Die Redensart

[236] Als Friedrich, August von Sachsen,

noch saß auf seinem Thron,

da tät die Empörung wachsen –

horch, horch – die Revolution!

Im Schloß erschrak man nicht wenig,

der Kammerherr wurde ganz blaß.

Da sagte der gute Geenij:

»Ja, dürfen die denn das –?«


Der Satz hat sich eingefressen.

Ich sag ihn bei Tag und bei Nacht.

Ich sag ihn bei Jungdo-Adressen,

ich sag ihn, wenn Hitler was macht.

Ich sag ihn, wenn Mädchen sich lieben,

und wenn einer reizt mit dem As,

und wenn sie um Schleichern was schieben:

»Ja, dürfen die denn das –?«


Wie die Deutschen so tiefsinnig schürfen!

Jeder Mann ein Berufungsgericht.[236]

Nur wer darf, der darf bei uns dürfen –

die andern dürfen nicht.

Und sitzt in der peinlichsten Lage

der Deutsche, geduckt und klein –:

dann stellt er die deutscheste

Frage und schläft beruhigt ein.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 07.10.1930, Nr. 41, S. 548.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 8, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 236-237.
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