Zweites Kapitel

[942] Als Sternbald durch die Stadt streifte, glaubte er einmal in der Ferne den Bildhauer Bolz zu bemerken, aber die Person, die er dafür hielt, verlor sich wieder aus den Augen. Franz ergötzte sich, wieder in einem Gewühl von unbekannten Menschen herumzuirren. Es war Jahrmarkt, und aus den benachbarten kleinen Städten und Dörfern hatten sich Menschen aller Art versammelt, um hier zu verkaufen und einzukaufen. Sternbald freute sich an der allgemeinen Fröhlichkeit, die alle Gesichter beherrschte, die so viele verworrene Töne laut durcheinander erregte.

Er stellte sich etwas abseits, und sah nun die Ankommenden, oder die schon mit ihren eingekauften Waren zurückgingen. Alle Fenster am Markte waren mit Menschen angefüllt, die auf das verworrene Getümmel heruntersahen. Franz sagte zu sich selbst: »Welch ein schönes Gemälde! und wie wäre es möglich, es darzustellen? Welche angenehme Unordnung, die sich aber auf keinem Bilde nachahmen läßt! Dieser ewige Wechsel der Gestalten, dies mannigfaltige, sich durchkreuzende Interesse, daß diese Figuren nie auch nur auf einen Augenblick in Stillstand geraten, ist es gerade, was es so wunderbar schön macht. Alle Arten von Kleidungen und Farben verirren sich durcheinander, alle Geschlechter und Alter, Menschen, dicht zusammengedrängt, von denen keiner am Nächststehenden Teil nimmt, sondern nur für sich selber sorgt. Jeder sucht und holt das Gut, das er sich wünscht, mit lachendem Mute, als wenn die Götter plötzlich ein großes Füllhorn auf den Boden ausgeschüttet hätten, und emsig nun diese Tausende herausraffen, was ein jeder bedarf.«

Leute zogen mit Bildern umher, die sie erklärten, und zu denen sich eine Menge Volks versammelte. Es waren schlechte, grobe Figuren auf Leinwand gemalt. Das eine war die Geschichte eines Handwerkers, der auf seiner Wanderschaft den Seeräubern in die Hände geraten war, und in Algier schmähliche Sklavendienste hatte tun müssen. Er war dargestellt, wie er mit andern Christen im Garten den Pflug ziehen mußte, und sein Aufseher ihn mit einer fürchterlichen Geißel dazu antrieb. Eine zweite Vorstellung war das Bild eines seltsamlichen Ungeheuers, von dem der Erklärer behauptete, daß es jüngst in der mittelländischen See gefangen sei. Es hatte einen Menschenkopf und einen Panzer auf der Brust, seine Füße waren wie Hände gebildet und große Floßfedern hingen herunter, hinten war es Pferd.

Alles Volk war erstaunt. »Dies ist es«, sagte Franz zu sich,[942] »was die Menge will, was einem jeden gefällt. Ein wunderbares Schicksal, wovon ein jeder glaubt, es hätte auch ihn ergreifen können, weil es einen Menschen trifft, dessen Stand der seinige ist. Oder eine lächerliche Unmöglichkeit. Seht, dies muß der Künstler erfüllen, diese abgeschmackten Neigungen muß er befriedigen, wenn er gefallen will.«

Ein Arzt hatte auf der andern Seite des Marktes sein Gerüst aufgeschlagen, und bot mit kreischender Stimme seine Arzneien aus. Er erzählte die ungeheuersten Wunder, die er vermittelst seiner Medikamente verrichtet hatte. Auch er hatte großen Zulauf, die Leute verwunderten sich und kauften.

Er verließ das Gewühl, und ging vors Tor, um recht lebhaft die ruhige Einsamkeit gegen das lärmende Geräusch zu empfinden. Als er unter den Bäumen auf und ab ging, begegnete ihm wirklich Bolz, der Bildhauer. Jener erkannte ihn sogleich, sie gingen miteinander und erzählten sich ihre Begebenheiten. Franz sagte: »Ich hätte niemals geglaubt, daß Ihr imstande wäret, einen Mann zu verletzen, der Euch für seinen Freund hielt. Wie könnt Ihr die Tat entschuldigen?«

»Oh, junger Mann«, rief Augustin aus, »Ihr seid entweder noch niemals beleidigt, oder habt sehr wenig Galle in Euch. Roderigo ruhte mit seinen Schmähworten nicht eher, bis ich ihm den Stoß versetzt hatte, es war seine eigene Schuld. Er reizte mich so lange, bis ich mich nicht mehr zurückhalten konnte.«

Franz, der keinen Streit anfangen wollte, ließ die Entschuldigung gelten, und Bolz fragte ihn: wie lange er sich in der Stadt aufzuhalten gedächte? »Ich will morgen abreisen«, antwortete Sternbald. »Ich rate Euch, etwas zu bleiben«, sagte der Bildhauer, »und wenn Ihr denn geneigt seid, kann ich Euch eine einträgliche Arbeit nachweisen. Hier vor der Stadt liegt ein Nonnenkloster, in dem Ihr, wenn Ihr wollt, ein Gemälde mit Öl auf der Wand erneuern könnt. Man hat schon nach einem ungeschickten Maler senden wollen, ich will Euch lieber dazu vorschlagen.«

Franz nahm den Antrag an, er hatte schon lange gewünscht, seinen Pinsel einmal an größern Figuren zu üben. Bolz verließ ihn mit dem Versprechen, ihn noch am Abend wiederzusehn.

Bolz kam zurück, als die Sonne schon untergegangen war. Er hatte den Vertrag mit der Äbtissin des Klosters gemacht, Sternbald war damit zufrieden. Sie gingen wieder vor die Stadt hinaus, Bolz schien unruhig, und etwas zu haben, das er dem jungen Maler gern mitteilen möchte; er brach aber immer wieder[943] ab, und Sternbald, der im Geiste schon mit seiner Malerei beschäftigt war, achtete nicht darauf.

Es wurde finster. Sie hatten sich in die benachbarten Berge hineingewendet, ihr Gespräch fiel auf die Kunst. »Ihr habe mich«, sagte Sternbald, »auf die unsterblichen Werke des großen Michael Angelo sehr begierig gemacht, Ihr haltet sie für das Höchste, was die Kunst bisher hervorgebracht hat.«

»Und hervorbringen kann!« rief Bolz aus, »es ist bei ihnen nicht von der oder der Vortrefflichkeit, von dieser oder jener Schönheit die Rede, sondern sie sind durchaus schön, durchaus vortrefflich. Alle übrigen Künstler sind gleichsam als die Vorbereitung, als die Ahndung zu diesem einzig großen Manne anzusehn: vor ihm hat noch keiner die Kunst verstanden, noch gewußt, was er mit ihr ausrichten soll.«

»Aber wie kömmt es denn«, sagte Sternbald, »daß auch noch andere außer ihm verehrt werden, und daß noch niemand nach dieser Vollkommenheit gestrebt hat?«

»Das ist leicht einzusehn«, sagte der Bildhauer. »Die Menge will nicht die Kunst, sie will nicht das Ideal, sie will unterhalten und gereizt sein, und es versteht sich, daß die niedrigern Geister dies weit besser ins Werk zu richten wissen, weil sie selber mit den Geistesbedürfnissen der Menge, der Liebhaber und Unkenner vertraut sind. Sie erblicken wohl gar beim echten Künstler Mangel, und glauben über seine Fehler und Schwächen urteilen zu können, weil er vorsätzlich das verschmäht hat, was ihnen an ihren Lieblingen gefällt. Warum kein Künstler noch diese Größe erstrebt hat? Wer hat denn richtigen Begriff von seiner Kunst, um das Beste zu wollen? Ja, wer von den Künstlern will denn überhaupt irgendwas? Sie können sich ja nie von ihrem Talente Rechenschaft geben, das sie blindlings ausüben, sie sind ja zufrieden, wenn sie den leichtesten Wohlgefallen erregen, auf welchem Wege es auch sei. Sie wissen ja gar nicht, daß es eine Kunst gibt, woher sollen sie denn erfahren, daß diese Kunst eine höchste, letzte Spitze habe. Mit Michael Angelo ist die Kunst erst geboren worden, und von ihm wird eine Schule ausgehn, die die erste ist und bald die einzige sein wird.«

»Und wie meint Ihr«, fragte Franz, »daß dann die Kunst beschaffen sein wird?«

»Man wird«, sagte Bolz, »die unnützen Bestrebungen, die schlechten Manieren ganz niederlegen, und nur dem allmächtigen Buonarotti folgen. Es ist in jeder ausgeübten Kunst natürlich, daß sie sich vollendet, wenn nur ein erhabener Geist aufgestanden[944] ist, der den Irrenden hat zurufen können: dorthin meine Freunde, geht der Weg! Das hat Buonarotti getan, und man wird nachher nicht mehr zweifeln und fragen, was Kunst sei. In jeglicher Darstellung wird dann ein großer Sinn liegen, und man wird die gewöhnlichen Mittel verschmähen, um zu gefallen. Jetzt nehmen fast alle Künstler die Sinnen in Anspruch, um nur ein Interesse zu erregen, dann wird das Ideal verstanden werden.«

Indem war es ganz dunkel geworden. Der Mond stieg eben unten am Horizont herauf, sie hatten schon fernher Hammerschläge gehört, jetzt standen sie vor einer Eisenhütte, in der gearbeitet wurde. Der Anblick war schön; die Felsen standen schwarz umher, Schlacken lagen aufgehäuft, dazwischen einzelne grüne Gesträuche, fast unkenntlich in der Finsternis. Vom Feuer und dem funkenden Eisen war die offene Hütte erhellt, die hämmernden Arbeiter, ihre Bewegungen, alles glich bewegten Schatten, die von dem hellglühenden Erzklumpen angeschienen wurden. Hinten war der wildbewachsene Berg so eben sichtbar, auf dem alte Ruinen auf der Spitze vom aufgehenden Monde schon beschimmert waren: gegenüber waren noch einige leichte Streifen des Abendrots am Himmel.

Bolz rief aus: »Seht den schönen, bezaubernden Anblick!«

Auch Sternbald war überrascht, er stand eine Weile in Gedanken und schwieg, dann rief er aus: »Nun, mein Freund, was könntet Ihr sagen, wenn Euch ein Künstler auf einem Gemälde diese wunderbare Szene darstellte? Hier ist keine Handlung, kein Ideal, nur Schimmer und verworrene Gestalten, die sich wie fast unkenntliche Schatten bewegen. Aber wenn Ihr dies Gemälde sähet, würdet Ihr Euch nicht mit mächtiger Empfindung in den Gegenstand hineinsehnen? Würde er die übrige Kunst und Natur nicht auf eine Zeitlang aus Eurem Gedächtnisse hinwegrücken, und was wollt Ihr mehr? Diese Stimmung würde dann so wie jetzt Euer ganzes Inneres durchaus ausfüllen, Euch bliebe nichts zu wünschen übrig, und doch wäre es nichts weiter, als ein künstliches, fast tändelndes Spiel der Farben. Und doch ist es Handlung, Ideal, Vollendung, weil es das im höchsten Sinne ist, was es sein kann, und so kann jeder Künstler an sich der Trefflichste sein, wenn er sich kennt und nichts Fremdartiges in sich hineinnimmt. Wahrlich! es ist, als hätte die alte Welt sich mit ihren Wundern aufgetan, als ständen dort die fabelhaften Zyklopen vor uns, die für Mars oder Achilles die Waffen schmieden. Die ganze Götterwelt kömmt dabei in mein Gedächtnis zurück:[945] ich sehe nicht nur, was vor mir ist, sondern die schönsten Erinnerungen entwickeln sich im Innern meiner Seele, alles wird lebendig und wach, was seit lange schlief. Nein, mein Freund, ich bin innigst überzeugt, die Kunst ist wie die Natur, sie hat mehr als eine Schönheit.«

Bolz war still, beide Künstler ergötzten sich lange an dem Anblick, dann suchten sie den Rückweg nach der Stadt. Der Mond war indes heraufgekommen und glänzte ihnen im vollen Lichte entgegen, durch die Hohlwege, die sie durchkreuzten, über die feuchte Wiese herüber, von den Bergen in zauberischen Widerscheinen. Die ganze Gegend war in eine Masse verschmolzen, und doch waren die verschiedenen Gründe leicht gesondert, mehr angedeutet, als ausgezeichnet; keine Wolke war am Himmel, es war, als wenn sich ein Meer mit unendlichen goldenen Glanzwogen sanft über Wiese und Wald ausströmte und herüber nach den Felsen bewegte.

»Könnten wir nur die Natur genau nachahmen«, sagte Sternbald, »oder begleitete uns diese Stimmung nur so lange, als wir an einem Werke arbeiten, um in frischer Kraft, in voller Neuheit das hinzustellen, was wir jetzt empfinden, damit auch andre so davon ergriffen würden, wahrlich, wir könnten oft Handlung und Komposition entbehren, und doch eine große, herrliche Wirkung hervorbringen!«

Bolz wußte nicht recht, was er antworten sollte, er mochte nicht gern nachgeben, und doch konnte er Franz jetzt nicht widerlegen, sie stritten hin und her, und verwunderten sich endlich, daß sie die Stadt nicht erscheinen sahen. Bolz suchte nach dem Wege, und ward endlich inne, daß er sich verirrt habe. Beide Wanderer wurden verdrüßlich, denn sie waren müde und sehnten sich nach dem Abendessen, aber es schoben sich immer mehr Gebüsche zwischen sie, immer neue Hügel, und der blendende Schimmer des Mondes erlaubte ihnen keine Aussicht. Der Streit über die Kunst hörte auf, sie dachten nur darauf, wie sie sich wieder zurechtfinden wollten. Bolz sagte: »Seht, mein Freund, über die Kunst haben wir die Natur vernachlässigt; wollt Ihr Euch noch so in eine Gegend hineinsehnen, aus der wir uns so gern wieder herauswickeln möchten? Jetzt gäbt Ihr alle Ideale und Kunstwörter für eine gute Ruhestelle hin.«

»Wie Ihr auch sprecht!« sagte Sternbald, »davon kann ja gar nicht die Rede sein. Wir haben uns durch Eure Schuld verirrt, und es steht Euch nicht zu, nun noch zu spotten.«[946]

Sie setzten sich ermüdet auf den Stumpf eines abgehauenen Baumes nieder. Franz sagte: »Wir werden hier wohl übernachten müssen, denn ich sehe noch keinen möglichen Ausweg«

»Gut denn!« rief Bolz aus, »wenn es die Not so haben will, so wollen wir uns auch in die Not finden. Wir wollen sprechen, Lieder singen, und schlafen, so gut es sich tun läßt. Mit dem Aufgange der Sonne sind wir dann wieder munter, und kehren zur Stadt zurück. Fanget Ihr an zu singen.«

Sternbald sagte: »Da wir nichts Besseres zu tun wissen, will ich Euch ein Lied von der Einsamkeit singen, es schickt sich gut zu unserm Zustande.


Über mir das hellgestirnte Himmelsdach,

Alle Menschen dem Schlaf ergeben,

Ruhend von dem mühevollen Leben,

Ich allein, allein im Hause wach.


Trübe brennt das Licht herunter;

Soll ich aus dem Fenster schauen,

'nüber nach den fernen Auen?

Meine Augen bleiben munter.


Soll ich mich im Strahl ergehen

Und des Mondes Aufgang suchen?

Sieh, er flimmert durch die Buchen,

Weiden am Bach im Golde stehen.


Ist es nicht, als käme aus den Weiden

Ach ein Freund, den ich lange nicht gesehn,

Ach, wie viel ist schon seither geschehn,

Seit dem qualenvollen, bittern Scheiden!


An den Busen will ich ihn mächtig drücken,

Sagen, was so ofte mir gebangt,

Wie mich inniglich nach ihm verlangt,

Und ihm in die süßen Augen blicken.


Aber der Schatten bleibt dort unter den Zweigen,

Ist nur Mondenschein,

Kömmt nicht zu mir herein,

Sich als Freund zu zeigen.
[947]

Ist auch schon gestorben und begraben,

Und vergeß es jeden Tag,

Weil ich's so übergerne vergessen mag;

wie kann ich mich an seinem Anblick laben?


Geht der Fluß murmelnd durch die Klüfte,

Sucht die Ferne nach eigner Melodie,

Unermüdet sprechend spat und früh:

Wehn vom Berge schon Septemberlüfte.


Töne fallen von oben in die Welt,

Lustge Pfeifen, fröhliche Schalmein,

Ach, sollten es Bekannte sein?

Sie wandern zu mir übers Feld.


Fernab erklingt es, keiner weiß von mir,

Alle meine Freunde mich verlassen,

Die mich liebten, jetzt mich hassen,

Kümmert sich keiner, daß ich wohne hier.


Ziehn mit Netzen oft lustig zum See,

Höre oft das ferne Gelach;

Seufze mein kümmerlich Ach!

Tut mir der Busen so weh.


Ach! wo bist du Bild geblieben,

Engelsbild vom schönsten Kind?

Keine Freuden übrig sind,

Unterstund mich, dich zu lieben.


Hast den Gatten längst gefunden; –

Wie der fernste Schimmerschein,

Fällt mein Name dir wohl ein,

Nie in deinen guten Stunden.


Und das Licht ist ausgegangen,

Sitze in der Dunkelheit,

Denke, was mich sonst erfreut,

Als noch Nachtigallen sangen.


Ach! und warst nicht einsam immer?

Keiner, der dein Herz verstand,[948]

Keiner sich zu dir verband. –

Geh auch unter Mondesschimmer!


Lösche, lösche letztes Licht!

Auch wenn Freunde mich umgeben,

Führ ich doch einsames Leben:

Lösche, lösche letztes Licht!


Der Unglückliche braucht dich nicht!«


Indem hörten sie nicht weit von sich eine Stimme singen:


»Wer lustgen Mut zur Arbeit trägt

Und rasch die Arme stets bewegt,

Sich durch die Welt noch immer schlägt.

Der Träge sitzt, weiß nicht wo aus

Und über ihm stürzt ein das Haus,

Mit vollen Segeln munter

Fährt der Frohe das Leben hinunter.«


Der Singende war ein Kohlenbrenner, der jetzt näher kam. Bolz und Sternbald gingen auf ihn zu, sie standen seiner Hütte ganz nahe, ohne daß sie es bemerkt hatten. Er war freundlich und bot ihnen von freien Stücken sein kleines Haus zum Nachtlager an. Die beiden Ermüdeten folgten ihm gern.

Drinnen war ein kleines Abendessen zurechtgemacht, kein Licht brannte, aber einige Späne, die auf dem Herde unterhalten wurden, erleuchteten die Hütte. Eine junge Frau war geschäftig, den Fremden einen Sitz auf einer Bank zu bereiten, die sie an den Tisch schob. Alle setzten sich nieder, und aßen aus derselben Schüssel; Franz saß neben der Frau des Köhlers, die ihn mit lustigen Augen zum Essen nötigte. Er fand sie artig, und bewunderte die Wirkung des Lichtes auf die Figuren.

Der Köhler erzählte viel vom nahen Eisenhammer, für den er die meisten Kohlen lieferte, er hatte noch so spät einen Weiler besucht. Ein kleiner Hund gesellte sich zu ihnen und war äußerst freundlich, die Frau, die lebhaft war, spielte und sprach mit ihm, wie mit einem Kinde. Sternbald fühlte in der Hütte wieder die ruhigen, frommen Empfindungen, die ihn schon so oft beglückt hatten: er prägte sich die Figuren und Erleuchtung seinem Gedächtnisse ein, um einmal ein solches Gemälde darzustellen.

Als sie mit dem Essen beinahe fertig waren, klopfte noch[949] jemand an die Tür, und eine klägliche Stimme flehte um nächtliche Herberge. Alle verwunderten sich, der Köhler öffnete die Hütte, und Sternbald erstaunte, als er den Pilgrim hereintreten sah. Der Köhler war gegen den Wallfahrter sehr ehrerbietig, es wurde Speise herbeigeschafft, die Stube heller gemacht. Der Pilgrim erschrak, als er hörte, daß er der Stadt so nahe sei, er hatte sie schon seit zwei Tagen verlassen, sich auf eine unbegreifliche Art verirrt, und bei allen Zurechtweisungen immer den unrechten Weg ergriffen, so daß er jetzt kaum eine halbe Meile von dem Orte entfernt war, von dem er ausging.

Der Wirt erzählte noch allerhand, die junge Frau war geschäftig, der Hund war gegen Sternbald sehr zutunlich. Nach der Mahlzeit wurde für die Fremden eine Streu zubereitet, auf der sich der Wallfahrter und Bolz sogleich ausstreckten. Franz war gegen sein Erwarten munter. Der Köhler und seine Frau gingen nun auch zu Bette, der Hund ward nach seiner Behausung auf den kleinen Hof gebracht, Sternbald blieb bei den Schlafenden allein.

Der Mond sah durch das Fenster, in der Einsamkeit fiel des Bildhauers Gesicht dem Wachenden auf, es war eine Physiognomie, die Heftigkeit und Ungestüm ausdrückte. Franz begriff es nicht, wie er seinen anfänglichen Widerwillen gegen diesen Menschen so habe überwinden können, daß er jetzt mit ihm umgehe, daß er sich ihm sogar vertraue.

Bolz schien unruhig zu schlafen, er warf sich oft umher, ein Traum ängstigte ihn. Franz vergaß beinahe, wo er war, denn alles umher erhielt eine sonderbare Bedeutung. Seine Phantasie ward erhitzt, und es währte nicht lange, so glaubte er sich unter Räubern zu befinden, die es auf sein Leben angesehn hätten, jedes Wort des Kohlenbrenners, dessen er sich nur erinnerte, war ihm verdächtig, er erwartete es ängstlich, wie er mit seinen Spießgesellen wieder aus der Tür herauskommen würde, um sie im Schlafe umzubringen und zu plündern. Über diese Betrachtungen schlief er ein, aber ein fürchterlicher Traum ängstigte ihn noch mehr, er sah die entsetzlichsten Gestalten, die seltsamsten Wunder, er erwachte unter drückenden Beklemmungen.

Am Himmel sammelten sich Wolken, auf die die Strahlen des Mondes fielen, die Bäume vor der Hütte bewegten sich. Um sich zu zerstreuen, schrieb er folgendes in seiner Schreibtafel nieder:


Die Phantasie

[950] Wer ist dort der alte Mann,

In einer Ecke festgebunden,

Daß er sich nicht rührt und regt?

Vernunft hält über ihn Wache,

Sieht und erkundet jede Miene.

Der Alte ist verdrüßlich,

Um ihn in tausend Falten

Ein weiter Mantel geschlagen.


Es ist der launige Phantasus,

Ein wunderlicher Alter,

Folgt stets seiner närrischen Laune,

Sie haben ihn jetzt festgebunden,

Daß er nur seine Possen läßt,

Vernunft im Denken nicht stört,

Den armen Menschen nicht irrt,

Daß er sein Tagsgeschäft

In Ruhe vollbringe,

Mit dem Nachbar verständig spreche

Und nicht wie ein Tor erscheine.

Denn der Alte hat nie was Kluges im Sinn,

Immer tändelt er mit dem Spielzeug

Und kramt es aus, und lärmt damit

Sowie nur keiner auf ihn sieht und achtet.


Der alte Mann schweigt und runzelt die Stirn,

Als wenn er die Rede ungern vernähme,

Schilt gern alles langweilig,

Was in seinen Kram nicht taugt.

Der Mensch handelt, denkt, die Pflicht

Wird indes treu von ihm getan;

Fällt in die Augen das Abendrot hinein,

Stehn Schlummer und Schlaf aus ihrem Winkel auf

Da sie den Schimmer merken.

Vernunft muß ruhn und wird zu Bett gebracht,

Schlummer singt ihr ein Wiegenlied:

Schlaf ruhig, mein Kind, morgen ist auch noch ein

Tag!

Mußt nicht alles auf einmal denken,

Bist unermüdet und das ist schön,

Wirst auch immer weiter kommen,

Wirst deinem lieben Menschen Ehre bringen,[951]

Er schätzt dich auch über alles,

Schlaf ruhig, schlaf ein. –

»Wo ist meine Vernunft geblieben?« sagt der Mensch,

»Geh Erinnrung, und such sie auf.«

Erinnrung geht und trifft sie schlafend,

Gefällt ihr die Ruhe auch,

Nicht über der Gefährtin ein.

»Nun werden sie gewiß dem Alten die Hände frei machen«,

Denkt der Mensch, und fürchtet sich schon.

Da kömmt der Schlaf zum Alten geschlichen,

Und sagt: »Mein Bester, du mußt erlahmen,

Wenn dir die Glieder nicht aufgelöset werden,

Pflicht, Vernunft und Verstand bringen dich ganz herunter,

Und du bist gutwillig, wie ein Kind.« –

Indem macht der Schlaf ihm schon die Hände los,

Und der Alte schmunzelt: »Sie haben mir viel zu danken,

Mühsam hab ich sie erzogen,

Aber nun verachten sie mich alten Mann,

Meinen ich würde kindisch,

Sei zu gar nichts zu gebrauchen.

Du, mein Liebster, nimmst dich mein noch an,

Wir beide bleiben immer gute Kameraden.«

Der Alte steht auf und ist der Banden frei,

Er schüttelt sich vor Freude:

Er breitet den weiten Mantel aus,

Und aus allen Falten stürzen wunderbare Sachen

Die er mit Wohlgefallen ansieht.

Er kehrt den Mantel um und spreitet ihn weit umher,

Eine bunte Tapete ist die untre Seite.

Nun hantiert Phantasus in seinem Zelte

Und weiß sich vor Freuden nicht zu lassen.

Aus Glas und Kristallen baut er Schlösser,

Läßt oben aus den Zinnen Zwerge kucken,

Die mit dem großen Kopfe wackeln.

Unten gehn Fontänen im Garten spazieren,

Aus Röhren sprudeln Blumen in die Luft,

Dazu singt der Alte ein seltsam Lied

Und klimpert mit aller Gewalt auf der Harfe.

Der Mensch sieht seinen Spielen zu

Und freut sich, vergißt, daß Vernunft

Ihn vor allen Wesen herrlich macht.

Spricht: »Fahre fort, mein lieber Alter.«[952]

Und der Alte läßt sich nicht lange bitten,

Schreiten Geistergestalten heran,

Zieht die kleinen Marionetten an Fäden

Und läßt sie aus der Ferne größer scheinen.

Tummeln sich Reiter und Fußvolk,

Hängen Engel in Wolken oben,

Abendröten und Mondschein gehn durcheinander.

Verschämte Schönen sitzen in Lauben,

Die Wangen rot, der Busen weiß,

Das Gewand aus blinkenden Strahlen gewebt.

Ein Heer von Kobolden lärmt und tanzt,

Alte Helden kommen von Troja wieder,

Achilles, der weise Nestor, versammeln sich zum Spiel

Und entzweien sich wie die Knaben. –

Ja, der Alte hat daran noch nicht genug,

Er spricht und singt: »Laß deine Taten fahren,

Dein Streben, Mensch, deine Grübelein,

Sieh, ich will dir goldne Kegel schenken,

Ein ganzes Spiel, und silberne Kugeln dazu,

Männerchen, die von selbst immer auf den Beinen stehn,

Warum willst du dich des Lebens nicht freun?

Dann bleiben wir beisammen,

Vertreiben mit Gespräch die Zeit,

Ich lehre dich tausend Dinge,

Von denen du noch nichts weißt.« –

Das blinkende Spielwerk sticht dem Menschen in die Augen,

Er reckt die Hände gierig aus!

Indem erwacht mit dem Morgen die Vernunft,

Reibt die Augen und gähnt und dehnt sich:

»Wo ist mein lieber Mensch?

Ist er zu neuen Taten gestärkt?« so ruft sie.

Der Alte hört die Stimme und fängt an zu zittern,

Der Mensch schämt sich, läßt Kegel und Kugel fallen,

Vernunft tritt ins Gemach.

»Ist der alte Wirrwarr schon wieder los geworden?«

Ruft Vernunft aus, »lässest du dich immer wieder locken

Von dem kindschen Greise, der selber nicht weiß

Was er beginnt?« –

Der Alte fängt an zu weinen,

Der Mantel wieder umgekehrt

Ihm um die Schultern gehängt,

Arm' und Beine festgebunden,[953]

Sitzt wieder grämlich da.

Sein Spielzeug eingepackt,

Ihm alles wieder ins Kleid gesteckt

Und Vernunft macht 'ne drohende Miene.

Der Mensch muß an die Geschäfte gehn,

Sieht den Alten nur von der Seite an

Und zuckt die Schultern über ihn.

»Warum verführt ihr mir den lieben Menschen!«

Grämelt der alte Phantasus,

»Ihr werdet ihn matt und tot noch machen,

Wird vor der Zeit kindisch werden,

Sein Leben nicht genießen.

Sein bester Freund sitzt hier gebunden,

Der es gut mit ihm meint.

Er verzehrt sich und möcht es gern mit mir halten,

Aber ihr Überklugen

Habt ihm meinen Umgang verleidet

Und wißt nicht, was ihr mit ihm wollt.

Schlaf ist weg und keiner steht mir bei.«


Der Morgen brach indessen an, die übrigen im Hause wurden munter, und Franz las dem Bildhauer seine Verse vor, der darüber lachte und sagte: »Auch dies Gedicht, mein Freund, rührt vom Phantasus her, man sieht es ihm wohl an, daß es in der Nacht geschrieben ist; dieser Mann hat, wie es scheint, Spott und Ernst gleich lieb.«

Das dunkle Gemach wurde erhellt, der Köhler trat mit seiner Frau herein. Franz lächelte über seine nächtliche Einbildung, er sah nun die Tür, die er immer gefürchtet hatte, deutlich vor sich stehn, nichts Furchtbares war an ihr sichtbar. Die Gesellschaft frühstückte, wobei der muntere Köhler noch allerhand erzählte. Er sagte, daß in einigen Tagen eine Nonne im benachbarten Kloster ihr Gelübde ablegen würde, und daß sich dann zu dieser Feierlichkeit alle Leute aus der umliegenden Gegend versammelten. Er beschrieb die Zeremonien, die dabei vorfielen, er freute sich auf das Fest, Sternbald schied von ihm und dem Pilgrim, und ging mit dem Bildhauer zur Stadt zurück.

Sternbald ließ sich im Kloster melden, er ward der Äbtissin vorgestellt, er betrachtete das alte Gemälde, das er auffrischen sollte. Es war die Geschichte der heiligen Genoveva, wie sie mit ihrem Sohne unter einsamen Felsen in der Wildnis sitzt, und von freundlichen, liebkosenden Tieren umgeben ist. Das Bild[954] schien alt, er konnte nicht das Zeichen eines ihm bekannten Künstlers entdecken. Denksprüche gingen aus dem Munde der Heiligen, ihres Sohnes und der Tiere, die Komposition war einfach und ohne Künstlichkeit, das Gemälde sollte nichts als den Gegenstand auf die einfältigste Weise ausdrücken. Sternbald war willens, die Buchstaben zu verlöschen und den Ausdruck der Figur zu erhöhen, aber die Äbtissin sagte: »Nein, Herr Maler, Ihr müßt das Bild im ganzen so lassen, wie es ist, und um alles ja die Worte stehenlassen. Ich mag es durchaus nicht, wenn ein Gemälde zu zierlich ist.«

Franz machte ihr deutlich, wie diese weißen Zettel alle Täuschung aufhöben und unnatürlich wären, ja wie sie gewissermaßen das ganze Gemälde vernichteten, aber die Äbtissin antwortete: »Dies alles ist mir sehr gleich, aber eine geistliche, bewegliche Historie muß durchaus nicht auf eine ganz weltliche Art ausgedrückt werden, Reiz, und was ihr Maler Schönheit nennt, gehört gar nicht in ein Bild, das zur Erbauung dienen und heilige Gedanken erwecken soll. Mir ist hier das Steife, Altfränkische viel erwünschter, dies schon trägt zu einer gewissen Erhebung bei. Die Worte sind aber eigentlich die Erklärung des Gemäldes, und diese gottseligen Betrachtungen könnt Ihr nimmermehr durch den Ausdruck der Mienen ersetzen. An der sogenannten Wahrheit und Täuschung liegt mir sehr wenig: wenn ich mich einmal davon überzeugen kann, daß ich hier in der Kirche diese Wildnis mit Tieren und Felsen antreffe, so ist es mir ein kleines, auch anzunehmen, daß diese Tiere sprechen, und daß ihre Worte hingeschrieben sind, wie sie selbst nur gemalt sind. Es entsteht dadurch etwas Geheimnisvolles, wovon ich nicht gut sagen kann, worin es liegt. Die übertriebenen Mienen und Gebärden aber sind mir zuwider. Wenn die Maler immer bei dieser alten Methode bleiben, so werden sie sich auch stets in den Schranken der guten Sitten halten, denn dieser Ausdruck mit Worten führt gleichsam eine Aufsicht über ihr Werk. Ein Gemälde ist und bleibt eine gutgemeinte Spielerei, und darum muß man sie auch niemals zu ernsthaft treiben.«

Franz ging betrübt hinweg, er wollte am folgenden Morgen anfangen. Das Gerüst wurde eingerichtet, die Farben waren zubereitet; als er in der Kirche oben allein stand, und in die trüben Gitter hineinsah, fühlte er sich unbeschreiblich einsam, er lächelte über sich selber, daß er den Pinsel in der Hand führe. Er fühlte, daß er nur als Handwerker gedungen sei, etwas zu machen, wobei ihm seine Kunstliebe, ja sein Talent völlig überflüssig[955] war. »Was ist bis jetzt von mir geschehen?« sagte er zu sich selber, »in Antwerpen habe ich einige Konterfeie ohne sonderliche Liebe gemacht, die Gräfin und Roderigo nachher gemalt, weil sie in ihn verliebt war, und nun stehe ich hier, um Denksprüche, schlecht geworfene Gewänder, Hirsche und Wölfe neu anzustreichen.«

Indem hatten sich die Nonnen zur Hora versammelt, und ihr feiner, wohlklingender Gesang schwung sich wundersam hinüber, die erloschene Genoveva schien darnach hinzuhören, die gemalten Kirchenfenster ertönten. Eine neue Lust erwachte in Franz, er nahm Palette und Pinsel mit frischem Mut und färbte Genovevens dunkles Gewand. »Warum sollte ein Maler«, sagte er zu sich, »nicht allenthalben, auch am unwürdigen Orte, Spuren seines Daseins lassen? Er kann allenthalben ein Monument seiner schönen Existenz schaffen, vielleicht daß doch ein seltener zarter Geist ergriffen und gerührt wird, ihm dankt, und aus den Trübseligkeiten sich eine schöne Stunde hervorsucht.« Er nahm sich nämlich vor, in dem Gesichte der Genoveva das Bildnis seiner teuren Unbekannten abzuschildern, so viel es ihm möglich war. Die Figuren wurden ihm durch diesen Gedanken teurer, die Arbeit lieber.

Er suchte in seiner Wohnung das Bildnis hervor, das ihm der alte Maler gegeben hatte, er sah es an, und Emma stand unwillkürlich vor seinen Augen. Sein Gemüt war wunderbar beängstigt, er wußte nicht, wofür er sich entscheiden solle. Dieser Liebreiz, diese Heiterkeit seiner Phantasie bei Emmas Angedenken, die lüsternen Bilder und Erinnerungen, die sich ihm offenbarten, und dann das Zauberlicht, das ihm aus dem Bildnisse des teuren Angesichts aus herrlicher Ferne entgegenleuchtete, die Gesänge von Engeln, die ihn dorthin riefen, die schuldlose Kindheit, die wehmütige Sehnsucht, das Goldenste, Fernste und Schönste, was er erwünschen und erlangen konnte, daneben Sebastians Freude und Erstaunen, dazwischen das Grab.

Die Verworrenheit aller dieser Vorstellungen bemächtigte sich seiner so sehr, daß er zu weinen anfing, und keinen Gedanken erhaschte, der ihn trösten konnte. Ihm war, als wenn seine innerste Seele in den brennenden Tränen sich aus seinen Augen hinausweinte, als wenn er nachher nichts wünschen und hoffen dürfte, und nur ungewisse, irrende Reue ihn verfolgen könne. Seine Kunst, sein Streben, ein edler Künstler zu werden, sein Wirken und Werden auf der Erde erschien ihm als etwas Armseliges, Kaltes und jämmerlich Dürftiges. In Dämmerung gingen[956] die Gestalten der großen Meister an ihm vorüber, er mochte nach keinem mehr die Arme ausstrecken; alles war schon vorüber und geendigt, wovon er noch erst den Anfang erwartete.

Er schweifte durch die Stadt, und die bunten Häuser, die Brücken, die Kirchen mit ihrer künstlichen Steinarbeit, nichts reizte ihn, es genau zu betrachten, es sich einzuprägen, wie er sonst so gern tat, in jedem Werke schaute ihn Vergänglichkeit und zweckloses Spiel mit trüben Augen, mit spöttischer Miene an. Die Mühseligkeit des Handwerkers, die Emsigkeit des Kaufmanns, das trostlose Leben des Bettlers daneben schien ihm nun nicht mehr, wie immer, durch große Klüfte getrennt: sie waren Figuren und Verzierungen von einem großen Gemälde, Wald, Bergstrom, Gebirge, Sonnenaufgang waren Anhang zur trüben, dunkeln Historie, die Dichtkunst, die Musik machten die Worte und Denksprüche, die mit ungeschickter Hand hineingeschrieben wurden. »Jetzt weiß ich«, rief er im Unmute aus, »wie dir zumute ist, mein vielgeliebter Sebastian, erst jetzt lese ich aus mir selber deinen Brief, erst jetzt entsetze ich mich darüber, daß du recht hast. So kann keiner dem andern sagen und sprechen, was er denkt; wenn wir selbst wie tote Instrumente, die sich nicht beherrschen können, so angeschlagen werden, daß wir dieselben Töne angeben, dann glauben wir den andern zu vernehmen.«

Die Melodie des Liedes von der Einsamkeit kam ihm ins Gedächtnis, er konnte es nicht unterlassen, das Gedicht leise vor sich hinzusingen, wobei er immer durch die Straßen lief, und sich endlich in das Getümmel des Marktes verlor.

Er stand im Gedränge still, und ihm fiel bei, daß vielleicht keiner von den hier bewegten unzähligen Menschen seine Gedanken und seine Empfindungen kenne, daß er schon oft selbst ohne Arg herumgewandert sei, daß er auch vielleicht in wenigen Tagen alles vergessen habe, was ihn jetzt erschüttre, und er sich dann wohl wieder klüger und besser als jetzt vorkomme. Wenn er so in sein bewegtes Gemüt sah, so war es, als wenn er in einen unergründlichen Strudel hinabschaute, wo Woge Woge drängt und schäumt, und man doch keine Welle sondern kann, wo alle Fluten sich verwirren und trennen, und immer wieder durcheinanderwirbeln, ohne Stillstand, ohne Ruhe, wo dieselbe Melodie sich immer wiederholt, und doch immer neue Abwechselung ertönt: kein Stillstand, keine Bewegung, ein rauschendes, tosendes Rätsel, eine endlose, endlose Wut des erzürnten, stürzenden Elements.[957]

Käufer und Verkäufer schrien und lärmten durcheinander, Fremde, die sich zurechtfragten, Wagen, die sich gewaltsam Platz machten. Alle Arten von Eßwaren umher gelagert, Kinder und Greise im Gewühl, alle Stimmen und Zungen zum verwirrten Unisono vereinigt. Nach der andern Seite drängte sich das Volk voll Neugier, und Franz ward von dem ungestümen Strome mit ergriffen und fortgezogen, er bemerkte es kaum, daß er von der Stelle kam.

Als er näher stand, hörte er durch das Geräusch der Stimmen, durch die öftere Unterbrechung, Fragen, Antworten und Verwunderung folgendes Lied singen:


»Wie über Matten

Die Wolke zieht,

So auch der Schatten

Vom Leben flieht.


Die Jahre eilen

Kein Stillestand,

Und kein Verweilen,

Sie hält kein Band.


Nur Freude kettet

Das Leben hier,

Der Frohe rettet

Die Zeiten schier.


Ihm sind die Stunden

Was Jahre sind,

Sind nicht verschwunden

Wer so gesinnt.


Ihm sind die Küsse

Der goldne Wein

Noch mal so süße

Im Sonnenschein.


Ihm naht kein Schatten

Vergänglichkeit,

Für ihn begatten

Sich Freud und Zeit.
[958]

Drum nehmt die Freude

Und sperrt sie ein,

Dann müßt ihr beide

Unsterblich sein.«


Es war ein Mädchen, die dieses Lied absang, indem kam Franz durch eine unvermutete Wendung dicht an die Sängerin zu stehn, das Gedränge preßte ihn an sie, und indem er sie genau betrachtete, glaubte er Ludovico zu erkennen. Jetzt hatte ihn der Strom von Menschen wieder entfernt, und er konnte daher seiner Sache nicht gewiß sein, ein Leierkasten fiel ihm mit seinen schwerfälligen Tönen in die Ohren, und eine andre Stimme sang:


»Aus Wolken kommt die frohe Stunde,

O Mensch gesunde,

Laß Leiden sein und Bangigkeit

Wenn Liebchens Kuß dein Herz erfreut.


In Küssen webt ein Zaubersegen,

Drum sei verwegen,

Was schadet's, wenn der Donner rollt,

Wenn nur der rote Mund nicht schmollt.«


Franz war erstaunt, denn er glaubte in diesem begleitenden Sänger Florestan zu erkennen. Er war wie ein alter Mann gestaltet, und verstellte, wie Sternbald glaubte, auch seine Stimme; doch war er noch zweifelhaft. – In kurzer Zeit hatte er beide aus den Augen verloren, sosehr er sich auch bemühte, sich durch die Menschen hindurchzudrängen.

Die beiden Gestalten lagen ihm immer im Sinne, er ging zum Kloster zurück, aber er konnte sie nicht vergessen, er wollte sie wieder aufsuchen, aber es war vergebens. Indem er malte, kam die Äbtissin mit einigen Nonnen hinzu, um ihm bei der Arbeit zuzusehn, die größte von ihnen schlug den Schleier zurück, und Franz erschrak über die Schönheit, über die Majestät eines Angesichts, die ihm plötzlich in die Augen fielen. Diese reine Stirn, diese großen dunkeln Augen, das schwermütige, unaussprechlich süße Lächeln der Lippen nahm sein Auge gleichsam mit Gewalt gefangen, sein Gemälde, jede andre Gestalt kam ihm gegen diese Herrlichkeit trübe und unscheinbar vor. Er glaubte auch noch nie einen so schlanken Wuchs gesehen zu haben, ihm[959] fielen ein paar Stellen aus alten Gedichten ein, wo der Dichter von der siegenden Gewalt der Allerholdseligsten sprach, von der unüberwindlichen Waffenrüstung ihrer Schöne. – Ein altes Lied sagte:


Laß mich los, um Gottes willen

Gib mich armen Sklaven frei,

Laß die Augen dir verhüllen,

Daß ihr Glanz nicht tödlich sei.


Mußt du mich in Ketten schleifen

Stärker als von Demantstein?

Muß das Schicksal mich ergreifen,

Ich ihr Kriegsgefangner sein? –


»Wie«, dachte Sternbald, »muß dem Manne sein, dem sich diese Arme freundlich öffnen? dem dieser heilige Mund den Kuß entgegenbringt? Die Grazie dieser übermenschlichen Engelsgestalt ganz sein Eigentum!«

Die Nonne betrachtete das Gemälde und den Maler in einer nachdenklichen Stellung, keine ihrer Bewegungen war lebhaft, aber wider Willen ward das Auge nachgezogen, wenn sie ging, wenn sie die Hand erhob, das Auge war entzückt, in den Linien mitzugehn, die sie beschrieb. Franz gedachte an Roderigos Worte, der von der Gräfin gesagt hatte, daß sie in Bewegungen Musik schriebe, daß jede Biegung der Gelenke ein Wohllaut sei.

Sie gingen fort, der Gesang der Nonnen erklang wieder. Franz fühlte sich verlassen, daß er nicht neben der schönen Heiligen knien konnte, ganz in An dacht hingegossen, die Augen dahin gerichtet, wohin die ihrigen blickten, er glaubte, daß das allein schon ein höchst seliges Gefühl sein müsse, nur mit ihr dieselben Worte zu singen, zu denken. Wie widerlich waren ihm die Farben, die er auftragen, die Figuren, die er neu beleben sollte!

Auf den Abend sprach er den Bildhauer. Er schilderte ihm die Schönheit, die er gesehn hatte, Augustin schien beinahe eifersüchtig. Er erzählte, wie es dasselbe Mädchen sei, das in kurzem das Gelübde ablegen werde, von der der Köhler gesprochen habe, sie sei mit ihrem Stande unzufrieden, müsse sich aber dem Willen der Eltern fügen. »Ihr habt recht«, fuhr er gegen Franz fort, »wenn Ihr sie eine Heilige nennt, ich habe noch nie eine Gestalt gesehn, die etwas so Hohes, so Überirdisches ausgedrückt hätte. Und nun denkt Euch diesen züchtigen Busen entfesselt,[960] diese Wangen mit Scham und Liebe kämpfend, diese Lippen in Küssen entbrannt, das große Auge der Trunkenheit dahingegeben, dies Himmlische des Weibes im Widerspruch mit sich selbst und doch ihre schönste Bestimmung erfüllend – oh, wer auf weiter Erde ist denn glückseliger und gebenedeiter, als dieser ihr Geliebter? Höhere Wonne wird auf dieser magern Erde nicht reif, und wem diese bescheret ist, vergißt die Erde und sich, und alles!«

Er schien noch weitersprechen zu wollen, aber plötzlich brach er ab, und verließ Sternbald, der im unnützen Nachsinnen verloren war.

Franz hatte noch keine seiner Arbeiten mit dieser Unentschlossenheit und Beklemmung gemacht, er schämte sich eigentlich seines Malens an diesem Orte, besonders in Gegenwart der majestätischen Gestalt. Sie besuchte ihn regelmäßig und betrachtete ihn genau. Ihre Gestalt prägte sich jedesmal tiefer in seine Phantasie, er schied immer weniger gern.

Die Malerei ging rascher fort, als er sich gedacht hatte. Die Genoveva machte er seiner teuren Unbekannten ähnlich, er suchte den Ausdruck ihrer Physiognomie zu erhöhen, und den geistreichen Schmerz gut gegen die unschuldigen Gesichter der Tiergestalten abstechen zu lassen. Wenn die Orgel zuweilen ertönte, fühlte er sich wohl selbst in schauerliche Einsamkeit entrückt, dann fühlte er Mitleid mit der Geschichte, die er darstellte, ihn erschreckte dann der wehmütige Blick, den die Unbekannte von der Wand herab auf ihn warf, die Tiere mit ihren Denksprüchen rührten ihn innerlich. Aber fast immer sehnte er sich zu einer andern Arbeit hin.

Manchmal glaubte er, daß die schöne Nonne ihn mit Teilnahme und Rührung betrachte, denn es schien zuweilen, als wenn sie jeden seiner Blicke aufzuhaschen suchte, sooft er die Augen auf sie wandte, begegnete er ihrem bedeutenden Blicke. Er wurde rot, der Glanz ihrer Augen traf ihn wie ein Blitz. Die Äbtissin hatte sich an einem Morgen auf eine Weile entfernt, die übrigen Nonnen waren nicht zugegen, und Sternbald war gerade unten am Gemälde beschäftigt, als das schöne Mädchen ihm plötzlich ein Papier in die Hand drückte. Er wußte nicht, wie ihm geschah, er verbarg es schnell. Die wunderbarste Zeit des Altertums mit allen ihren ungeheuren Märchen, dünkte ihm, wäre ihm nahegetreten, hätte ihn berührt, und sein gewöhnliches Leben sei auf ewig völlig entschwunden. Seine Hand zitterte, sein Gesicht glühte, seine Augen irrten umher, und scheuten[961] sich, den ihrigen zu begegnen. Er schwur ihr im Herzen Treue und feste Kühnheit, er unternahm jegliche Gefahr, ihm schien es Kleinigkeit, das Gräßlichste um ihrentwillen zu unternehmen. Er sah im Geiste Entführung und Verfolgung vor sich, er flüchtete sich schon in Gedanken zu seiner Genoveva in die unzugängliche Wüste.

»Wer hätte das gedacht«, sagte er zu sich, »als ich zuerst den steinernen Fußboden dieses Klosters betrat, daß hier mein Leben einen neuen Anfang nehmen würde? daß mir das gelingen könne, was ich für das Unmöglichste hielt?«

Indem versammelten sich die Nonnen auf dem Chor, die Glocke schlug ihre Töne, die ihm ins Herz redeten, man ließ ihn allein, und der herzdurchdringende, einfache Gesang hob wieder an. Er konnte kaum atmen, so schienen ihn die Töne wie mit mächtigen Armen zu umfassen und sich dicht an seine entzückte Brust zu drücken.

Als alles wieder ruhig war, als er sich allein befand, nahm er den Brief wieder hervor, seine Hand zitterte, als er ihn erbrechen wollte, aber wie erstaunte er, als er die Aufschrift: An Ludovico, las! – Er schämte sich vor sich selber, er stand eine Weile tief nachsinnend, dann arbeitete er mit neuer Inbrunst am Antlitz seiner Heiligen weiter, er konnte den Zusammenhang nicht begreifen, alle seine Sinne verwirrten sich. Das Gemälde schien ihn mit seinen alten Versen anzureden, Genoveva ihm seine Untreue, seinen Wankelmut vorzuwerfen.

Es war Abend geworden, als er das Kloster verließ. Er ging über den Kirchhof nach dem Felde zu, als ihm wieder die dumpfen Leiertöne auffielen. Der Alte kam auf ihn zu und nannte ihn bei Namen. Es war niemand anders als Florestan.

Sternbald konnte sich vor Erstaunen nicht finden, aber jener sagte: »Sieh, mein Freund, dies ist das menschliche Leben, wir nahmen vor kurzem so wehmütig Abschied voneinander, und nun triffst du mich so unerwartet und bald wieder, und zwar als alten Mann. Sei künftig niemals traurig, wenn du einen Freund verlässest. Aber hast du nichts an Ludovico abzugeben?«

Sternbald ahndete nun den Zusammenhang, mit zitternder Hand gab er ihm den Brief, den er von der Nonne empfangen hatte. Florestan empfing ihn freudig. Als Franz ihn weiter befragte, antwortete er lustig: »Sieh, mein Freund, wir sind jetzt auf Abenteuer, Ludovico liebt sie, sie ihn, in wenigen Tagen will er sie entführen, alle Anstalten dazu sind getroffen, ich führe[962] bei ihm ein Leben wie im Himmel, alle Tage neue Gefahren, die wir glücklich überstehn, neue Gegenden, neue Lieder und neue Gesinnungen.«

Franz wurde empfindlich. »Wie?« sagte er im Eifer, »soll auch sie ein Schlachtopfer seiner Verführungskunst, seiner Treulosigkeit werden? Nimmermehr!«

Rudolph hörte darauf nicht, sondern bat ihn, nur einen Augenblick zu verweilen, er müsse Ludovico sprechen, würde aber sogleich zurückkommen. Vor allen Dingen aber solle er dem Bildhauer Bolz nicht ein Wort davon entdecken.

Franz blieb allein und konnte sich über sich selbst nicht zufriedengeben, er wußte nicht, was er zu allem sagen solle. Er setzte sich unter einem Baume nieder, und Rudolph kam nach kurzer Zeit zurück. »Hier, mein liebster Freund«, sagte dieser, »diesen Zettel mußt du morgen deiner schönen Heiligen übergeben, er entscheidet ihr Schicksal.«

»Wie?« rief Franz bewegt aus, »soll ich mich dazu erniedrigen, das herrlichste Geschöpf vernichten zu helfen? Und du Rudolph kannst mit diesem Gleichmute ein solches Unternehmen beginnen? Nein, mein Freund, ich werde sie vor dem Verführer warnen, ich werde ihr raten, ihn zu vergessen wenn sie ihn liebt, ich werde ihr erzählen, wie er gesinnt ist.«

»Sei nicht unbesonnen«, sagte Florestan, »denn du schadest dadurch dir und allen. Sie liebt ihn, sie zittert vor dem Tage ihrer Einkleidung, die Flucht ist ihr freier Entschluß, was geht dich das übrige an? Und Ludovico wird und kann ihr nicht niedrig begegnen. – Seit er sie kennt, ist er, möchte ich sagen, durchaus verändert. Er betet sie an, wie ein himmlisches, überirdisches Wesen, er will sie zu seiner Gattin machen, und ihr die Treue seines Lebens widmen. Aber lebe wohl, ich habe keine Zeit zu verlieren, sprich zum Bildhauer kein Wort, ich lasse dir den Brief, denn du bist mein und Ludovicos Freund, und wir trauen dir beide keine Schändlichkeit zu.«

Mit diesen Worten eilte Florestan fort, und Sternbald ging zur Stadt zurück. Er wich dem Bildhauer aus, um sich nicht zu verraten. Am folgenden Morgen erwartete er mit Herzklopfen die Gelegenheit, mit der er der schönen Nonne das Billet zustecken könne. Sie nahm es mit Erröten, und verbarg es im Busen. Über ihr lilienweißes Gesicht legte sich ein so holdes Schamrot, ihre gesenkten Augen glänzten so hell, daß Franz ein vom Himmel verklärtes Wesen vor sich zu sehen glaubte. Sie schien nun ein Vertrauen zu Franz zu haben und doch seine Augen zu fürchten,[963] ihre Majestät war sanfter und um so lieblicher. Franz war im innersten Herzen bewegt.

Die Zeit verging, die Arbeit am Gemälde nahte sich ihrer Vollendung. Bolz schien mit einem großen Unternehmen schwanger zu gehen, seinem Freunde Sternbald sich aber nicht ganz vertrauen zu wollen. An einem Morgen, als er wieder zum Malen ging, es war der letzte Tag seiner Arbeit, fand er das ganze Kloster in der größten Bewegung. Alle liefen unruhig durcheinander, man suchte, man fragte, man erkundigte sich, die schöne Novize ward vermißt, der Tag ihrer Einkleidung war ganz nahe. Sternbald ging schnell an seine Arbeit, sein Herz war unruhig, er war ungewiß, ob er sich etwas vorzuwerfen habe.

Wie freute er sich, als er nun das Gemälde vollendet hatte, als er wußte, daß er das Kloster nicht mehr zu besuchen brauche, in welchem die Schönheit nicht mehr war, die seine Augen nur zu gern aufgesucht hatten. Er erhielt von der Äbtissin seine Bezahlung, betrachtete das Gemälde noch einmal, und ging dann übers Feld nach der Stadt zurück.

Er zitterte für seine Freunde, für die schöne Nonne; er suchte den Bildhauer auf, der aber nirgends anzutreffen war. Er verließ schon am folgenden Morgen die Stadt, um sich endlich Italien zu nähern, und Rom den erwünschten Ort zu sehn.

Gegen Mittag fand er am Wege den Bildhauer Bolz liegen, der ganz entkräftet war. Franz erstaunte nicht wenig, ihn dort zu finden. Mit Hülfe einiger Vorüberwandernden brachte er ihn ins nahe Städtchen, er war verwundet, entkräftet und verblutet, aber ohne Gefahr.

Franz sorgte für ihn, und als sie allein waren, sagte Augustin: »Ihr trefft mich hier, mein Freund, gewiß gegen Eure Erwartung an, ich härte Euch mehr vertrauen, und mich früher Eurer Hülfe bedienen sollen, so wäre mir dies Unglück nicht begegnet. Ich wollte die Nonne, die man in wenigen Tagen einkleiden wollte, entführen, ich beredete Euch deshalb, Euch im Kloster dort zu verdingen. Aber man ist mir zuvorgekommen. In der verwichenen Nacht traf ich sie in Gesellschaft von zwei unbekannten Männern, ich fiel sie an und ward überwältigt. Ich zweifle nicht, daß es ein Streich von Roderigo ist, der sie kannte, und sie schon vor einiger Zeit rauben wollte.«

Franz blieb einige Tage bei ihm, bis er sich gebessert hatte, dann nahm er Abschied, und ließ ihm einen Teil seines Geldes zur Pflege des Bildhauers zurück.[964]

Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden, Band 1, München 1963, S. 942-965.
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