Elfte Szene


[64] Scheck schiebt Lechner Martin vor.


SCHECK. Da! Jetzt geh no füri und red! Vor den Fenstern sammeln sich viele Leute an, hauptsächlich Burschen; aber auch Weiber und Bauerndirnen. Der Lärm ist allmählich verstummt. Thomas ist ein paar Schritte zurückgetreten und sieht den[64] Burschen finster an. Martin redet zuerst stockend, später wird er dreister.

BÜRGERMEISTER zu Lechner. Host d' g'hört, du sagst jetzt dei Sach, als wia bei ins!

LECHNER. Warum net? I sag's, wia's war, und brauch ma nix z' fercht'n.

BÜRGERMEISTER. Dös brauchst aa net!

LECHNER. Überhaupts hätt' i nix g'sagt, wenn net des ander g'wen waar ... aba dös geht na do it, daß ma'r a Geld verlangt!

THOMAS scharf. Wer hot a Geld verlangt?

LECHNER frech. Dei Leni! Daß d'as woaßt!

BÜRGERMEISTER. Laß di auf nix ei und verzähl!

LECHNER. Da is net viel zum verzähl'n. I ho mit ihr o'bandeln woll'n ... no ja ... wia's halt is ... net ... und de erst Zeit hot s' mir net o'geb'n ... aba ... am Donnerstag ... no ja ... da bin i zu ihr in d' Kamma ... net ...

SCHECK. Und nacha?

LECHNER. Und ... no ja ... nacha hat sie zu mir g'sagt ... i soll ihr a paar Markl geb'n ... indem ... daß sie koa Geld gar it hot ...


Alle schweigen. Thomas streicht sich mit der Hand die Haare in die Stirne und wiederholt die Bewegung immer wieder wie geistesabwesend.


LECHNER wieder verlegener. I hätt's liaba net verrat'n ... aba de Bursch'n sag'n allsammete, daß i recht g'habt ho ... weil dös amal ausg'schamt is.

BÜRGERMEISTER ruhig zu Thomas. Glaabst du, daß der lüagt?

LECHNER. Des werd sie net laugna kinna ... und überhaupts kon i schwör'n auf dös!


Von außen wird wieder dumpfer Lärm vernehmbar. Thomas, der auf den Bürgermeister nicht hört, faßt Plank am Arm.


THOMAS heiser. Hans!

PLANK gut zuredend. Schau, jetzt muaßt d' wohl toa, was recht is.

THOMAS ruhig, mehr für sich hin. Was recht is ... gel?

PLANK. Ko'st ja dem Weibsbild net helfen.

THOMAS wie oben. Und derf net halt'n, was i der alt'n Mariann versproch'n hab ... muaß zuaschaug'n, wia ma s' nausjagt ...

PLANK. Was is aso?

THOMAS. Nausjagt auf d' Straß'n, daß s' schlechta z'grund geht wia des ärmst Viech.[65]

PLANK. Geh, Thomas! So is 's koa Leb'n für di!

THOMAS wischt sich mit dem Ärmel über die Stirne. Is wohl koans mehr. Der Lärm auf der Straße, der in dumpfes Murmeln übergegangen ist, schwillt stärker an und geht plötzlich in wildes Johlen und Pfeifen und Schreien über. Man sieht die Leute sich lebhaft nach der linken Seite der Bühne wenden und mit den Armen gestikulieren.

BÜRGERMEISTER ist an das Fenster geeilt und reißt es auf, schreit. Was is dös? Schamt's enk net?

VIELE STIMMEN. D' Leni! D' Leni! Da is s'!

BÜRGERMEISTER beugt sich weiter hinaus; sehr laut. Ös da!

DIE STIMMEN. Da is s'! D' Leni!

BÜRGERMEISTER überschreit den Lärm. Sepp! Sepp! Du führst dös Weibsbild rei! Und ös laßt's as in Ruah! Habt's g'hört? Der Lärm legt sich. Der Bürgermeister tritt vom Fenster zurück.

BÜRGERMEISTER. De soll's jetzt laugna, wenn s' ko.

SCHECK. Is sie drauß'd g'wen?

BÜRGERMEISTER. De werd glei do sei ...


Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 2, München 1968, S. 64-66.
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