Neunte Szene

[42] LENI ihrem Vater nachsehend. Was hat a denn? Lenz gibt keine Antwort. Er nimmt sich Kraut und Knödel aus der Schüssel und fängt zu essen an.[42]

LENI. Woaßt du, warum er so zorni is?

LENZ mit vollem Munde. I net.

LENI. Der Bürgermoasta is voring da g'wes'n, und da müassen s' was g'habt hamm mitanand.

LENZ antwortet nicht, sondern ißt weiter.

LENI. I bi ganz daschrock'n ... a so is zuaganga ... Sie nimmt sich heraus und ißt; Pause. Wia schmeck'n dir nacha de Knödl?

LENZ. Wia s' halt schmeck'n.

LENI. De hab fei i kocht.

LENZ gleichgültig. So? Pause.

LENI. Du, Lenz, was hab' da denn i to?

LENZ. Nix.

LENI. Daß d' nacha so häßli bist auf mi?

LENZ gleichgültig. I?

LENI. Ja ... red'st nia mit mir, und wann i di was frag', gibst d' ma gar it o!

LENZ mit vollem Mund. I hab koa Zeit zun Red'n.

LENI. Net amal an Gruaß gibst d' ma z'ruck.

LENZ. Da is mir nix bekannt.

LENI. Erst gestern bist d' hintern Stadel ganga, und i hab dir nachg'schrian ... ob's d' net was zun Vespern mitnehma magst ... und du host gar it umg'schaugt.

LENZ. I muaß auf mei Arbet schaug'n.

LENI schmollend. So viel Zeit hätt'st d' scho g'habt ... aba sie wern die halt aufg'red't hamm geg'n mi?

LENZ grob. Mi red't neamd auf.

LENI. Ja ... i woaß scho. I hab di scho g'sehg'n am Sunntag.

LENZ. Siehgst mi jetzt aa!

LENI. I hab di scho g'sehg'n, wia's d' nach da Kircha bei da Glonner Marie hibei g'stand'n bist.

LENZ. Ko leicht sei.

LENI. Wia si de draht hot, als wenn s' woaß Gott was für oane waar!

LENZ brummt. M – hm.

LENI. G'rad gnädi hat's des Weibsbild g'habt, und gar net g'wißt hat s', wia s' geh muaß vo lauta Ei'bildung.

LENZ gibt keine Antwort und ißt.

LENI. Und nacha, wia'r i bei da Tür außi bin, habt's herg'schaugt und habt's g'lacht.[43]

LENZ. So?

LENI. Jawohl! I hab's deutli gnua g'sehg'n.

LENZ. Werd ins halt was g'freut hamm.

LENI. De moant vielleicht, sie derf mi auszahna.

LENZ. Du werst ihr 's Lacha net verbiat'n könna.

LENI. De braucht si gar it so aufführ'n, über mi ... De soll si no selber bei da Nas'n nehma! Kleine Pause. D' Mangin sagt's aa, daß de gar koan Ursach net hat. Lenz nimmt sich wieder aus der Schüssel heraus.

LENI. Von dera werd gar nix Guat's g'red't.

LENZ. Von mir aus.

LENI. Ja ... is dös vielleicht net wahr, daß zu da Glonner Marie a jeder an's Kammerfensta hat kemma derf'n?

LENZ höhnisch. Dös nimmst ihr du für üb'l?

LENI. I sag g'rad, daß si de net so aufführ'n braucht über mi. Pause. Vielleicht bist du aa scho bei ihr g'wen?

LENZ trocken. Na.

LENI neckisch. Du sagst as halt net?

LENZ kauend. Sag'n tat i 's aa net.

LENI. Da brauchetst dir fei nix ei'bild'n auf de! Mit ihre Summermirln!

LENZ. I bild ma scho nix ei.

LENI. Und mit ihre fuchsrot'n Haar! Da gibt's scho anderne.

LENZ grob. Herrgott! Laß mi amal mit Ruah ess'n! Was paß denn i auf d' Weibsbilder auf?

LENI neckisch. Paßt du gar it auf?

LENZ. Waar ma z'dumm!


Leni steht auf und rückt in die Bank hinein neben Lenz.


LENI kokett. Dös glaab i dir fei net, daß du dir gar nix bekümmerst um d' Madeln.

LENZ. Na glaabst d'as halt net!

LENI. Du bist a recht a Hoamlicher ... gel? Du g'stellst di g'rad aso, als wann's dir nix o'gab.

LENZ. M – hm ... ja ...

LENI stößt ihn mit dem Ellenbogen an. Wia muaß denn oani ausschaug'n, de wo dir g'fallt?

LENZ grob. Jetz sag i dir's no'mal, daß i zun Ess'n herin bi und net zun Dischkrier'n.

LENI dumm verschämt. Du bist aber oana! Pause.[44]

LENI zutulich. Du, Lenz, host dir's net anderst übalegt?

LENZ. Was?

LENI. No ... mit'n Furtgeh?


Sie lacht Lenz an, der nicht darauf achtet; Leni rückt näher zu ihm.


LENI. Wer woaß, wia's amal geht, wenn's d' dableibst!

LENZ. I bleib net.

LENI. Du werst halt glaab'n, daß da Vata verkafft! Lenz antwortet nicht. Er verkafft aba net, sinst hätt a mir scho was g'sagt ... Pause. Leni wartet auf Antwort und fährt erst fort, da Lenz unbekümmert weiter ißt. Und weil er si mit'n Bürgermoasta so z'kriagt hat, woaß i's g'wiß.

LENZ. Was geht denn dös mi o?

LENI. I hab ma denkt, du gehst desweg'n ... Stockend. Und wann's d' as inne werst, daß da Vata 's Anwes'n b'halt, hab i ma denkt, nacha bleibst d'.

LENZ höhnisch. Moanst du?

LENI. No ja ... weil's nacha do anderst is ...

LENZ. Da bischt weit irr.


Leni scheint die Zurückweisung etwas zu verstehen, zieht ihren Teller von ihrem früheren Platz zu sich herüber und ißt ein wenig.


LENI. Host d' no gar nia Obacht geb'n, daß da Lechner Martl jed'smal nach'n Feierabend beim Zaun hibei steht?

LENZ. Na.

LENI. Und er schaugt allaweil nach mir umma.

LENZ. Schaugst d' halt wieda hi.

LENI. I mag net ... aba wahr is. Dumm kokett. I glaab, der möcht was.

LENZ. I vergunn's eahm.

LENI. Geh! Wia du daher red'st ... Hätt'st d' mi halt in da Stadt drinna sehg'n soll'n ... in mein blau'n Kleidl mit rote Schnür ... da bin i fei schö g'wen!

LENZ. So?

LENI. Anderst scho als wia d' Glonner Marie mit ihr'n g'scheert'n Kopftüachl ... und an woll'na Unterkittl.

LENZ brummt etwas Unverständliches, indes er mit vollen Backen kaut.

LENI. Und Hemmata han i g'habt ... net so grob, als wia de ... Zupft an ihrem Ärmel. ganz feine ... Vielleicht hätt i dir guat g'falln ...

LENZ sehr grob. G'wiß net![45]

LENI immer noch zutulich. Hätt'st mi no g'seg'n!

LENZ mit der Hand abwehrend. I dank schö dafür!

LENI halb beleidigt. N ... no!

LENZ. Solchene hab' i ma gnua g'seg'n, wia'r i Soldat war.

LENI. Was für solchene?

LENZ legt seine Gabel weg. Wia du oane warst! Aba i hab mi nia abgeb'n damit. Da bin i ma z' guat g'wen für solchene!

LENI weinerlich. Sei do net gar so abscheuli zu mir! Was hab i dir denn to?

LENZ. I sag da's g'rad, daß di amal auskennst!

LENI. Von erst'n Tag o bin i freundli g'wen zu dir und ho dir nia koan unrecht's Wort geb'n.

LENZ. M – ja!

LENI. Und is dös vielleicht net wahr, daß i dir dei Sach' g'flickt hab?

LENZ. Hab i dir's o'g'schafft?

LENI. Vergelt's Gott hätt'st d' aa sag'n derf'n, und so grob brauchet'st d' net sei mit mir!

LENZ erregter. Weil i mei Ruah hamm möcht! Leni schnupft ein paarmal auf und macht ein weinerliches Gesicht.

LENZ. Moanst d', i merk's net scho lang, daß du mir schö tuast? Aba du spannst as net, daß mir dös z'wider is!

LENI sehr weinerlich. Dös is dir z'wider?

LENZ. Ja. I muaß da's scho pfei'grad sag'n, weil's d'as sunst net kennst! Glaabst denn du, i mag mit dir ins G'red kemma?

LENI weinend. Hör amal auf!

LENZ. Waar mir scho z' dumm, daß de Bursch'n hinter mir drei'lach'n, g'rad als wann i was hätt mit dir!

LENI mit erstickter Stimme. N ... no!

LENZ. Du muaßt da scho an andern raussuacha! Koan richtig'n Mensch'n net! Da behaupt i mein Charakta ...

LENI wischt sich mit dem Handrücken über die Augen.

LENZ. Und daß d'as woaßt, desweg'n geh'n i ... weil ma dös z' dumm werd. Bloß weg'n deiner mag i nimmer bleibn!

LENI zornig, unter Tränen. Geh halt zua! I brauch di net ... i ho scho anderne g'fall'n ... i wer scho oan find'n.

LENZ. Find no zua! Er leert mit dem Löffel den Teller aus, schleckt ihn ab und legt ihn auf den Tisch. Aba mir werst d' jetzt mei Ruah lass'n.[46]

LENI. I brauch di net.

LENZ. Is scho recht ... Er steht auf und fängt wieder eintönig zu beten an. Himmlischer Vater, wir danken dir, daß du uns Unwürdige gespeiset hast und deiner Gnaden teilhaftig machest und nimmer aufhörest, deine Wohltaten gütig mitzuteilen. Amen! Er geht nach der Türe und nimmt seine Mütze vom Nagel herunter.

LENI sich hastig die Tränen abwischend. Geh no weita! Mi hamm scho Besserne mög'n als wia du! An dir liegt ma gar nix dro!

LENZ geht ohne Antwort hinaus.

LENI ihm nachschreiend. An dir liegt ma gar nix dro! Sie sieht nach der Türe, legt sich in den Tisch hinein und fängt laut zu weinen an.


Vorhang.
[47]

Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 2, München 1968, S. 42-48.
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