Richters Namenszug

[21] Der Polizeipräsident von Berlin, Wilhelm Richter, berichtigt: »Ich habe niemals von Herrn Julius Barmat ein goldenes Zigarettenetui bekommen.« Na also. Das sähe auch nicht hübsch aus, würde allerhand Schlußfolgerungen zulassen, es ist besser so. Noch etwas? Ja. »Ich habe ihm lediglich für ein Zigarettenetui, das bei jeder unvoreingenommenen Prüfung durch die darin enthaltene Widmung sofort als ein Geschenk der Frau und des Sohnes des Herrn Julius Barmat festgestellt werden kann, einen Namenszug geschenkt.« Das ist ein schöner Zug.

Richter! Sag die Wahrheit!

Haben sie dir jemals dein kostbares Autogramm abgejagt, als du noch nicht Polizeipräsident warst? Nein. Glaubst du, daß ein Mensch auf dieser Erde nach dem Essen Freunden seine Autographensammlung zeigt und dabei spricht: »Sehen Sie das hier – vorsichtig! – das ist ein echter Richter!« Nein. Was meinst du, was Barmat haben wollte: deinen Namenszug pur et simple, oder deinen Namenszug, der unter einem Text steht?

Einen Polizeipräsidenten soll man nicht uzen und nicht duzen. In der öffentlichen Verehrung herabzusetzen geeignet . . . Gottbehüte.

Herr Präsident! Sagen Sie die Wahrheit!

Wissen Sie, daß Konkursschieber, bevor sie den Offenbarungseid leisten, ihr ganzes Vermögen der Frau überschreiben? Ja. Glauben Sie, daß das Geschenk der Frau mit Wissen und mit finanzieller Unterstützung des Mannes zustande gekommen ist? Ja. Glauben Sie, daß Herr Barmat[21] einem andern mir nichts dir nichts fünftausend Mark borgt, leiht, pumpt – wie Ihnen?

Einen Polizeipräsidenten soll man nicht triezen und nicht siezen.

Frage:

Ist der Namenszug eines beliebigen Beamten ein Geschenk? Ist gesellschaftliche leise Beeinflussung nicht viel, viel schlimmer als klare Korruption? Ist es nicht viel gravierender, wenn ein Beamter, durch tausend Verpflichtungen gebunden, kein Amtsverbrechen begeht, nichts tut, was er – unbeweisbar! – nicht auch ohne diese Beziehungen getan hätte, aber liebenswürdiger, entgegenkommender, diensteifriger sich zeigt, als wäre er glatt bestochen?

Dem sozialdemokratischen Polizeipräsidenten Richter ist keine strafbare Handlung nachzusagen. Er soll hier nicht beleidigt und nicht angeklagt werden. Wir haben kein Schloß auf Schwanenwerder, das man nach allem, was sich dort ereignet hat, füglich ›Bebels Ruh‹ nennen sollte, und bitten – ohne jemand auffordern oder einladen zu können – um eine kleine Gunst:

Herr Richter möge auf ein Blatt Papier schreiben:

»Ich, der Polizeipräsident Richter, bin nicht der Polizeipräsident, den eine Stadt wie Berlin braucht.«

Und einen Namenszug.


  • · Ignaz Wrobel
    Die Weltbühne, 20.01.1925, Nr. 3, S. 108.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 4, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 21-22.
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