Nur

[133] Dies singt eine Dame im Dreivierteltakt


Manchmal auf Bällen und Festen

tritt in den Saal ein freundlicher Mann,

an Geist und Kultur von den Besten . . .

und macht sich an die Frauen heran.[133]

Doch schon nach wenigen Minuten

ist alles zersprungen wie Glas –

Von Geist keine Spur,

nichts mehr von Kultur:

Nur – nur – das.


Berühmtheit ist ja kein Einwand

gegen Männer, die in den Filmen stehn.

Ich lüpfte neulich die Leinwand,

ich wollt mal einen näher sehn.

Ach, war das eine Enttäuschung!

Ich bekam einen kältenden Haß –

Von Herz keine Spur,

eine Karikatur . . .

Und

nur – nur – das.


Ich nahm den Tee und den Kuchen

in Berlin und Frohnau und mal hier und mal dort.

Nun, dacht ich, willst mal versuchen

eine Freundschaft mit einem Herrn vom Sport.

Der bricht das eigne Training –

auf wen ist denn heut noch Verlaß . . . ?

Von Hirn keine Spur,

eine hübsche Figur –

aber sonst

nur – nur – das.


Wie kann man Frauen so verkennen?

Mein Gott, sie sind ja gar nicht so!

Gewiß, es will jede entbrennen . . .

aber doch nicht stets und irgendwo!

Auf Harfen kann jedermann klimpern,

es fragt sich nur: Wer spielt – und was . . .

Und spielt er dann nur nach unsrer Natur –:

Dann gern

auch das.


  • [134] · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 13.05.1930, Nr. 20, S. 731.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 8, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 133-135.
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