3. Francesco an Adriano

[596] Rom.


Ich bin Ihrem Rate gefolgt und ich finde, daß selbst Unbequemlichkeiten bei weitem nicht so unbequem sind, als man sich im Anfange vorstellt. Andrea hat mein verändertes Betragen bemerkt, aber er scheint keine besondre Teilnahme darüber zu äußern. Es ist wirklich gut, daß Sie mich in Ihrem neulichen Briefe auf alles aufmerksam gemacht haben. Warum sollen wir denn nicht auf unsre eigne Hand vernünftig sein dürfen, und immer nur auf die Bestätigung dieses Andrea warten? Darf er denn nur unserm Kopfe das Privilegium erteilen, zu denken? Ich könnte es niemals übers Herz bringen, irgendeinen Menschen auf eine ähnliche Art zu beherrschen; ich würde mich vor mir selber schämen.

Hat denn nicht jede Schule und jede Sekte etwas sehr Verächtliches? Muß jeder Stifter und jedes Oberhaupt einem Bärenführer gleichen, der seine Untergebenen zu gewissen Künsten abrichtet, die sie nach seinem Belieben wiederholen? Warum soll ich nun nicht so denken dürfen, wie mir der Kopf gewachsen ist? –

Ich habe an Rosa geschrieben und ich bin auf die Antwort begierig.

Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden, Band 1, München 1963, S. 596.
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