Zehnte Szene

[266] Beringer und Suschen von links. Die Vorigen.


BÜRGERMEISTER. Grüß Gott, Adolf! Ich hab' dich noch gar nicht gesehen.

BERINGER. Grüß Gott! Nun, wie ist es gegangen?

BÜRGERMEISTER. Ich habe nichts ausgerichtet.

BERINGER. Das war vorauszusehen.

BÜRGERMEISTER. Reden wir nicht mehr davon! Wir wollen heute recht vergnügt sein.


Das Dienstmädchen bringt Bier, und stellt es auf den Tisch links.


BÜRGERMEISTER. So. Platz nehmen. Alle setzen sich.

BERINGER. War der Minister gut gelaunt?

BÜRGERMEISTER verlegen. O ja! Gott!

SCHWEIGEL. Am Anfang vielleicht scho!

BERINGER. Wieso, am Anfang?


Schweigel lacht. Der Bürgermeister schneuzt sich verlegen.


BÜRGERMEISTER. Er war wie immer. Du weißt ja. Aber lassen wir das gut sein. Prosit! Gegenseitiges Zutrinken.

SCHWEIGEL. Herr Bürgermoasta, Sie san a Volksheld!

BERINGER. Lauter Anspielungen. Warum erzählst du nichts?[266]

BÜRGERMEISTER. Es ist nichts zu erzählen, Adolf. Ich habe meine Pflicht getan, weiter nichts.

SCHWEIGEL. Sie san zu bescheiden, Herr Bürgermoasta!

BÜRERMEISTER. Absolut nicht. Suschen, willst du nicht Klavier spielen?

SUSCHEN. Gerne. Was willst du hören?

BÜRGERMEISTER. Irgendwas. Das ist mir gleich.

SCHWEIGEL. Nur nix klassisch'. Dös is so fad!

SUSCHEN. Ich hole was Lustiges, Herr Schweigel. Ab nach links.

SCHWEIGEL. I muaß sag'n, Frau Bürgermoasta, Eahne Fräul'n Tochta g'fallt mir allaweil besser. So was Liabs!

FRAU BÜRGERMEISTER. Sie macht uns viel Freude.

BÜRGERMEISTER. Jawohl.

SCHWEIGEL. Und jetzt kriagt s' bald an braven Mo. Eahna Wohl, Herr Amtsrichter!

BERINGER steif. Sehr angenehm.

FRAU BÜRGERMEISTER. Wie geht es Ihrer Tochter im jungen Ehestand, Herr Schweigel?

SCHWEIGEL. I dank der Nachfrag. Guat! No, schlecht kann's ihr aa net geh.

FRAU BÜRGERMEISTER. Ihr Schwiegersohn hat ein großes Anwesen?

SCHWEIGEL. Ja. Und sie hat ja aa was Schön's mitkriagt. De Leuteln tean sie ganz leicht.

FRAU BÜRGERMEISTER. Ihre Frau sagte mir neulich, es sei schon was Kleines auf dem Wege?

SCHWEIGEL. Freili! Jetzt wer'n ma bald Großvata. No, bei Eahna schlagt's aa no ei, Herr Bürgermoasta.

BÜRGERMEISTER. Stoßen wir darauf an!


Alle stoßen an. Beringer zurückhaltend. Suschen von links mit Notenblättern unter dem Arme.


SCHWEIGEL. Haha! Fräul'n Suschen, wenn S' wisseten, auf was mir jetzt trunken hamm!

SUSCHEN. Darf man das nicht hören?

BÜRGERMEISTER. Das muß dir Adolf erzählen.

SCHWEIGEL. Recht hoamli.


Lachen. Man hört in der Ferne Musik einen Marsch spielen.


MAJOR zu Schweigel. Prost!

SCHWEIGEL. Prost, Herr Major! I woaß net, i bin heut so[267] lusti, trotz mei'n Garten. I glaab, dös kummt daher, weil i mi heut so über'n Herrn Bürgermoasta g'freut hab'.

BERINGER. Eine solche Geheimniskrämerei! Was ist denn passiert?

SCHWEIGEL. Dös will i Eahna scho sag'n, Herr Amtsrichter. Sehg'n S', Sie san was, Sie san a Beamter. Aba Sie derfen stolz sei, daß Sie an solchen Schwiegervater kriag'n.


Die Musik intoniert bedeutend näher wieder einen Marsch.


MAJOR. Was ist das für eine Musik?

FRAU BÜRGERMEISTER. Ich habe schon vorhin was gehört.


Das Zimmermädchen stürzt atemlos durch die Gartentüre herein.


MARIE. Herr Bürgermeister! Herr Bürgermeister! Die Liedertafel kommt!

BÜRGERMEISTER. Wo? Zu wem?

MARIE. Zu uns. Sie wollen ein Ständchen bringen.

SUSCHEN. Dem Papa?

FRAU BÜRGERMEISTER. Fritz!

BÜRGERMEISTER. Nur geschwind meinen Gehrock! Marie!


Suschen und Marie eilig nach links ab. Gleich darauf kommen sie wieder mit dem Gehrock herein. Die Musik ist nun im Garten angelangt. Brausender Marsch. Lampionträger marschieren auf und bilden einen Kreis um die Liedertafelsänger. Währenddessen ist die Unterhaltung im Verandazimmer weiter gegangen.


BERINGER. Ich begreife das alles nicht.

SCHWEIGEL. Seh'gn S', Herr Amtsrichter. So ehrt die Stadt Eahnan Schwiegervater!

BÜRGERMEISTER. Schnell! Schnell! Meinen Rock! Suschen und Marie helfen ihm hinein.

FRAU BÜRGERMEISTER. Ach Gott, Fritz? Wenn ich mich nur recht freuen könnte!


Gruppe im Zimmer. Die Frau Bürgermeister lehnt sich an ihren Mann. Suschen legt die Hand auf die Schulter ihres Verlobten. Alle stehen. Die Musik schweigt plötzlich, und ein Quartett singt die erste Strophe des Liedes.


Wer hat dich, du schöner Wald,

Aufgebaut so hoch da droben?


Nach Beendigung der Strophe tritt Stelzer unter die Gartentüre und spricht halb gegen die Zuschauer, halb gegen den Garten zugewendet.


STELZER. Unser mutiger Vorkämpfer, der allverehrte Herr[268] Bürgermeister soll leben hoch! Hoch! Hoch!


Die Leute im Garten stimmen brausend in den Hochruf ein. Die Musik spielt einen Tusch.

Kiermayer, Stelzer, Heitzinger betreten das Zimmer. Der Bürgermeister geht auf sie zu.


BÜRGERMEISTER. Aber, meine Herren! Diese Ehre! Schüttelt jedem die Hand, dann tritt er unter die Gartentüre und spricht halb zu den Zuschauern gewendet.

BÜRGERMEISTER. Mitbürger! Dornsteiner! Sie haben mir eine Ehrung bereitet, die mich auf das Tiefste ergreift. Ich spreche Ihnen meinen Dank aus. Meinen innigsten Dank. Ich kann nicht mehr sagen, als daß ich allezeit für mein liebes Dornstein meine schwachen Kräfte einsetzen will, jetzt und allezeit. In guten und bösen Tagen. Mit Gut und Blut! Und in diesem Sinne stimmen Sie mit mir ein: unser Dornstein, hoch! Hoch! Hoch!


Die Leute im Garten, sowie Kiermayer, Heitzinger, Schweigel, Stelzer rufen mit. Die Musik spielt wieder einen Tusch. Die Liedertafel intoniert sofort den Sängerspruch.


Schneidige Wehr,

Blanke Ehr,

Lied zum Geleit,

Gib Gott allezeit!


Während des Singens fällt der Vorhang.
[269]

Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 2, München 1968, S. 266-270.
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