König contra Reimann

[376] Hans Reimann und ich, wir halten es, den Naturgesetzen durchaus zuwider, so: Jedes Mal, wenn er ein Ei gelegt hat, gackere ich – und dann freut er sich und legt noch eins.

Aber diesmal gemahnt mich nicht allein das hübsche Ei (Hans Reimanns ›Kabarettbuch‹) an meine Pflicht, sondern vor allem die reizende Bemalung, die ihm der Verleger Paul Steegemann mit auf den Weg gegeben hat.

[376] Reimanns Humor wandelt zur Zeit seltsame Wege. Es hat sich auf seinem Planeten eine neue Pflanze herausgebildet, ein stachliger, eigentlich durchaus unzugänglicher und mit dem Verstand der Verständigen nicht mehr faßbarer Humor, ein Gemisch von Wortspielen, falschen Assoziationen, Versmaßen, die kaum noch notdürftig aufrecht erhalten werden. Dialektbrei und bessern Ohnanständigkeiten . . . oben am Himmel verbleicht der Morgenstern; ein neues Gestirn: der Ringelnatz zieht auf . . . es ist eine jokose Landschaft. (In der, nicht zu vergessen, der Schachtelwitz blüht: Worte werden mit der Silbe, mit der sie enden, an Worte angesetzt, die mit dieser Silbe beginnen – und die Silbe wird nicht wiederholt. (Merk: Schamharfe, Ufagott, Deklavier. Entwurf: Lo H. Zwei Klammern zu.))

Ja, dies Büchlein ist sehr komisch, und Gott bewahre uns vor den Nachahmern. Das werden wohl alle Redakteure wissen: zur Zeit ist es vor tiefsinnigem Stumpfsinn nicht auszuhalten. Früher fertigten die Herren Einsender ›Verse à la Busch‹, dann plünderten sie Morgenstern, den heute schon jeder bessere junge Herr am Schnürchen hat, dann kam Walter Mehring, und augenblicklich kriegen wir tiefsinnige Melangen von Reimann und Ringelnatz. Aber auch dieses wird wohl vorübergehn.

Ja, also die Ei-Bemalung. Der Verlegermeister Paul Steegemann hat dem Buch einen Reklameanhang beigegeben, worin sich – unterbrochen von dem sehr freundlichen Verriß Reimanns durch einen ernsten deutschen Mann – eine Kostbarkeit allerersten Ranges befindet: die Einstweilige Verfügung des Geenijs gegen den Schriftsteller H. R.

Wir Republikaner haben schon ulkige Könige. Wenn sie nicht dumme Bücher schreiben und auf Kosten ihrer Untertanen einen Haushalt führen, der ihnen nicht zukommt, dann sind sie augenkrank und schielen nach dem Thron. Nun hat man gedacht, einer wäre doch wenigstens eine Ausnahme: der Geenij. Wie heißt »Ja, Kuchen!« auf säcksch?

Mit welcher Nettigkeit hat Reimann ihn unsterblich gemacht! Wie freundlich hat er den pensionierten Mann durch einen milden Nachkriegskakao gezogen! Mit welchem Geschmack ist das geschrieben! An keiner Stelle ein billiger Witz gegen den Abgesetzten, sondern immer nur Spott gegen das Land, gegen die Denkart, gegen die Diskrepanz: Person – Amt und gegen die Zeit. Und was meinen Sie, tut jener? Er erläßt. Diesmal kein ›An mein Volk‹, sondern eine Einstweilige Verfügung.

Ist nun schon an sich komisch, einen ehemaligen König wie eine Marktfrau zu Gericht laufen zu sehen (das natürlich stramm stand) – wie klein ist das, wie murksig, wie wenig Humor liegt darin!

Ein Mann von Welt hätte Hans Reimann zum Tee eingeladen und mit ihm über das Buch gelacht. Im Nu hätte Friedrich August die Oberhand[377] gehabt. Aber was will man von einem deutschen Fürsten verlangen? Böse Untertanen verderben gute Sitten.

Ich habe auf der Schule gelernt, die Franzosen hätten für das deutsche ›Humor‹ kein Wort und keinen Begriff. Vielleicht ist das richtig. Sie haben das Wort ›plaisanterie‹. Und wir verstehen keinen Spaß.


  • · Peter Panter
    Die Weltbühne, 03.04.1924, Nr. 14, S. 452.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 3, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 376-378.
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