Zweite Szene


[305] Parnaß.

Skaramuz oben, Bediente näher, Volk unten, die Musen.


SKARAMUZ. Gibt's heute was Neues?

GRÜNHELM. Nichts eben, als daß mehrere Studenten von der Universität gekommen sind, die den Wunsch hegen, sich examinieren zu lassen, um brauchbar zu werden.

SKARAMUZ. Laßt sie vorkommen.


Löwe, Tiger und die übrigen Wilden Tiere werden hereingeführt.


SKARAMUZ. So ein Student hat doch immer ein munteres Wesen.

GRÜNHELM. Das macht die freie Lebensart, und sie wissen von keinen Sorgen, diese Musensöhne.

SKARAMUZ. Musensöhne? – Was muß ich denn da von euch hören, ihr Gesindel von Musen?

GRÜNHELM. O gnädigster Apollo, das ist nur so eine hergebrachte Redensart, womit weder den Musen noch den Studenten zu nahe geschieht, so wie man ja auch den Kirchhof, Gottesacker, und die Advokaten, Diener der Gerechtigkeit zu nennen pflegt. Die Soldaten heißen ja auch Verteidiger des Vaterlandes; ja man pflegt ja sogar oft poetischerweise die Gegend, wo man geboren ist, sein Vaterland zu nennen. An so etwas müßt Ihr Euch nicht stoßen, denn unsre Sprache hat außerordentlich viel Synonymen.

SKARAMUZ. Es soll eine Grammatik darüber abgefaßt werden,[305] damit sich die Fremden zurechtzufinden wissen. – Ihr Herren wollt also nützlich sein?

DER WOLF. Ja, mein König, wir spüren eine unendliche Begierde nach einer guten Besoldung.

SKARAMUZ. Nun das ist brav, so werdet ihr hoffentlich bald brauchbare Staatsbürger werden. – Geht und laßt euch die langen Haare etwas verschneiden, dann sollt ihr sogleich examiniert werden. Die Studenten gehen ab. Wißt ihr, Leute, daß heute mein Geburtstag ist?

GRÜNHELM. Ja, mein König, ich habe auch deswegen schon die Kanonen aufführen lassen.

SKARAMUZ. Nun so schießt sie mir zu Ehren ab.


Eine Salve von Kanonen.


SKARAMUZ. Ungemein gern mag ich die Kanonen sprechen hören; es ist der bündigste Vortrag, er überstimmt jeden andern, man kann weder ein eignes noch ein fremdes Wort dabei hören. – Musen, habt ihr euch zur Feier meines Geburtstages ausgerüstet?

MELPOMENE. Allerdings, erhabner Apollo, wir werden an diesem wichtigen Tage ein Schauspiel aufführen, welches wir einstudiert haben.

SKARAMUZ. So ist es recht, ich will mich einmal heut abend recht von meinen Geschäften erholen.


Sie gehn ab.


Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden. Band 2, München 1963, S. 305-306.
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