1.

[125] Drei Fräulein sahn vom Schlosse

Hinab ins tiefe Tal.

Ihr Vater kam zu Rosse,

Er trug ein Kleid von Stahl.

»Willkomm, Herr Vater, gottwillkomm!

Was bringst du deinen Kindern?

Wir waren alle fromm.«


»Mein Kind im gelben Kleide!

Heut hab ich dein gedacht.

Der Schmuck ist deine Freude,

Dein Liebstes ist die Pracht.

Von rotem Gold die Kette hier

Nahm ich dem stolzen Ritter,

Gab ihm den Tod dafür.«


Das Fräulein schnell die Kette

Um ihren Nacken band.

Sie ging hinab zur Stätte,

Da sie den Toten fand.[125]

»Du liegst am Wege wie ein Dieb

Und bist ein edler Ritter,

Und bist mein feines Lieb.«


Sie trug ihn auf den Armen

Zum Gotteshaus hinab;

Sie legt' ihn mit Erbarmen

In seiner Väter Grab.

Die Kett, die ihr am Halse schien,

Die zog sie fest zusammen

Und sank zum Lieb dahin.

Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 1, München 1980, S. 125-126.
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