Kritik

[97] Da oben spielen sie ein schweres Drama

mit Weltanschauung, Kampf von Herz und Pflicht:

Susannen attackiert ein ganz infama

Patron und läßt sie nicht.


Ich sitze im Parkett und zück den Faber

und schreibe auf, ob alles richtig sei;

Exposition, geschürzter Knoten – aber

ich denk mir nichts dabei.


Mein Herz weilt fromm bei jenem lieben Kinde,

das lächelnd eine Kindermagd agiert:

ich streichle ihr im Geiste sehr gelinde,

was sie so lieblich ziert,


Nun sieh mal einer diese süßen Pfoten,

dies Seidenhaar mit einem Häubchen drauf –

es gibt da sicher manch geschürzten Knoten:

ich löst ihn gerne auf.


Wer sagte da, daß ich nicht sachlich bliebe?

(Nu sieh mal einer dieses schlanke Bein!)

Begeisterung, Freude am Beruf und ›Liebe‹ –:

So soll es sein!


  • · Ignaz
    Die Schaubühne, 05.06.1913, Nr. 22, S. 617, wieder in: Fromme Gesänge.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 1, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 97.
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