13. William Lovell an seinen Vater

[285] Paris.


Ihr Brief hat mich sehr betrübt, zärtlichster Vater – o ich möchte zurückeilen, um Sie zu sehn, wenn ich nicht Ihr Verbot und Ihren Unwillen fürchtete. Sie sind krank, und ich soll Sie nicht verpflegen? Traurig, und ich soll Sie nicht trösten? Sie selbst verlangen, daß ich die Pflichten des Sohnes nicht erfüllen soll? Sie wünschen mir Glück, und ich kann mir itzt kein anderes Glück denken. Sie in Gefahr und ich fern von Ihnen! Bis ich wieder einen Brief von Ihnen, mit der Nachricht Ihrer Besserung erhalte, gibt es keine Freude, ja keine andre Vorstellung für mich; ich sehe Sie nur schmachtend auf Ihrem Krankenlager, ich höre Ihre Seufzer, und ein Verbrecher würd ich mir scheinen, wenn ich jetzt fröhlich sein könnte. O ich beschwöre Sie; mir sogleich, mit jeder Post, wieder Nachrichten zukommen zu lassen. Mit zitternden Händen werde ich den nächsten Brief von Ihnen, noch eher als den meines Freundes, erbrechen.

Neuigkeiten werden Sie von mir nicht erwarten; ich bin wohl, soweit man es beim Bewußtsein sein kann, daß ein geliebter Vater leidet. In einigen Wochen werd ich Paris verlassen; – ich habe hier einen Freund gefunden, einen Jüngling von vortrefflichem Herzen, Balder, einen Deutschen. Er wird mit mir die Reise nach Italien machen. Sein Sie unbesorgt, diesem darf ich trauen, auch Mortimer schätzt ihn. – Ein Italiener, Rosa, wird uns auch begleiten; seine Bekanntschaft wird mir in Italien manche Vorteile verschaffen, er hat viel Verstand und feine Welt, aber mein Freund wird er nicht leicht werden können. – Ich hoffe in Ihrem nächsten Briefe zu erfahren, daß Sie gänzlich wiederhergestellt sind; bis dahin werde ich in beständiger Furcht leben.

Nachschrift. Der alte Willy ist über Ihre Krankheit sehr traurig, er hat durchaus ein Blatt an Sie einlegen wollen, und ich habe es dem alten ehrlichen Manne nicht abschlagen mögen.[285]

Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden, Band 1, München 1963, S. 285-286.
Lizenz:
Kategorien: