Zweites Hauptstück

[12] Beim Tagwer'n, es war no ganz fruah,

Schaugt da Joseph außi in Schnee.

»Maria, jetzt genga ma zua,

Z'erscht trink' ma no insern Kaffee.


O mei ja! Dös werd heut was wer'n!

Dei Schuahwerk is aa so vui dünn,

I wollt und i hätt's scho recht gern,

Mir waarn scho in Bethlehem drin.«


»Jetzt laß da daweil, liaba Mo!

Es geht ins ganz guat, werst as sehgn,

Was sei muaß, dös packt ma frisch o,

Und es werd ins na do scho nix gschehgn.«
[12]

So gengan sie naus bei da Tür.

D' Maria muaß langsama toa;

Es kam ihr bald selber so für,

Da Joseph ging gscheida alloa.


Vo Nazareth braucht ma ganz gwiß

Auf Bethlehem ummi sechs Stund,

Dös hoaßt, bal da Weg sauber is,

Und bal oana richti geh' kunnt.


So glangts auf koa Weit'n wohl net;

An Schuach und no drüba hot's gschneibt,

D' Maria bal hundert Schritt geht,

Is not, daß sie wieda steh' bleibt.


Es geht Buckel auf, Buckel o;

Am bessern wars dennascht im Wald,

Hat da Wind net gar so schiach to

Und war do net gar a so kalt.


Auf'n Mittag zua vespern s' a weng

Am Holz hiebei, glei neba'n Rand;

Sie müass'n, sinscht wurds eahna z' streng.

Und sie ess'n a Nudl mitnand.


An Joseph, den jammert's scho recht,

Und wia'r a d' Maria betracht',

Da sagt a: »Heunt geht's ins wohl schlecht,

Und Angscht hon i, daß 's da was macht.«


Sie zoagt eahm des freundlichste G'sicht

»Und,« sagt sie, »es feit net so weit,

Geh, Vata, was helft ins de G'schicht,

Weil 's Jammern ja aa nix bedeut'.«


Sehgt's, Leuteln, so tapfa is s' g'wen,

Koan Aug'nblick hat sie net greint,

Da kunnt'n de Weiba – was denn? –

A Beispiel dro hamm, wia's ma scheint.


No, daß i mei G'schicht füra bring, –

Sie hamm si so mitanand tröst'.[13]

De Guatheit macht jede Sach' g'ring,

Da Unmuaß is oiwei des Größt.


Und wia sie so freundli dischkriern,

Do hört ma'r a wunderschöns G'läut

Und siecht oan a's Holz her kutschiern.

Da hot si da Joseph scho gfreut.


Der Schlitt'n, der kemma is, war

Vom reich'n Manasse, an Mo

Vo Nazareth. Da hat's koa G'fahr,

Daß d' Maria net aufsitz'n ko.


»He! Halt a weng! Sei do so guat!«

Schreit da Joseph. »Kunnts eppa sei',

Du siechst ja, wia's Weda heut tuat,

Gang's net, daß sie mit kam, de mei'?«


Der aba, der gibt gor it acht,

Er schnallt mit da Goaßl, und d' Ross',

De schiaß'n voro, und er lacht

Und zahnt recht und prahlt si no groß.


Mei Liaba, was ko ma da sag'n?

I sag grad, wer so eppas tuat,

Der is mit eahm selba scho gschlag'n,

Und selle Leut geht's it so guat.


Jetzt hockan s' halt wieda im Schnee.

Sagt d' Maria: Ȁrger di net

Und hülf ma'r a wengl auf d' Höh!

Ma friert aa net so, bal ma geht.«


So waten s' drei Stund oda vier,

Und sie bleib'n gar oft wieda steh'.

Da Joseph vazagt. Er moant schier,

Sie kunnt's eahm bald nimma dageh'.


Es war aa scho nimma gar z' hell,

Und an schiach'n Neb'l hat's gmacht,

Und kam eahr de Dunkelheit z' schnell,

Was tean s' na im Wald bei da Nacht?
[14]

Da kimmt jetzt a Handwerksbursch her,

Draht si um, bleibt steh' und hat g'sagt:

»Es scheint, bei da Frau geht's net mehr,

Waar Not eppa gar, daß ma s' tragt.«


Da Joseph und er geb'n si d' Hand;

D' Maria hamm s' untersi g'faßt,

Und führen s' und trag'n s' mitanand

Und g'spürn kaam de heilige Last.


»Wo kemmts denn ös her und wer seids?«

»I arbet als Zimmamo drent

In Nazareth. Dös is a Kreiz,

Jetzt san ma acht Stund ummag'rennt.


Mir müass'ma 'r auf Bethlehem nei',

As Rentamt, du woaßt ja, gon zahl'n.

O mei, Mensch, i dank da halt fei',

Du tuast ma'r an richtinga Gfall'n!«


»Dös braucht's it. Es gschiecht ja recht gern.

Jetzt sollt ma'r an Äpfischnaps hamm,

Da wurd glei dei Frau wieda wern,

Derselbige richtet oan z'samm.«


So hamm sie halt mitanand g'redt,

Hamm d' Maria g'hebt und hamm s' trag'n.

Ja, Leut, bal s' den Helfa net hätt,

Waar's gfeit g'wen. Dös kon i enk sag'n.


Jetzt sehg'n sie scho Liachta im Tal;

Da drunt'n muaß Bethlehem sei'.

Da Handwerksbursch sagt: »Halt's amal,

I trau ma 'r in d' Stadt net ganz nei'.


Vo zweg'n de Standari, vasteht's,

Denn koane Papier hab i koa,

I moan, es is bessa, ös geht's

Auf Bethlehem eini alloa.«


Sie nehma Bfüad Good voranand,

D' Maria hot gar so liab g'lacht,[15]

Und da Joseph druckt eahm sei Hand

Und hot eahm sei Danksagung g'macht.


Wer war ge der Bursch, liabe Leut?

Wie hoaßt a? Wia hot er si g'schrieb'n?

Mir wiss'ma's no net bis auf heut,

Es is ins koan Ausweis net blieb'n.


Du lüftiga Bursch auf da Roas',

Du host wohl koan Pfenning koa Geld

Und bist do da Reichst', den i woaß,

Und bist do da Reichst' auf da Welt!


Ja, bfüad di Good! Schwing no dein Huat!

Di derf koa Standari schinier'n!

Dir is insa Herrgott was guat,

Bei dem werst du gwiß nix valier'n!


Jetzt san ma in Bethlehem drin.

Wos werd eppa da alles gschehg'n?

Wos hamm s' eppa da alls an Sinn?

Ös Leuteln, mir wern's na scho sehg'n.


Gesang

Und dauß'd geht da Wind,

Geh, seids do guat g'sinnt!

So kalt kimmt's oan für,

Machts auf enka Tür!


»Wer klopft bei da Nacht?

Da werd net aufgmacht!

Gehts glei wieda zua

Und laßts ins in Ruah!«


»De Frau nehmts do gwiß,

Weil s' gar so arm is!

Sie wart' auf ihr Stund,

Sie geht ma sinscht z' Grund!
[16]

Und bal sie koa's hätt,

Na braucht sie koa Bett,

Es tats aa'r a so,

Kriagt s' grad an Schab Stroh.«


»Gehts weita! Gehts zua!

Und laßts ins in Ruah!

Mir hamma koan Gfalln

Mit Gäst, de schlecht zahln.«


Es sturmt und es schneibt,

Es wedat, es treibt,

Koa Mensch laßt s' net rei' –

Ja, darf denn dös sei?


Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 3, München 1968, S. 12-17.
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