Sechstes Hauptstück

[31] Paßt's auf, und jetzt lass' ma 'r ins Zeit,

Mir müass'ma beim Simmei zuakehr'n

Und schaug'n, was 's im Stall eppa geit,

Und ob ma net gar eppas hör'n.


Es laßt si vo drinna nix g'wahr'n,

Vielleicht no, gab oana recht acht,

Er hörat an Ochs a weng scharr'n,

Wia 's Viech an da Kett'n oft macht.
[31]

De Leut is de Ruah wohl vagunnt,

Dös nimmt oan' na dennascht scho her,

A Marsch von a 'n acht a neun Stund,

Und g'spürt ma's beim Schnee no vui mehr.


Is guat für a jed's, bal ma schlaft,

Und is ja a Glück, bal ma's ko,

Ma kimmt do a weng zu da Kraft,

Und 's packt oan net gar a so o.


An Simmei hot's oiwei aufg'weckt.

Er draht si im Bett umadum,

Und bal er si wieda zuadeckt,

Er schlaft net und woaß net warum.


Er denkt eahm, was kunnt denn dös sei'?

Und was eahm denn heut so schiniert?

Er b'sinnt si und fallt eahm nix ei',

Und hot wieda 's Schlafa probiert.


Und wia's eahm net g'lingt, geht a raus.

Es treibt eahm vo selba a d' Höh,

Da siecht er den Glanz vor sein' Haus,

An Mond und de Stern überm Schnee.


Was is denn jetzt dös für a Ding,

Dös wo oan so b'sunderli macht?

Es werd oan so leicht und so g'ring

Und laßt oan koa Ruah bei da Nacht.


Vom Stall raus, da kimmt jetzt a Schei',

So hell, als wann's ei'wendi brennt.

Es werd do koa Feua net sei'!

Da Simmei is g'schwind ummi g'rennt.


Und hört scho a Stimm', – de is hell,

Is fei' wia 'r a Glock'n vo Gold,

Da is eahm scho glei auf da Stell,

Als wann er si niedaknian sollt.


Und hot's aa da Simmei net g'wißt,

Es is eahm so feierli wor'n.[32]

Denn drin liegt da heilige Christ,

Denn drin is da Heiland gebor'n.


Und jetzt! Was dös am Himmi war!

Als wenn de Kirz'n am Altar

Da Mesna o'zünd't – da – jetzt durt –

Oans nach dem andern brenna s' furt –

So leucht'n d' Stern auf – oiwei mehr.

Auf oamal braust's von ob'n her,

Als wia von hundert Orgeln klingt's,

Als wia vo tausad Harfa singt's,

Und Engelstimma wundafei',

De klingan drei'.

Halleluja! Halleluja!

Und vo da Weit'n, vo da Näh

Und vo herunt bis z'höchst in d' Höh,

Und tuat bald laut, und bald vaschwimmt's

Ganz ob'n, und wieda runta kimmt's.

Halleluja!

Und in den hellen Jubelg'sang,

Im Orgel- und im Harfaklang

Hat jetzt

A tiafe Stimm o'g'setzt

Mit G'walt,

So wia 'r a Glock'n hallt:

»Kommt alle z'samm!

Ihr braucht koa Furcht net hamm!

Die höchste Freud wird euch verkünd't,

Im Stall dort liegt das Christuskind.

So hat die Nacht

Den Heiland bracht

Zu dieser Stund.

Ehre sei Gott in der Höh'

Und Frieden den Menschen herunt!«


Da werd's jetzt mit oan wieda staad,

Vorbei is mit Musi und G'sang.

A paarmal is grad, als vawaht

Da Wind no vo z'weitest an Klang.
[33]

Da Simmei kniat no dort im Schnee

Und lust, aba hört scho nix mehr.

Jetzt kemman vo drent über d' Höh

De selbigen Hüata daher.


Sie war'n aa no ganz ausanand,

Bei eahr war dös nämli da Fall,

Da Simmei nimmt s' staad bei da Hand

Und geht mit eahr eini in Stall.


Sie schleichen auf g'nagelte Schuah.

Da Simmei, der geht a weng für

Und mahnt no an jed'n zu da Ruah.

Jetzt bleib'n s' alle steh' bei da Tür.


De selln, de wo weita hint war'n,

De hamm si auf d' Zechaspitz g'stellt.

Vor eahna, da liegt drin im Barr'n

A Kindl, – da Heiland der Welt.


So nackt und so arm hamm s' 'n g'sehg'n.

Im Barr'n war an aufg'häufelts Stroh.

Und 's Kind is ganz ruhig drauf g'leg'n.

Es woant net und schaugt grad a so.


Es hot sie mit Stolz und mit Pracht

Und Herrlichkeit gwiß net vaführt

Und hot do a sellane Macht!

A jeda hot's ei'wendi g'spürt.


Und wia s' a si niedakniat hamm, –

Vo de hot si koana vastellt,

Sie falt'n de Händ alle z'samm,

De war'n a weng starr vo' da Kält.


Sie bringan als Erste eahm dar

De Wünsch für a Glück ohne End',

Net groß, aba ehrli und wahr,

So wia's halt an arma Mensch kennt.


Na gengan sie staad wieda naus

Und wischpern a weng mitanand.[34]

Ziahgt jeda sein Geldbeutel raus

Und druckt was an Simmei in d' Hand.


Sie geben's fürs Kind so gern her,

Und bal dös erst größa wor'n is,

Na woaß's scho, sie hamm halt net mehr,

Es kennt de guat Meinung scho g'wiß.


Sie nehman Bfüad Good voranand

Und gengan na hoam durch de Nacht.

In Bethlehem hot ma nix g'spannt,

Vo dena is neamad aufg'wacht.


Und geht's ös in d' Mett'n, ös Leut,

Na roat's enk de G'schicht a weng z'samm!

Und fragt's enk, ob dös nix bedeut',

Daß 's Christkind bloß Arme g'sehg'n hamm.


Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 3, München 1968.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Heilige Nacht. Eine Weihnachtslegende
Heilige Nacht. Eine Weihnachtslegende
Heilige Nacht: Eine Weihnachtslegende
Heilige Nacht: Eine Weihnachtslegende

Buchempfehlung

Anonym

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Das chinesische Lebensbuch über das Geheimnis der Goldenen Blüte wird seit dem achten Jahrhundert mündlich überliefert. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Richard Wilhelm.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon