Erste Szene

[387] Allegorische Schmiede.

Ein Chor von Gesellen in voller Arbeit, indem sie singen.


GESELLEN.

Schlagt nach dem Takt

Daß der Amboß erklingt,

Der Funke zerknackt

Wie der Arm sich schwingt, –

Die Arbeit gelingt.


Wer möchte nicht schlagen,

Um nützlich zu sein,

Die Arme dran wagen,

Ins Feuer hinein; –

Jeder Anfang ist klein.


Auf! Schmiedegesellen,

Seid wacker im Streit![387]

Denn bald wird erhellen.

Die dunkelnde Zeit,

Wie ihr so gescheit!


Man kann es ja wagen,

Das Eisen verträgt's,

Und wenn wir's auch schlagen,

Doch nimmermehr schlägt's, –

Und einer verlegt's!


Der Meister tritt herein.


MEISTER.

Ihr macht euch um die Menschheit wohlverdient

Und seid in eurem Eifer unermüdlich,

So wie es sich für brave Burschen ziemt.

PETER ein Geselle.

Was soll denn aus der Arbeit werden, Meister?

MEISTER.

Das weiß der Himmel wohl am allerbesten,

Der dies Metall nach seiner Güte schuf,

Und uns die Lust in unsre Seelen legte

Mit schnellem Arm so auf und ab zu hämmern.

MICHEL ein andrer.

's geschieht am End' zu unserm bloßen Spaß?

MEISTER.

Mitnichten, Bester; denn's gibt gar nicht Spaß,

Der einz'ge Spaß in der Welt ist der, daß jeder

Herkömmlich glaubt, es gäbe irgend Spaß.

Aus diesem Nichts zieht Witz nun seinen Faden,

Beginnt der Scherz ein ungewebt Gewebe.

Die Welt ist gar nicht da, um drin zu scherzen,

Die Wahrheit auszugraben, leben wir:

Sie findet sich, auch ohne daß wir graben;

Auch ohne Finden kommt sie zu uns her,

Auch ohne daß sie kommt, ist sie in uns,

Und ohne daß sie ist, sind wir die Wahrheit,

Und ohne Wahrheit sind wir selber nicht.

PETER.

Wo wollt Ihr denn mit alledem hinaus?

MEISTER.

Zu zeigen, daß euch nichts sagt, was es sagt,

Daß alles sich bestrebt, was auszusprechen,

Und weder Zahn noch Gaum', noch Kehle findet,

Mithin Dental- und Guttural-Buchstaben

Ermangeln, und Vokal' an sich nichts taugen.


Dorus kommt.


DORUS. Ich wollte nur anfragen, ob meine Gerätschaften nunmehr fertig wären.

SCHMIED. Was kommt dabei heraus, mein Freund, wenn Ihr[388] die Dinge auch so erhaltet, wie Ihr wünscht? Es wäre wohl dienlicher, sie verständiger anzusehn.

DORUS. Ich versteh' seit einiger Zeit gar nicht mehr, was Ihr haben wollt.

SCHMIED.

Ihr kennt die Charis nicht, Euch kennt sie nicht,

Euch mangelt, Freund, der Schönheit Zauberlicht,

Ihr lest wohl nie in einem guten Buche

Und macht viel wen'ger mit Euch selbst Versuche?

DORUS.

Ich halte die Versuche für Versuchung.

SCHMIED.

Schon recht, Ihr fangt erträglich an zu sprechen,

Doch leidet Ihr noch an den alten Schwächen.

DORUS.

Wie fängt man's also an, um klug zu sein?

SCHMIED.

Zuerst, daß man sich selber dafür hält,

Dann, daß man keinen ändern gelten läßt,

Und drittens dann vor allen ändern Dingen,

Daß man gleich vor die rechte Schmiede geht.

DORUS.

Und wo trifft man denn diese rechte Schmiede?

SCHMIED.

Ihr seht sie gleich hier vor Euch gegenwärtig,

Hier tretet stracks mit als Geselle ein,

So werdet Ihr im Anfang nur ein kleines

Gehänselt, was man leichtlich übersieht,

Dann ist es Euch ohn' Widerspruch vergönnt,

Nach Herzenslust das Eisen selbst zu schlagen.

DORUS. Und dann?

SCHMIED. Dann seid Ihr auf dem rechten Wege.

DORUS. Das steht mir alles gar nicht an, sondern ich wollte nur meinen Pflug zurückhaben.

SCHMIED. Glaubt Ihr denn, daß es einen Pflug gibt?

DORUS. Wie?

SCHMIED. Einbildung! Man sagt zwar: Der und der habe das Feld der Wissenschaften umgepflügt, damit es neue und schönere Früchte trage; aber, mein bester Freund, das ist ja nur allegorisch zu verstehn.

DORUS. Ihr seid unsinnig!

SCHMIED. Nun, zum Beispiel, was wollt Ihr mit Eurem Spaten machen?

DORUS. Graben.

SCHMIED. Ja, da kommt Ihr gut an; laßt Euch doch ja nicht durch den Ausdruck: nach der Wahrheit graben verleiten, das ist ja wieder nur allegorisch. Ihr seid wohl gar imstande und glaubt an eine Ernte.

DORUS. Was wäre denn dabei für Sünde?

SCHMIED. Also, wenn einer Ruhm oder Unsterblichkeit oder[389] dergleichen eingeerntet hat, so meint Ihr. O es ist ja albern! Ihr seid aberwitzig.

DORUS. Ihr werdet mich verdrießlich machen.

SCHMIED. Gleichviel; anfangs geht den Menschen die Wahrheit schwer ein, aber man muß sich dadurch nicht abschrecken lassen. – Ich will Euch noch ein Exempel aus der Physik geben. Kennt Ihr den Stein, den man Höllenstein nennt?

DORUS. Ja.

SCHMIED. Man hat Euch auch gewiß weisgemacht, daß er aus Silber verfertigt werde.

DORUS. Und daraus wird er auch gewiß gemacht.

SCHMIED. Nun das ist doch erstaunlich, daß Ihr auch hier die Allegorie nicht gewahr werdet! Geht, Ihr seid ein verlorner Mensch; eine Allegorie, die einen so schönen, edlen, moralischen Satz in sich schließt, nicht zu begreifen! Ihr meint auch wohl, wenn von den gediegenen Gedanken in kritischen Blättern die Rede ist, daß die Gedanken alsdann wirklich gediegen sind? – O geht, es ist unter meiner Würde, mich mit Euch abzugeben.

DORUS. Aber mein Ackergerät –

SCHMIED. Eure Dummheit ist Euch Acker und Pflug genug; – was Ihr nun hier einmal buchstäblich nehmen möget, weil das vielleicht unter Millionen Fällen der einzige ist, wo es paßt.

DORUS. Ich muß nur gehn und lieber alles im Stiche lassen, um nur nicht gar närrisch zu werden. Geht ab.

SCHMIED. Hier, Gesellen, habt ihr so einen schlichten, bäurischen Verstand gesehn, der sich in kein Ding zu finden weiß? – Jetzt wollen wir wieder an die Arbeit gehn und das Eisen schmieden, weil es heiß ist. –


Der Chor wird repetiert.


Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in einem Band. Hamburg 1967, S. 387-390.
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