Goethe-Jahr 1932

[293] Nächstes Jahr, da werden wir was erleben!

So im März, April und Mai:

Goethe hundert Jahre tot! Das wird was geben!

Wär es schon vorbei –!


Richtig, Joethe!

Hundert Philologen wälzen

Briefe, Werke, Bilder im Archiv.

Und schon seh ich Wolfgang Goetzen stelzen

durch die Fölljetöner lang und tief.


Richtig, Joethe!

Spitzen der Behörden

weihen ölig quasselnd etwas ein.

Und die Spitzen der Behörden wörden

alle voll von Faust-Zitaten sein –

richtig, Joethe!


Und es wimmelt von Bezüglichkeiten:

»Goethe und . . . « so tönt es immerzu.[293]

Auf den bunten Marken muß er schreiten,

und dann sagen alle zu ihm Du!


Böte, Kröte, Nöte, Röte, Flöte . . .

wochenlang reimt alles sich auf Goethe.

Dann verstummen Prosa und Sonett.

Von den deutschen Angestellten-Massen

hat man keinen weniger entlassen.

Klassiker sind nur fürs Bücherbrett.


Nächstes Jahr, da kannst du was erleben!

So im März, April und Mai . . .

Lieben Freunde, das wird etwas geben!

Wär es schon vorbei –!


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 22.09.1931, Nr. 38, S. 452.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 9, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 293-294.
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