Die Frau spricht

3. Die Nachfolgerin

[101] Ich hab meinen ersten Mann gesehn –

der ging mit einer!

Hütchen, Rock und Bluse (Indanthren)

und zwei Kopf kleiner!

Sie muß ihn wohl ins Büro begleiten . . .

Über den Geschmack ist nicht zu streiten.

Na, herzlichen Glückwunsch!


Sein Gehirn ist bei der Liebeswahl

ganz verkleistert;

wenn er siegt, dann ist er allemal

schwer begeistert.

Ob Languettenhemd, ob teure Seiden –

seinetwegen kann man sich in Säcke kleiden . . .

Na, herzlichen Glückwunsch!


Frau ist Frau. Wie glücklich ist der Mann,

dem das gleich ist!

Und für sowas zieht man sich nun an!

Als ob man reich ist!

Das heißt: für ihn . . . ?

Wir ziehen unsre Augenbrauen

für und gegen alle andern Frauen.[101]


Immerhin erwart ich, daß ers merken kann;

ich will fühlen, daß ich reizvoll bin.

Dreifach spiegeln will ich mich: im Glas, im Neid, im Mann.

Und der guckt gar nicht hin.


Liebe kostet manche Überwindung . . .

Männer sind eine komische Erfindung.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 10.12.1929, Nr. 50, S. 880, wieder in: Lerne Lachen.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 9, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 101-102.
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