Reisende, meidet Bayern!

[10] Die Verfassung sieht zwar die Deutsche Republik als ein einheitliches Gebiet an – aber die bayerische Polizei kümmert das einen Schmarrn. Sie verhängt über die Zureisenden Verordnungen und Strafen, schreibt den Reisenden eine Meldefrist vor, verlangt Einreisebewilligungen, die schwerer zu haben sind als ein Paß nach Nikaragua, und schikaniert Deutsche in der unerhörtesten Weise. Wer nicht einen nationalen Bierbauch bayerischer Provenienz hat, ist ein ›Fremder‹. Der münchner Polizeipräsident Poehner mißbraucht die bestehenden, zu Unrecht bestehenden Verordnungen zu politischen Schikanen – kurz: der nichtbayerische Reisende ist den Quälereien einer größenwahnsinnigen Partikularistenblase ausgesetzt. Dagegen gibt es eine Waffe.

Fahrt nicht nach Bayern –!

Ein nicht eben kleiner Teil, besonders des südlichen Bayern, lebt von den Fremden. Wenn nun auch die Besitzer der großen Hotels in Garmisch oder Tegernsee selbstverständlich dafür sorgen, daß – durch Schiebungen bei den Gemeindevorständen – die großen Zahler unbehelligt bleiben: es widerspricht den Begriffen von Anständigkeit, wenn[10] diese lächerliche Kahr-Regierung ihre Verfügungen bis nach Berlin heraufsendet, Papiere und Formulare vorschreibt und die Reisenden wie Kontrollmädchen dauernd unter Aufsicht hält. Warum fahrt ihr hin? Um euch belästigen zu lassen?

Schon hat sich der münchner Fremdenverein gegen diesen Unfug gewandt. Wir Norddeutsche haben es in der Hand, die bayerische Regierung zu belehren, daß sie nicht in Ungarn wirtschaftet. Denn in diesem Punkt sind auch die Bauern empfindlich – wenn sie merken, daß es an den Geldbeutel geht, werden sie tücksch. Weshalb fahrt ihr noch nach Bayern?

Es gibt andre schöne Landstriche Deutschlands, deren Verwaltungen den Reisenden das Leben minder sauer machen. Es gibt in Schlesien, im Norden, im Westen genug landschaftliche Schönheiten. Von Österreich und Tirol zu schweigen, wo die Valuta für uns günstig ist. Bayern hat kein Monopol.

Niemand von uns hat den Bayern verargt, daß sie sich dagegen schützen, von norddeutschen Schiebern ausgekauft zu werden. Davon ist hier aber nicht die Rede. Was da unten verübt wird, ist klarer Preußenhaß der dümmsten und politische Eisenstirnigkeit der schlimmsten Sorte. Aber brauchen wir das Land –?

Fahrt nicht mehr nach Bayern, wenn man euch schikaniert! Boykottiert es. Und wenn ihr schon eine längere Reise macht, dann fahrt nach Italien. Der Stand der Münze ist dort nicht allzu hoch, die Reise ist nur ein wenig teurer, und die Menschen und ihre Beamten behandeln euch anständig und höflich. Und besser als der bayerische Bundesstaat.

Wollt ihr euer Geld Leuten in den Rachen werfen, die euch belästigen?


  • · Ignaz Wrobel
    Die Weltbühne, 27.01.1921, Nr. 4, S. 114.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 3, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 10-11.
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