Schall und Rauch

[129] Der Name ists, der Menschen zieret,

weil er das Erdenpack sortieret –

bist du auch dämlich, schief und krumm:

Du bist ein Individuum.


Hier sieht man nun den Dichter walten.

Er schafft nicht nur die Dichtgestalten,

nein, er benamset auch sein Kind –

und nennt es Borkman oder Gynt.


Wie aber, wenn er in den Dramen

gediegne bürgerliche Namen

benutzt und jener Bürger klagt,

damits der Richter untersagt?


»Du wirst dich von dem Namen trennen!

Mußt du ihn grade Barnhelm nennen?«

Der Richter schüttelt das Barett:

»Der Name macht den Kohl nicht fett!«


Und kurz: Wir werden was ertragen!

Schon sieht man Doktor Tassow klagen,

mit ihm in trautestem Verein

den Grünkramhändler Wallenstein.


Dem Dichter fällt in seine Leier

auch der Ap'theker Florian Geyer –

dem Dichter grausts mit einem Mal:

Er numeriert sein Personal.


Wie nennt man nun die Rechtsgelehrten,

die uns mit diesem Spruch beehrten?

Wie nennt man also dies Gericht?

Hier weiß ich keinen Namen nicht.


  • [129] · Theobald Tiger
    Die Schaubühne, 20.11.1913, Nr. 47, S. 1151.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 1, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 129-130.
Lizenz:
Kategorien: