Heinrich Zille

[176] Zweeter Uffjang, vierta Hof

wohnen deine Leute;

Kinder quieken: »Na, so doof!«

jestern, morjn, heute.

Liebe, Krach, Jeburt und Schiß . . .

Du hast jesacht, wies is.


Kleene Jöhren mit Pipi

un vabogne Fieße;

Tanz mit durchjedrickte Knie,

er sacht: »Meine Sieße!«

Stank und Stunk, berliner Schmiß . . .

Du hast jesacht, wies is.


Jrimmich wahste eijntlich nich –

mal traurich un mal munta.

Dir war det jahnich lächalich:

»Mutta, schmeiß Stulle runta –!«

Leierkastenmelodien . . .

Menschen in Berlin.


Int Alter beinah ein Schenie –

Dein Bleistift; na, von wejn . . . !

Janz richtich vastandn ham se dir nie –

die lachtn so übalejn.

Die fanden dir riehrend un komisch zujleich.

Im übrijen: Hoch det Deutsche Reich!

Malen kannste.

Zeichnen kannste.

Witze machen sollste.

Aba Ernst machen dürfste nich.

Du kennst den janzen Kleista –

den ihr Schicksal: Stirb oda friß!

Du wahst ein jroßa Meista.

Du hast jesacht, wies is.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 03.09.1929, Nr. 36, S. 366, wieder in: Lerne Lachen.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 7, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 176.
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