10. Der Baron Burton an den Advokaten Jackson

[393] Bondly.


Ich bin Ew. Wohledlen für die Nachrichten, die mir Dieselben durch den jungen Fenton haben zukommen lassen, außerordentlich verbunden. Ich freue mich sehr über den Eifer und über die Tätigkeit, womit Sie unaufhörlich zu meinem Besten beschäftigt sind; ich gebe Ihnen von neuem die Versicherung meiner ewigen unveränderlichen Dankbarkeit. Ich bin überzeugt, daß Ihre Bemühungen nun bald sichtbarere Folgen haben werden, die bis jetzt ein ungünstiger Zufall immer noch zurückgehalten hat. Eilen Sie aber, damit meine Hoffnungen nicht immer nur Hoffnungen bleiben, damit ich endlich aufhöre, mit jedem Tage wieder meinen Genuß auf viele Tage aufzuschieben. Ich bin alt, und nicht mehr so für Hoffnungen gemacht, wie der jüngere Mann; die Unentschiedenheit ängstigt mich, und je gewisser ich meiner Sache zu sein glaube, um so mehr Einwürfe und Zweifel fallen mir wieder ein: alles dies beschäftigt meine Seele zu sehr, und macht sie unruhig. Das Alter kann diese Wogen nicht so leicht in Ruhe legen, als der Jüngling. Vor zwanzig Jahren würde mich dieser Prozeß beschäftigt und zugleich unterhalten haben; aber jetzt kann ich nur in dem entscheidenden Moment einen freudigen[393] Moment erblicken. Sie sehen, wie fest ich darauf vertraue, daß sich alles zu meinem Vorteile entscheiden wird, aber Sie sehn auch zugleich, wie nötig es ist, daß Sie meinen Besorgnissen so früh als möglich ein Ziel setzen. Denn ich finde es sehr natürlich und billig, daß Sie in Ihrer Lage durch Aufschub und Verlängerung meine Dankbarkeit verlängern und meine Verbindlichkeit vermehren wollen. Sie glauben, daß ich jetzt in einer gewissen Abhängigkeit von Ihnen existiere, bei der Sie unvermerkt einen Teil meiner Schwächen nach dem andern für sich erobern können. Ich finde an dieser Klugheit nichts zu tadeln, sondern sie ist lobenswürdig, und der ist ein Tor, der in dem verworrenen Wechsel des Lebens nicht die wiederkehrende Flut geschickt benutzt, um sein Fahrzeug flottzumachen. Sie sehen, wie sehr ich Ihren Verstand schätze; nur muß ich Ihnen sagen, daß Ihre Klugheit bei mir unnütz ist, der ich mich Ihnen außerordentlich verbunden erkenne, wenn der Prozeß auch morgen geendigt ist, und der ich Sie grade ebenso belohnen würde, als wenn das Endurteil noch einige Jahre hindurch von einem Tage zum andern aufgeschoben würde. Sie können auf die Art alle Interessen, die Sie gewinnen wollen, auf eine weit schnellere und entschiedenere Art zusammenziehn, als wenn Sie auf ein langweiliges Sparen ausgingen, das am Ende denn doch ungewiß sein dürfte. Für Ihre Sorgfalt mir den jungen Fenton zu schicken, muß ich Ihnen Dank sagen; nur gestehe ich Ihnen zugleich, daß ich die Notwendigkeit dieser Abgesandtschaft nicht eingesehen habe. Durften Sie alle diese nicht außerordentlich bedeutenden Nachrichten keiner Post vertrauen? In diesem Falle treiben Sie die Besorglichkeit zu weit, und kein Mann handelt gut und richtig, wenn er ängstlich handelt. Sie dürfen also nur künftig dreister verfahren, und nicht einen Mitwisser unsers Geheimnisses erschaffen, der uns beiden auf jeden Fall zur Last fällt. Wenigstens kommt es meinem Verstande so vor, und ich denke, auch Sie werden mir darin vollkommen recht geben, denn jeder andre, als ich, würde dadurch in Ihrer Hand stehn, und einem so billigen Manne, wie Sie, muß es weh tun, wenn man auch nur auf einen Augenblick einen solchen Gedanken von ihm hegen könnte. Ich würde mich aber auf keinen Fall abhalten lassen, so zu handeln, wie ich mir zu handeln vorgesetzt habe. Ich habe schon oft mit meinen Freunden über den Satz gestritten, daß es so gut wie unmöglich sei, einem Manne, dem seine Plane ernst sind, das Kleinste oder das Größte in den Weg zu legen, das er nicht wieder fortschaffen, oder selbst zu seinem Vorteile brauchen könnte.[394] Ich habe schon manchen meiner Verfolger mit seinen eigenen Waffen geschlagen; denn nichts ist dem Manne von Kopf unerträglicher, als zu sehn, wie jeder nach den Fäden greifen will, an denen er regiert wird; ich halte es nicht für unmöglich, sie alle durchzuschneiden, so daß dann der Mensch frei und ungehindert seinen Weg fortgeht. Ew. Wohledlen sind mir auch noch den letzten meiner Briefe schuldig, den Sie mir nach unserm Übereinkommen sogleich hätten zurückschicken sollen. Sie verzeihen, daß ich Sie an diese Zerstreuung erinnert habe, ebenso, daß ich Ihnen mit einem so weitläuftigen Briefe zur Last gefallen bin. Die Zeit eines jeden Geschäftsmannes ist edel und fast unbezahlbar; ich bitte um Vergebung, wenn ich Ihre bessere Gedanken mit meinen schlechten unterbrochen habe; sollte ich aber so glücklich gewesen sein, Ihren Eifer von neuem zur Beschleunigung des Prozesses etwas anzufeuren, so haben wir beide bei diesem kleinen Stillstande gewonnen, und in dieser Hoffnung bin ich

Ihr Gönner und Freund Burton.

Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden, Band 1, München 1963, S. 393-395.
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