Nachruf

[50] Gehaßt, weil du Konkursverwalter

der Pleitefirma Deutsches Reich,

liegst du zerschossen als ein kalter

und toter Mann – und Deutschland ist das gleich.


Es kostet nichts. In Blutkapiteln

erlebten wirs – was kriegt solch Vieh?

Den Auslandspaß – ›Nichts zu ermitteln‹:

so kämpft der Geist der Monarchie.


Gehaßt, weil du Zivilcourage

den Herren vom Monokel zeigst –

weil du schon Siebzehn die Blamage

der Ludendörffer nicht verschweigst . . .[50]


Das kann der Deutsche nicht vertragen:

daß einer ihm die Wahrheit sagt,

daß einer ohne Leutnantskragen

den Landsknechtgeist von dannen jagt.


So fielst du.

Hinter deiner Bahre

gehn grinsend, die den Mord gewollt:

in Uniform und im Talare

der wildgewordne Teutobold.


Und wie dein Blut die Steine netzte,

da atmet auf das Militär.

Es kondoliert, wer grad noch hetzte . . .

Du warst der Erste nicht – bist nicht der Letzte.

Prost Helfferich!

Der kommt nicht mehr.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 08.09.1921, Nr. 36, S. 245.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 3, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 50-51.
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