Der andre Mann

[257] Du lernst ihn in einer Gesellschaft kennen.

Er plaudert. Er ist zu dir nett.

Er kann dir alle Tenniscracks nennen.

Er sieht gut aus. Ohne Fett.

Er tanzt ausgezeichnet. Du siehst ihn dir an . . .

Dann tritt zu euch beiden dein Mann.


Und du vergleichst sie in deinem Gemüte.

Dein Mann kommt nicht gut dabei weg.

Wie er schon dasteht – du liebe Güte!

Und hinten am Hals der Speck!

Und du denkst bei dir so: »Eigentlich . . .

Der da wäre ein Mann für mich!«[257]


Ach, gnädige Frau! Hör auf einen wahren

und guten alten Papa!

Hättst du den Neuen: in ein, zwei Jahren

ständest du ebenso da!

Dann kennst du seine Nuancen beim Kosen;

dann kennst du ihn in Unterhosen;

dann wird er satt in deinem Besitze;

dann kennst du alle seine Witze.

Dann siehst du ihn in Freude und Zorn,

von oben und unten, von hinten und vorn . . .

Glaub mir: wenn man uns näher kennt,

gibt sich das mit dem happy end.

Wir sind manchmal reizend, auf einer Feier . . .

und den Rest des Tages ganz wie Herr Meyer.

Beurteil uns nie nach den besten Stunden.


Und hast du einen Kerl gefunden,

mit dem man einigermaßen auskommen kann:

dann bleib bei dem eigenen Mann!


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 21.10.1930, Nr. 43, S. 630, wieder in: Lerne Lachen.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 8, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 257-258.
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