächter, Hülfe in der Geberdensprache, die zu ihrer Unterhaltung mehr als hinreichend war. Der alte Seemann beobachtete die jungen Passagiere mit innigem Vergnügen, und ich sah aus allen Anstalten, daß es ihm mit der zeitigern Abfahrt wohl kein sonderlicher Ernst mochte gewesen seyn; denn eine muntere Stunde vertrieb die andere, und es fing schon der Tag an zu grauen, ehe der gute Vater sich entschließen konnte, die frohen Seelen zu trennen. Jetzt aber befahl er seinen Söhnen, auf ihre Posten zu gehen, und auf das Signal Achtung zu geben; den beiden Mädchen aber mit hochrothen Wangen und flimmernden Augen legte er nun[121] selbst die Orangen vor, und gab jeder noch eine mit in die Kammer. – »Ich werde,« sagte er, »die Segel nicht eher ausspannen lassen, als bis Sie fest schlafen, und ich hoffe schon funfzig Meilen von Marseille zu seyn, ehe Sie aufwachen.«

Es war kein Wunder, daß den guten Kindern alles, was ihnen heute begegnete, wie ein Feenmährchen vorkam. Sie freuten sich, als sie von mir Abschied nahmen, daß ich Zeuge davon gewesen sei, und schrieben mir die Namen einiger ihrer Freundinnen auf, denen ich es erzählen sollte, wenn ich nach Berlin käme. Ich versprach es, und gedenke es auch zu halten, sollte mir es auch noch so viele Mühe kosten, sie in den kleinen Gassen aufzusuchen wo sie wohnen mögen.

Der Visitator schien es auch genug zu haben, da die Punschschale ausgeleert vor uns stand, und stolperte seiner Kammer zu, die ihm der Kapitän an dem andern Ende des Zimmers, seinen Nichten gegenüber, anwies. Ich umarmte ihn und den braven Seemann mit unbeschreiblicher Herzlichkeit, stieg nun auch in meine Barke, und beruhigte bald die Matrosen, die mich über die Länge meines Außenbleibens etwas mürrisch empfingen, mit dem Versprechen eines dreifachen Fährgeldes, wenn sie mich glücklich an das Ufer brächten.

Mit dem Schlafe für diese Nacht war es nun vorbei, – und ich entschloß mich, in einer der Kaffeebuden, deren eine Menge um den Hafen stehen, die Abfahrt des Schiffs zu erwarten. Während ich nun, das Gesicht dahin gerichtet, neben einem Teller mit Orangen saß, die ich, dem Recepte des Kapitäns gemäß, zur Abkühlung meines Bluts nach und nach aussaugte – den ewigen Streit des ungetreuen Elements, das vor mir lag, mit den Kräften der Menschen, die ihm entgegen arbeiten, und den Vortheil der Schiffahrt mit ihrem Nachtheil für unsere Sitten, unsere Ruhe und Gesundheit verglich, machte mir mein Gedächtniß die Freude, mich an die schöne Ode zu erinnern, die Horaz an das Schiff richtete, das seinen Freund Virgil nach Athen brachte.2 Das erhabene[122] Vorbild reizte meine Phantasie, ihm von weitem nachzufliegen; und wenn ich auch meinen Landsmann mit seinen Nichten eben nicht animae dimidium meae nennen möchte, so sah sich doch meine Muse gern noch einmal in den Augenblicken nach ihnen um, wo sie mir der Wind – wahrscheinlich auf ewig – entführen sollte.

Ich war eben mit meinem Abschiedsliede fertig, als ich, von der Glasthüre aus, die Segel aufziehen sah. – Jetzt schlafen nun die lieben Mädchen, dachte ich. Der Himmel beschütze sie! Und mit klopfendem Herzen trat ich aus meiner Bude an den Strand, und sang – obschon mit etwas heiserer Stimme – meine Wünsche dem Schiffe nach, das ganz aufgeblasen den Hafen verließ und in den Strahlen der Morgenröthe dahin flog:


Hängt eure Lampen aus, ihr Brüder

Helenens! Cypris, strahle nieder,

Sanft, wie es deinem Stern gebührt!

Und laß auch du, der Winde Vater,

Das Schiff von Stürmen unberührt,

Das unsern Visitater

Und seine Nichten führt!


Ihr Glücksstern bringe durch die Schatten

Der Nächte sie den Hangematten

Der Rudrer unberaubt vorbei –

Und Fama mache mich des Kummers

Um ihre Jugendblüthe frei,

Daß sie ja keines Hummers

Und Meerwolfs Beute sei!


Dem war die Brust mit Stahl umzogen,

Der die Bekämpfung wilder Wogen

Zuerst zu seinem Spiel erkohr:

Doch auf den Stufen der Gefahren

Steht ihm die jüngste Schöne vor,

Die nichts von ihren Waaren

Auf dem Verdeck verlor.


Vergebens schied mit weisem Plane

Zeus und Neptun vom Oceane

Das Menschen angewiesne Land:

Verwegen stoßen sie vom Stapel,

Und holen von dem fernsten Strand

Peteschen, Mal de Naples

Und andern Konterband.
[123]

Ein neuer Dädal, Blanchart, eilet

Vom Piripi hinweg, und theilet,

Den Adlern gleich, der Lüfte Bahn;

Ein Franklin zündet an dem Blitze

Des Himmels seinen Wachsstock an:

Auf jedem Musensitze

Erhebt sich ein Titan.


Der Mensch, zu mäßigem Genusse

Geboren, nähm dem Ueberflusse

Sein Füllhorn gern auf einmal ab:

Von schwer erstiegnen Schaugerüsten

Stürzt schwindelnd ihn sein Stolz herab,

Und ein Gefolg von Lüsten

Begleitet ihn ins Grab.


Meine thierischen Kräfte waren so erschöpft, wie meine poetischen. Ich fühlte die Schlummerkörner, die ich heute so reichlich ausgesät hatte, wurzeln und keimen, und war froh, als ich den heiligen Geist erreichte, wo ich sie bald in meinem Bette zur Reife brachte.

So endigte sich der erste halbe Tag meines Aufenthalts in Marseille, den ich aus Drang von Selbstzufriedenheit, dergleichen ich lange nicht empfand, Dir, lieber Eduard, als eine augenscheinliche Probe meiner angehenden Besserung, hoffentlich so überzeugend dargestellt habe, als Du nur verlangen kannst. Was wolltest Du mit Grund dagegen einwenden? –


Der heitern Mittagsstunde schlossen

Sich ja die frömmsten Horen an,

Die mich von Psyche's Spielgenossen,

Statt mit vergifteten Geschossen,

Mit Blumen nur verwunden sahn.


Fußnoten

1 La Mecque étoit auparavant occupée par Abu-Gabshan, qui eut la simplicité de s'en défaire pour une bouteille de vin, dans un malheureux moment où il se trouva d'humeur à boire. Il voulut ensuite se relever d'un marché si préjudiciable et fut appuyé par les gens de sa tribu, mais et lui et eux furent chassés de la Mecque par Cosa, ayeul de Mahomet. vid. Prideaux Vie de Mahomet. p. 3.


2 Ode 3. lib. I. Sic te diva potens Cypri –


Quelle:
Moritz August von Thümmel: Werke, 4 Bände, Band 3, Stuttgart 1880, S. 124.
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