I.

[85] Peddie und Campbell in Sudan. – Ritchie und Lyon in Fezzan. – Denham, Oudney und Clapperton in Fezzan, im Lande der Tibbus. – Der Tchadsee und seine Zuflüsse. – Kouka und die hervorragendsten Städte von Bornu. – Mandara. – Eine Razzia bei den Fellasahs. – Niederlage der Araber und Tod Bou Khaloum's. – Loggoun. – Toole's Tod. – Unterwegs nach Kano. – Doctor Oudney's Tod. – Kano. – Sokatu. – Der Sultan Bello. – Rückehr nach Europa.


Kaum brach die Macht Napoleon's I. und mit ihr das Uebergewicht Frankreichs zusammen, kaum fanden die um den Ehrgeiz eines Einzelnen entstandenen gewaltigen Kämpfe, welche stets die wissenschaftliche Weiterentwicklung der Menschheit hemmen, ein Ende, da erwachten auch schon überall edlere Bestrebungen wieder und es kamen neue, rein wissenschaftliche oder auch Handelszwecken dienende Unternehmungen zu Stande.[85]

In erster Reihe der Mächte, welche Entdeckungsfahrten begünstigen und organisiren, ist wie immer England zu nennen. Diesesmal bildet Central-Afrika, das Land, dessen außerordentliche Reichthümer Hornemann's und Burkhardt's Forschungsreisen ahnen ließen, das Hauptziel seiner Thätigkeit.

Zuerst begegnen wir hier dem Major Peddie, der im Jahre 1816 vom Senegal aus aufbricht und sich nach Kakondy, am Rio Nunez, begiebt. Kaum in genannter Stadt angelangt, erliegt Peddie den Strapazen der Reise und der Ungesundheit des Klimas. Major Campbell übernimmt nach ihm die Führung der Expedition und gelangt über die hohen Bergzüge von Fotou Djallon, verliert dabei aber einen Theil der Lastthiere und auch einige seiner Leute.

Angelangt auf dem Gebiete des »Almamy« – ein Titel, den sich übrigens die meisten. Fürsten in diesem Theile Afrikas beilegen – wird die Expedition in dessen Königreiche zurückgehalten und kann die Erlaubniß zur Rückkehr nur durch Zahlung einer namhaften Contribution erkaufen.

Dieser Rückzug sollte höchst verderblich werden, denn bei demselben mußten nicht allein die Flüsse, deren Uebergang so beschwerlich gewesen war, nochmals überschritten werden, sondern man hatte auch solche Plackereien, Verfolgungen und fortwährende Hindernisse zu erdulden, daß Major Campbell, um dem unleidlichen Zustande ein Ende zu machen, seine Waaren verbrennen, die Gewehre zerbrechen und das Pulver durch Wasser unbrauchbar machen ließ.

Diese Anstrengungen, das Scheitern seiner Hoffnungen, den vollständigen Mißerfolg seiner Bestrebungen konnte Major Campbell nicht ertragen; er starb, gleichzeitig mit ihm mehrere Officiere, an derselben Stelle, wo früher Peddie seinen Tod gefunden hatte. Der Rest der Expedition erreichte unter großen Beschwerden Sierra Leone.

Kurze Zeit darauf unternehmen es Ritchie und Georges Francis Lyon, unter Benutzung des hohen Ansehens, welches das Bombardement von Algier der britischen Flagge errungen, und der Beziehungen, welche der englische Consul in Tripolis mit den einflußreichsten Personen der Regentschaft anzuknüpfen gewußt hatte, dem von Hornemann eingeschlagenen Wege zu folgen und nach dem Centrum Afrikas vorzudringen.

Am 25. März 1819 verließen die Reisenden Tripolis in Begleitung Mohammed el Mukni's, des Beys von Fezzan, der in seinem Gebiete den Titel Sultan annimmt. Geschützt durch den hohen Rang ihres Begleiters, erreichen[86] Ritchie und Lyon Murzuk ohne besondere Hindernisse. Dennoch haben sie der Zug durch die Wüste und die damit verbundenen Entbehrungen so tief erschöpft, daß Ritchie am 20. November stirbt; Lyon lag ebenfalls längere Zeit krank und hatte, wieder genesen, nur damit zu thun, die heimlichen Versuche des Sultans zu vereiteln, der, in der Hoffnung auf den Tod der Reisenden, sich ihres Gepäckes zu bemächtigen strebte. Auch Lyon konnte über die Südgrenzen von Fezzan nicht hinausgelangen; er fand aber hinlänglich Zeit, über die hauptsächlichsten Städte des Reiches und die Sprache der Bewohner werthvolle Aufschlüsse zu sammeln. Daneben verdankt man ihm auch die ersten authentischen Nachrichten über die Tuaregs, die wilden Bewohner der Wüste und deren Religion, Sprache, Lebensweise und sonstige merkwürdige Gewohnheiten.

Kapitän Lyon's Bericht ist außerdem reich an Details über Bornu, Wadai und Sudan, welche, wenn sie auch nicht alle auf eigener Anschauung fußen, doch mit Sorgfalt gewählt sind.

Die bisher erzielten Resultate entsprachen freilich nicht der englischen Habgier, welche ihren Kaufleuten die reichen Märkte des Binnenlandes zu erschließen suchte. In Folge dessen wurde ein der Regierung gemachtes Anerbieten eines Schotten, des Doctor Walter Oudney, den die Reiseberichte Mungo Park's begeistert hatten, ohne Bedenken angenommen. Zur Seite stand ihm ein um drei Jahre älterer Schiffslieutenant, Hugues Clapperton, der sich auf den canadischen Seen vielfach ausgezeichnet, den aber der Friedensschluß von 1815 zur unfreiwilligen Muße verurtheilt hatte, indem er noch dazu auf Halbsold gesetzt wurde. Doctor Oudney's vertrauliche Mittheilungen von seinem Vorhaben bestimmten Clapperton sofort, sich dem abenteuerlichen Zuge anzuschließen. Oudney erwirkte sich vom Ministerium die Unterstützung dieses thatenlustigen Officiers, dessen ausgebreitete Kenntnisse ihm gewiß von großem Vortheile sein mußten. Lord Bathurst erhob keine Schwierigkeiten, und die beiden Freunde schifften sich, nach Entgegennahme specieller Instructionen, nach Tripolis ein, wo sie bald erfuhren, daß ihnen als Chef der Major Dixon Denham beigegeben war.

Geboren zu London am 31. December 1785, war Denham anfangs Gehilfe bei einem Eigenthümer größerer Ländereien. Schon nahm er die Stelle als Vertreter des Besitzers ein, konnte der Beschäftigung aber so wenig Geschmack abgewinnen, daß er, abenteuerlustig von Charakter, lieber in einem Regimente, das nach Spanien abging, Dienste nahm. Bis 1815 kämpfte er mit, dann benutzte er seinen Urlaub, um Frankreich und Italien zu besuchen.[87]

Sein Ehrgeiz verführte Denham, diejenige Laufbahn zu wählen, die ihn, selbst auf die Gefahr des Lebens hin, am schnellsten befriedigen konnte, und so entschloß er sich zu kühnen Forschungsreisen. Die Ausführung folgte bei ihm dem Gedanken auf der Ferse. Er schlug dem Ministerium vor, auf dem Wege, welchen später Laing folgen sollte, nach Timbuctu zu gehen; als er bei dieser Gelegenheit aber vernahm, mit welcher Sendung Lieutenant Clapperton und Doctor Oudney betraut seien, bat er um die Vergünstigung, sich diesen anschließen zu dürfen.


Eine Sklaven-Kafila. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Eine Sklaven-Kafila. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Versehen mit Allem, was er für die Reise als nothwendig betrachtete, und nachdem er einen geschickten Zimmermann, Namens Hillman, engagirt, schifft sich Denham ohne Zaudern nach Malta ein und trifft mit[88] seinen zukünftigen Reisegefährten am 21. November 1821 in Tripolis zusammen.


Leibwache des Scheikh von Bornu. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 95.)
Leibwache des Scheikh von Bornu. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 95.)

Der englische Name hatte gerade zu jener Zeit einen guten Klang und großes Ansehen in den Barbareskenstaaten nicht allein wegen des erfolgreichen Bombardements von Algier, sondern auch, weil der Consul von Großbritannien in Tripolis durch seine gewandte Politik ein recht gutes Einvernehmen mit den höchsten Behörden[89] der Regentschaft herzustellen gewußt hatte. Dieser Einfluß machte sich auch bald über den ersten beschränkten Kreis hinaus geltend. Die Nationalität verschiedener Reisender, der Schutz, den England der Pforte angedeihen ließ, die Gerüchte von seinen Kämpfen und Siegen in Indien, Alles das war, wenn auch lückenhaft, selbst im Innern von Afrika bekannt geworden, und der englische Name, ohne daß man sich Rechenschaft geben konnte, zu hohem Ansehen gestiegen. Nach Aussage des britischen Consuls war der Weg von Tripolis nach Bornu ebenso sicher wie die Straße von London nach Edinburgh. Jetzt schien also der Zeitpunkt gekommen, aus diesen Vortheilen, die sich vielleicht nicht sobald wieder darboten, Nutzen zu ziehen.

Nachdem die drei Reisenden bei dem Bey einen recht wohlwollenden Empfang gefunden und dieser ihnen seine Unterstützung nach allen Seiten zugesagt, beeilten sie sich, Tripolis zu verlassen. Unter dem Schutze der von dem Fürsten gestellten Escorte erreichten sie ohne Schwierigkeit am 22. April 1822 Murzuk, die Hauptstadt von Fezzan. Unterwegs hatte man sie da und dort mit einer wohlwollenden Freude begrüßt, welche fast an Enthusiasmus grenzte.

»In Sokna, erzählt Denham, kam uns der Statthalter entgegen und traf uns auf der Ebene vor der Stadt. Ihn begleiteten die vornehmsten Einwohner derselben, nebst mehreren hundert Bauern, die unsere Pferde umringten und uns vor lauter Luft und Freude die Hände küßten. So zogen wir in die Stadt ein. Unaufhörlich wiederholte die Menge die Worte: »Inglesi! Inglesi!« Und dieser Empfang machte auf uns einen um so angenehmeren Eindruck, als wir die ersten Europäer waren, welche in ihrer gewohnten Kleidung erschienen; ja, ich bin überzeugt, daß wir weit weniger freundlich aufgenommen worden wären, wenn wir etwa als Mohammedaner auftreten und uns zu der Rolle von Heuchlern hätten erniedrigen wollen.«

In Murzuk freilich sollten sich dieselben Plackereien wiederholen, welche Hornemann gelähmt hatten. Jedenfalls erschienen Verhältnisse und Menschen gänzlich verändert. Ohne sich von den Ehrenbezeugungen, die ihnen der Sultan erwies, blenden zu lassen, verlangten die scharfsichtigen Engländer vorzüglich nach der nothwendigen Escorte, um sie nach Bornu zu begleiten.

Man erwiderte ihnen, daß an eine Abreise vor dem kommenden Frühjahre deshalb nicht zu denken sei, weil man die »Kafila« oder Karawane und die Mannschaften, welche sie durch die wüsten Strecken begleiten sollten, nicht eher zusammenbringen könne.[90]

Inzwischen erbot sich ein reicher Kaufmann, Namens Bou Baker Bu Khaloum, ein intimer Freund des Pascha, gegen einige Geschenke alle Schwierigkeiten zu beseitigen. Er übernahm es, die Engländer selbst nach Bornu zu führen, wohin er sich ebenfalls begeben wollte, wenn der Pascha von Tripolis die dazu nothwendige Erlaubniß ertheilte.

Denham, der Bou Khaloum's Versicherungen Glauben schenkte, begriff die Nothwendigkeit dieser einzuholenden Erlaubniß und begab sich nach Tripolis zurück. Da er nur ausweichende Antworten erhielt, drohte er, sich nach England einzuschiffen, wo er über die Hindernisse, welche der Pascha der Erfüllung seiner Mission in den Weg legte, Bericht erstatten würde.

Diese Drohungen verhallten erfolglos; Denham ging wirklich unter Segel und landete eben in Marseille, als ihn ein Bote des Bey einholte, der ihn zurückrief und ihm volle Genugthuung und Bou Khaloum die Erlaubniß, die drei Reisenden zu begleiten, zusicherte.

Am 30. October kam Denham nach Murzuk zurück, wo er seine Gefährten, leider heftig ergriffen vom Fieber und geschwächt von dem abscheulichen Klima des Landes, wieder antraf.

Ueberzeugt, daß ein Luftwechsel ihre erschütterte Gesundheit wieder kräftigen werde, ließ er sie aufbrechen und in kurzen Tagesmärschen vorausreisen. Er selbst verließ Murzuk am 29. November mit einer Karawane von Kaufleuten aus Mesurot, Tripolis, Sokna und Murzuk, deren aus zweihundertzehn Arabern, lauter Krieger aus den aufgeklärtesten und unabhängigsten Stämmen, bestehende Bedeckung Bou Khaloum persönlich befehligte.

Die Expedition schlug den von Lieutenant Lyon gewählten Weg ein und gelangte bald nach Tegherhy, der südlichsten Stadt von Fezzan und der letzten, die man vor dem Eintritt in die Wüste von Bilna antrifft.

»Ich benutzte die Gelegenheit, sagt Denham, das Schloß von Tegherhy abzuzeichnen, das sich am südlichen Rande eines an der Stadt gelegenen Salzsees erhebt. Nach Tegherhy selbst gelangt man durch einen engen, niedrigen und gewölbten Gang, der nach einer zweiten Mauer mit einem Thore führt; diese Mauer ist mit Schießscharten versehen, welche einem Feinde das Vordringen wegen des beschränkten Raumes sehr erschweren müßten. Ueber dem Thore befindet sich noch eine Oeffnung, um Geschosse und Feuerbrände auf die etwaigen Angreifer zu schleudern, wovon die Araber mit Vorliebe Gebrauch machen.[91]

Das Innere der Stadt enthält einen Brunnen mit recht gutem Wasser. Bei hinreichendem Vorrath an Lebensmitteln und Schießbedarf dürfte dieser Platz, wenn er einigermaßen in Stand gesetzt würde, gewiß ernstlichen Widerstand leisten können. Tegherhy selbst hat recht freundliche Umgebungen. Ueberall wachsen Datteln und sprudelt ausgezeichnetes Wasser hervor. Nach Osten zu dehnt sich eine niedrige Hügelreihe aus, Wasserschnepfen, Enten und wilde Gänse tummeln sich auf den Salzteichen der Nachbarschaft.«

Von dieser Stadt aus betraten die Reisenden eine Sandwüste, durch welche man sich nur schwierig zurecht finden würde, wenn der Weg nicht durch Skelete menschlicher und thierischer Körper bezeichnet wäre, die man vorzüglich in der Nähe der Brunnen findet.

»Ein solches Skelet, das wir eines Tages fanden, erzählt Denham, sah noch recht frisch aus, der Bart hing noch am Kinn und auch die Gesichtszüge ließen sich nothdürftig unterscheiden. Da rief plötzlich einer von den Kaufleuten der Kafila (Karawane): das ist mein Sklave! Vor vier Monaten ließ ich ihn hier in der Nähe zurück! – So bringe ihn schnell zu Markte, sagte darauf ein witziger Sklavenhändler, damit Dir Keiner Dein Eigenthum streitig macht!«

In der Wüste giebt es da und dort durch Oasen bezeichnete Haltepunkte, wo sich mehr oder weniger bedeutende Städte angesiedelt haben. Ein solches hervorragendes Rendez-vous bildet z. B. Kischi. Hier wird ein Straßenzoll von Jedem verlangt, der durch das Land reist. Der Sultan der genannten Stadt – man beobachtet wiederholt, daß sich diese Duodez-Herr scher gern den Titel eines Befehlshabers der Gläubigen zulegen – zeichnete sich durch seinen auffallenden Mangel an Reinlichkeit recht unvortheilhaft aus, und ebenso bot sein ganzer Hofstaat, wenn man Denham glauben darf, einen geradezu widerlichen Anblick.

»Er kam in das Zelt Bou Khaloum's, sagt der Reisende, in Begleitung von einem halben Dutzend Tibbous, von denen einige geradezu abschreckend häßlich waren. Ihre Zähne erschienen dunkelbraun, was von dem übermäßigen Tabakgenusse, dem sie mit dem Munde und der Nase fröhnen, herrühren mochte. Ihre Nase sah schon mehr einem an das Gesicht geklebten Fleischklumpen ähnlich; die Nasenlöcher derselben waren so groß, daß sie mit den Fingern ganz tief hinein stoßen konnten. Weder meine Uhr, Boussole, noch eine Spieldose, die ich bei mir führte, erregten ihre Aufmerksamkeit. Die Leute glichen mehr Thieren in Menschengestalt.«[92]

Die Stadt Kirby, die man etwas weiter hin, zwischen einer Kette von Hügeln, welche vierhundert Fuß an Höhe nicht überschreiten, antrifft, liegt in einem »Uadi«, umgeben von zwei Salzseen, die ihre Entstehung aller Wahrscheinlichkeit nach den Aushöhlungen verdanken, welche die Entnahme von Erde zu Bauzwecken zurückließ. In der Mitte dieser Seen erhebt sich, einer Insel gleich, ein kleiner Berg von Kochsalz und kohlensaurem Natron. Das Salz, welches die in dieser Gegend sehr häufigen Uadis liefern, bildet den Gegenstand eines nicht unbedeutenden Handels mit Bornu und Sudan.

Eine erbärmlichere Stadt als Kirby dürfte es wohl kaum geben. »Darin findet man nichts, nicht einmal eine Matte.« Wie kann das auch anders in einem Orte sein, der den unaufhörlichen Razzias der Tuaregs ausgesetzt ist?

Die Karawane zog hierauf durch das Land der Tibbous; es sind das gastfreundliche und friedliche Leute, welche die Brunnen und Cisternen in Stand halten und dafür von den Karawanen eine Entschädigung erhalten. Schnell und kräftig von Natur, im Besitz sehr flüchtiger Pferde, haben sie sich eine außergewöhnliche Fertigkeit im Schleudern der Lanze erworben, welche die stärksten Krieger wohl bis zweihundertvierzig Fuß weit werfen. Bilma ist ihre Hauptstadt und die Residenz ihres Sultans.

»Dieser fand sich, so meldet der Bericht, mit einem zahlreichen Gefolge von Männern und Frauen bei den Fremden ein. Die letzteren waren weit hübscher als die in den kleineren Städten; Einzelne hatten wirklich ganz angenehme Züge und ihre weißen, gut geordneten Zähne contrastirten wunderbar gegen die Schwärze der Haut und der dreieckigen, öltriefenden Haarflechte, welche ihnen auf jeder Seite des Gesichtes herabhing; auch die Korallengehänge an der Nasenscheidewand und große Halsbänder aus Ambra standen ihnen recht gut zu Gesicht. Die Einen hielten einen »Cheiche« oder Fächer aus zarten Pflanzen oder aus Roßhaargesflecht, um die Fliegen abzuwehren, Andere nur einen Baumzweig; Diese trugen Fächer aus Straußenfedern, Jene ein großes Bund Schlüffel; Alle aber führten irgend etwas in der Hand und schwenkten es über dem Kopfe. Ein Stück Stoff von Sudan, das an der linken Schulter befestigt war und die rechte Körperseite frei ließ, bildete ihre ganze Bekleidung; ein anderes kleineres Stück verhüllte den Kopf und fiel von da auf die Schultern herab oder war ganz nach hinten geschlagen. Trotz dieser mangelhaften Kleidung bewahrten sie doch eine sehr züchtige und bescheidene Haltung.«[93]

Eine Meile hinter Bilma, gleich nach einer klaren Quelle, welche die Natur hierher verlegt zu haben scheint, um den Reisenden zur Deckung seines Wasserbedarfs einzuladen, nimmt eine Wüste ihren Anfang, welche man erst nach zehn Tagereisen durchmißt. Früher mochte sich hier ein großer Salzsee ausgebreitet haben.

Am 4. Februar 1828 erreichte die Karawane Lari, eine an der Nordgrenze von Bornu unter 14°40' nördlicher Breite gelegene Stadt.

Die durch die Stärke der Karawane erschreckten Bewohner derselben flohen entsetzt auseinander.

»Die trübe Stimmung aber, welche diese Wahrnehmung in uns erregte, sagt Denham, machte bald einer ganz anderen Empfindung Platz, als wir etwas weiter hin, kaum eine Meile von der Stelle, an der wir uns befanden, den großen See Tchad im Sonnenglanze schimmern sahen. Der für uns so erquickende Anblick erfüllte Alle mit einer solchen Befriedigung, daß ich keine Worte finde, dieselbe zutreffend zu schildern.«

Von Lari an änderte sich das Aussehen des Landes vollständig. Auf die bisherige Sandsteppe folgt nun ein lehmiger, rasenbedeckter Boden, da und dort mit zerstreuten Akazien und anderen Baumarten, unter denen Antilopenheerden weideten oder Hühner von Guinea und Tauben aus der Berberei ihr herrliches Gefieder durch die grünen Blätter schillern ließen. Städte und Dörfer, letztere meist aus kugelförmigen und mit Hirsestroh bedeckten Lehmhütten bestehend, wechselten mit einander ab.

Längs des Tchadsees, dessen Nordspitze sie zuerst berührt hatten, zogen die Reisenden nun weiter nach Süden. Die Ufer dieser großen Wasserfläche bestanden aus schlammigem, schwarzem aber verhältnißmäßig festem Boden. Das Wasser im See steigt zur Winterszeit ziemlich hoch an und fällt während des Sommers; es ist süß, fischreich und von Flußpferden und Schwimmvögeln bevölkert. Nahe der Mitte desselben, im Südosten, liegen mehrere Inseln, auf welchen Biddohmahs hausen, ein räuberischer Stamm, der von der Beute lebt, die er sich vom festen Lande holt.

Die Fremden hatten einen Boten an den Scheikh El Khanemi vorausgesendet, um sich die Erlaubniß zum Betreten seiner Hauptstadt zu erbitten. Bald erschien auch ein Abgesandter desselben, der Bou Khaloum und dessen Begleiter einlud, nach Kouka zu kommen. Unterwegs kam die Karawane durch Beurwha, eine befestigte Stadt, welche bisher allen Angriffen der Tuaregs[94] widerstanden hatte, und überschritt den Yeou, einen großen Fluß, dessen Breite an manchen Stellen wohl hundertfünfzig Faß betrug. Dieser Zufluß des Tchad kommt aus Sudan.

Am südlichen Ufer desselben erhebt sich eine hübsche, mauerumschlossene Stadt, welche gleichfalls Yeou heißt und halb so groß wie Beurwha sein mag.

Bald darauf langte die Kafila an den Mauern von Kouka an und wurde am 17. Februar, nach zweieinhalbstündigem Zuge, von einer bewaffneten Schaar von viertausend Mann empfangen, welche sehr gut einexercirt schienen. Unter denselben befand sich auch eine Abtheilung Neger, die Leibwache des Scheikh, deren Ausrüstung stark an die der alten Ritter erinnerte.

»Sie trugen, sagt Denham, Panzerhemden aus Eisenkettengliedern, welche die Brust bis zum Halse bedeckten, und nach vorn und hinten herabfielen, wodurch sie die Seiten des Pferdes und die Schenkel des Reiters schützten. Als Kopfschmuck führten sie eiserne Helme, und darüber gelbe, weiße oder rothe Turbans, die unter dem Kinn zusammengeknüpft wurden. Auch die Köpfe der Pferde waren durch Platten des nämlichen Metalls verwahrt. Ihre Sättel waren klein und leicht; die Steigbügel aus Zinn und so eng, daß man nur die Fußspitze hineinstecken konnte; als Fußbekleidung diente ihnen übrigens eine mit Krokodilhaut verzierte Ledersandale. Sie ritten wirklich vorzüglich, sprengten in scharfem Galopp bis auf wenige Schritte an uns heran und schwangen in Bou Khaloum's Nähe die Lanzen unter dem Rufe: ›Barca! Barca! Willkommen! Willkommen!‹«

Umgeben von dieser glänzenden Phantasie zogen die Engländer und die Araber in die Stadt ein, wo als Ehrenbezeugung für sie noch ein ähnliches militärisches Schauspiel veranstaltet wurde.

Der Scheikh El Khanemi ließ sich die Fremden bald vorführen. Jener mochte fünfundvierzig Jahre zählen. Er hatte eine ansprechende Erscheinung mit freundlichem, geistvollem und wohlwollendem Gesichtsausdrucke.

Die Engländer händigten ihm die Briefe des Paschas aus. Als der Scheikh dieselben durchlesen, fragte er Denham, was er und seine Gefährten in Bornu zu beginnen gedächten.

»Wir wollen nur das Land sehen, sagte Denham, und uns über dessen Bewohner, Natur und Erzeugnisse unterrichten.


Empfang der Mission. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 98.)
Empfang der Mission. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 98.)

– So seid mir willkommen, erwiderte der Scheikh; es soll mir ein Vergnügen sein, Euch Alles zu zeigen. Ich habe für Euch Wohnstätten in der Stadt herstellen lassen; seht sie Euch mit einem meiner Leute an und fürchte nicht, auszusprechen, was Ihr daran etwa auszusetzen habt.«


Ulan des Sultans von Beghermi. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Ulan des Sultans von Beghermi. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Die Reisenden erhielten bald Erlaubniß, Thier- und Vögelbälge, welche ihnen interessant schienen, zu[95] sammeln und Alles aufzuzeichnen, was der Beobachtung werth schien. So kamen sie in Besitz einer großen Menge schätzenswerther Nachrichten auch über die Nachbarstadt Koukas.

Die letztere, damals die Hauptstadt von Bornu, besaß einen Markt, wo Sklaven, Lämmer, junge Ochsen, Weizen, Reis, Erdnüsse, Feuerbohnen, Indigo und verschiedene andere Landesproducte verhandelt wurden. In den Straßen der Stadt, welche mindestens fünfzehntausend Einwohner zählte, herrscht ein ungemein reges Leben.[96]

Angornu ist ebenfalls eine große, mit Mauern umschlossene Stadt von dreißigtausend Seelen. Sie galt früher als Hauptstadt des Landes. Auch ihr Markt war nicht unbedeutend. Daselbst feilschen oft nicht weniger als hunderttausend fremde Käufer und Verkäufer um den Preis von Fischen, Geflügel, Fleisch, das roh oder gekocht zu Markte gebracht wird, Zinn, Kupfer, Weihrauch[97] und Korallen. Leinwand war hier so billig, daß fast Jeder Hemd und Beinkleider aus diesem Gewebe trug. Die Bettler verfuhren auf eigenthümliche Weise, um Erbarmen zu erwecken; sie besetzen die Zugänge des Marktplatzes, halten ein Stück alter, zerrissener Hofe in der Hand und rufen die Vorübergehenden unter kläglichen Geberden mit den Worten an: »Seht, ich habe nicht einmal Beinkleider!« Die Neuheit dieses Kniffes, das Verlangen nach einem Kleidungsstücke, das in ihren Augen nothwendiger als selbst die Nahrung erscheint, zwang den Reisenden zu lautem Lachen, als er zum ersten Male Zeuge einer solchen Scene war.

Bisher hatten die Engländer nur mit dem Scheikh zu thun gehabt, der, sich mit der ausübenden Gewalt begnügend, dem Sultan die nominelle Oberherrschaft überließ. Dieser Fürst war eine sonderbare Persönlichkeit und ließ sich nur, gleich einem merkwürdigen, gefährlichen Thiere, durch das Gitter einer Art Käfigs aus Rosenholz sehen, der nahe seinem Gartenthore stand. Eine bizarre Mode an diesem Hofe bestand auch darin, daß Alle, die daselbst verkehrten, um elegant zu erscheinen, einen starken Leib haben und sogar künstliche Mittel anwenden mußten, um nur fettleibig zu erscheinen, was sonst doch Jedermann eher für störend hält.

Die raffinirtesten Hofschranzen hatten, wenn sie zu Pferde saßen, einen so stark ausgestopften Bauch, daß dieser vorn über den Sattelknopf herabhing. Außerdem erforderte die Etiquette einen Turban von solcher Weite und so großem Gewichte auf dem Kopfe zu balanciren, daß Die, welche ihn trugen, oft den Kopf zur Seite neigen mußten.

Diese barocken Ausschreitungen erinnerten ungemein an die so häufigen Türken der Maskenbälle. Die Reisenden hatten manchmal alle Mühe, solchen Zerrbildern gegenüber den nöthigen Ernst zu wahren.

Neben diesen feierlich-amüsanten Empfangsceremonien und Erscheinungen machte man aber doch viel interessante Beobachtungen und zog Nachrichten aller Art ein, welche manches frühere Dunkel erhellten.

Denham wäre nun gern so bald als möglich nach Süden zu aufgebrochen. Der Scheikh schlug das aber ab, um die Sicherheit der ihm vom Bey von Tunis empfohlenen Fremdlinge nicht zu gefährden. Seit dem Betreten des Gebietes von Bornu war ja an Bou Khaloum's Verantwortlichkeit die des wohlwollenden Scheikh getreten. Denham's Gesuch wurde aber endlich so dringend, daß er von El Khanemi die Erlaubniß erhielt, Bou Khaloum bei einer »Ghrazzie«[98] oder Razzia zu begleiten, welche dieser gegen die Kaffir oder Ungläubigen unternehmen wollte.

Die Armee des Scheikh und die Araber kamen nun durch Yeddie, eine große, geschlossene Stadt, zwanzig Meilen von Angornu; ferner durch Affagey und noch andere Ortschaften, welche auf dunklem lehmhaltigen Alluvialboden erbaut waren.

In Delow betraten die Araber nachher das Land Mandara, dessen Sultan ihnen mit fünfhundert Reitern entgegenkam.

»Mohammed Becker, sagt Denham von diesem, war von kleiner Gestalt und etwa fünfzig Jahre alt, den Bart hatte er wunderschön – himmelblau gefärbt!«

Es erfolgte eine allgemeine Vorstellung, und der Sultan fragte, sobald er Denham's ansichtig geworden, wer er sei, woher er komme und was er vorhabe, endlich auch, ob er Muselman sei? Auf die Antwort Bou Khaloum's verdrehte der Sultan die Augen und murmelte: »Der Pascha hat also auch Kaffir zu Freunden?«

Dieser Zwischenfall hinterließ einen üblen Eindruck und Denham durfte später nie wieder vor dem Sultan erscheinen.

Die Feinde des Paschas von Bornu und des Sultans von Mandara hießen Felatahs. Ihre zahlreichen Stämme sind bis jenseits Timbuktu verbreitet. Es sind schöne Menschen von tiefer Bronzefarbe, wodurch sie sich deutlich von den Negern unterscheiden, mit denen sie sich übrigens kaum je vermischen. Auch bekennen sie sich zum Islam. Wir werden später auf diese Felatahs, Foulahs, Peuls oder Fans, wie man sie in ganz Sudan nennt, zurückkommen.

Im Süden der Stadt Mora erhebt sich eine Hügelkette, deren höchste Gipfel zweitausendfünfhundert Fuß nicht übersteigen, und die sich, nach Aussage der Eingebornen, dreißig Tagereisen weithin erstreckt.

Denham's Beschreibung dieser Landschaft ist merkwürdig genug, um hier wenigstens das Hervorragendste daraus mitzutheilen.

»Nach allen Seiten, sagt er, begrenzt unseren Blick eine Kette von Bergen, deren Ende man nicht absieht. Hinsichtlich der riesenhaften Dimensionen und der wilden Großartigkeit, halten sie weder einen Vergleich mit den Alpen, den Apenninen oder dem Jura, nicht einmal mit der Sierra Morena aus, messen sich aber mit allen genannten an pittoreskem Aussehen. Vor uns lagen die Spitze des Valmy Savah, Djogghiday Vayah, Moyoung und Memay, deren[99] felsige da und dort mit Dörfern bedeckte Fluren sich von Osten nach Westen hinziehen; der Horza, an Höhe und Schönheit vielleicht der erste von allen, bot mit seinen Schluchten und steilen Abhängen nach Süden zu ein reizendes Landschaftsbild.«

Derkolla, ein Hauptort der Felathas, wurde angegriffen und eingeäschert. Die Araber nahmen nachher Stellung vor Mosfeia, das eine zur Vertheidigung sehr günstige Lage hat und durch Palissaden beschützt ist, welche zahlreichen Bogenschützen als Deckung dienen. Der englische Reisende mußte dem Kampfe beiwohnen. Der erste Anprall der Araber war unwiderstehlich. Der Knall der Feuerwaffen, so wie der Ruf von Bou Khatoums Tapferkeit und Grausamkeit verbreiteten anfänglich eine wahre Panik unter den Felalahs. Wenn die Mandaranen und Bornuesen da den Angriff auf den Hügel kräftig unterstützt hätten, wäre die Stadt sicherlich gefallen.

Als die Belagerten aber das Zögern ihrer Feinde bemerkten, ergriffen sie selbst wieder die Offensive und schickten die Bogenschützen vor, deren vergiftete Pfeile unter den Arabern zahlreiche Opfer forderten. Gerade da wichen die Hilfsmannschaften von Bornu und Mandara schimpflich zurück.

Barca Gama, der Anführer der Ersteren, verlor drei Pferde unter dem Leibe. Bou Khaloum wurde verwundet, ebenso wie sein Pferd, und das Denham's ebenfalls; Letzterer selbst erhielt einen Streifschuß in's Gesicht, während noch zwei Pfeile seinen Burnus durchbohrten.

Der Rückzug artet bald zur wilden Flucht aus. Denham's Pferd stürzt und der Reiter, den die Felatahs schon umringen, rafft sich nur mit Mühe wieder auf. Zwei Felatahs weichen vor der Pistole des Engländers zurück, ein dritter erhält einen Schuß in die Schulter.

Denham betrachtete sich als gerettet, als sein Pferd sich zum zweiten Male überschlug und er weit weg und heftig gegen einen Baum geschleudert wurde. Als der Major wieder zu sich kam, war das Pferd verschwunden und er ohne Waffen. Sofort sieht sich Denham, der an beiden Händen und an der rechten Seite verwundet ist, von Feinden umringt und beraubt, während nur die Furcht, seine reiche Kleidung zu zerstören, diese abhielt, ihm den Garaus zu machen.

Inzwischen entsteht ein Streit um die Beute, der Major benutzt die Gelegenheit, unter einem Pferde wegzugleiten und im nahen Gebüsch zu verschwinden.[100] Entblößt und blutend, kommt er nach tollem Laufe am Rande einer Schlucht an, in deren Grund ein Bergstrom herabstürzt.

»Meine Kräfte waren fast zu Ende, sagt er, ich erfaßte die jungen Zweige, welche an dem alten Stamm eines über die Schlucht hinaushängenden Baumes hervorgesproßt waren, um mich bis zum Wasser hinabgleiten zu lassen, da die Uferwand zu steil war. Schon bogen sich die Zweige unter dem Gewicht meines Körpers, als ich dicht unter meiner Hand eine große »Liffa«, die giftigste Schlange der Gegend, aus ihrem Schlupfwinkel hervorgleiten sah, welche sich zum Bisse anschickte. Der Schreck lähmte alle meine Gedanken. Ich ließ die Zweige los und fiel kopfüber in's Wasser. Dieser Fall gab mir jedoch die klarere Besinnung wieder, und drei Bewegungen der Arme führten mich nach dem anderen Ufer, das ich mit großer Schwierigkeit erklomm. Damit war ich nun vor der weiteren Verfolgung durch die Felatahs sicher.«

Zum Glück bemerkte Denham einen Trupp Reiter, denen er sich trotz des Lärmens ringsum verständlich machen konnte. Er legte mit ihnen eine Strecke von siebenunddreißig Meilen ohne jede andere Kleidung als eine schlechte, von Ungeziefer strotzende Decke auf ungesatteltem, magerem Pferde zurück. Was mag er da bei einer Hitze von sechsunddreißig Graden, die seine Wunden nur verschlimmern mußte, gelitten haben!

Fünfunddreißig Araber, darunter deren Führer Bou Khaloum, waren getödtet, fast alle Uebrigen verwundet, die Pferde unbrauchbar gemacht oder verloren gegangen – so endigte die Expedition, von der man sich reiche Beute und eine große Zahl Sklaven versprochen hatte.

Binnen sechs Tagen legte man die hundertachtzig Meilen betragende Wegstrecke von Mora nach Kouka zurück.

Denham fand in letzterer Stadt wieder einen recht freundlichen Empfang seitens El Khanemi's, der ihm für seine verloren gegangene Kleidung ein Kostüm, wie es hier zu Lande üblich war, zustellen ließ.

Kaum hatte sich der Major von seinen Wunden und den vorigen Strapazen erholt, als er schon wieder an einer Expedition theilnahm, die der Scheikhh nach Monga, einem Lande im Westen des Tchadsees, ausführen ließ, dessen Bewohner seine Oberhoheit niemals voll anerkannt und sich in letzter Zeit geweigert hatten, den verfallenen Tribut zu entrichten.

Denham und Doctor Oudney brachen am 28. Mai von Kouka auf, überschritten den Yeou, der zu dieser Jahreszeit fast ganz trocken lag, in der Regenzeit[101] aber gewaltig anzuschwellen pflegt, und besuchten Birnie sowohl wie die Ruinen von Alt-Birnie, der früheren Landeshauptstadt, welche gegen zweihunderttausend Einwohner gezählt haben soll. Nachher kamen sie zu den Trümmern von Gambaru, das sich einst durch prächtige Bauwerke auszeichnete und als Lieblingssitz des früheren Sultans galt, aber von den Felalahs zerstört wurde, ferner nach Kabchary, Bassekur, Bately und nach einer Menge anderer Städte und Dörfer, deren zahlreiche Einwohner ohne Widerstreben die Oberherrschaft des Sultans von Bornu anerkannten.

Der nun eintretende Winter erwies sich den Mitgliedern der Mission sehr ungünstig. Clapperton litt schrecklich an Fieber. Der Zustand des Doctor Oudney, der schon bei der Abreise von England brustleidend war, verschlimmerte sich zusehends. Der Zimmermann Hillman befand sich in trostloser Lage. Nur Denham allein hielt sich aufrecht.

Als die Regenzeit zu Ende ging, reiste Clapperton mit dem Doctor Oudney am 14. December nach Kano ab. Wir werden ihnen bald auf diesem interessanten Theile ihrer Reise folgen.

Sieben Tage später traf ein Fähnrich, Namens Toole, in Kouka ein, der zur Reise von Tripolis bis hierher nur drei Monate und vierzehn Tage gebraucht hatte.

Im Februar 1822 unternahmen Denham und Toole einen Ausflug nach Loggoun, am Südende des Tchadsees. Die ganze Umgebung des Sees und seines Zuflusses, des Chary, ist sumpfig und steht während der Regenzeit unter Wasser; das besonders ungesunde Klima dieser Gegend wurde für den jungen Toole verderblich, denn dieser ging schon am 26. Februar in Angola mit Tode ab; er erreichte ein Alter von nicht ganz zweiundzwanzig Jahren.

Ausdauernd, unerschrocken, dienstwillig, kaltblütig und klug, wie er war, besaß Toole alle Eigenschaften, welche einen tüchtigen Reisenden auszeichnen.

Loggoun war bisher ein sehr unbekanntes Land, durch welches selbst Karawanen seltener zogen und dessen Hauptstadt Kernok gegen fünfzehntausend Einwohner zählte. Es wohnt hier ein schöner Menschenschlag, der die Bornuesen an geistigen Fähigkeiten übertrifft – beides gilt vor Allem von den Frauen – sehr arbeitsam ist und schöne Leinwand nebst anderen guten Geweben fabricirt.

Die unumgängliche Vorstellung beim Sultan schloß, nach dem gewöhnlichen Austausch schöner Redensarten und der Entgegennahme reicher Geschenke, mit[102] folgendem sonderbaren Angebote, das der Sultan dem Reisenden machte: »Wenn Du gekommen bist, um Sklaven zu kaufen, so brauchst Du nicht weiter zu gehen, ich verkaufe Dir solche so billig, wie irgend ein Anderer.« Denham hatte große Mühe. diesem gewerbetreibenden Fürsten verständlich zu machen, daß das nicht der Zweck seiner Reise sei und nur die Liebe zur Wissenschaft seine Schritte geleitet habe.

Am 2. März war Denham wieder in Kouka, wo am 20. Mai der Lieutenant Tyrwhit eintraf, der, reiche Geschenke für den Scheikh mit sich führend, in Bornu als Consul bleiben sollte.

Nach einer letzten Razzia gegen Manu, die Hauptstadt von Kanem, und gegen die Dogganahs, welche früher die Ufer des Fitrisees bewohnten, schlug der Major am 16. August mit Clapperton den Rückweg nach Fezzan ein und kam wieder nach Tripolis, nach einer langen, gefahrvollen Fahrt, deren schon ohnehin beträchtliche Resultate durch Clapperton noch bedeutend vermehrt worden waren.

Wir schalten hier die Erzählungen der Reise-Erlebnisse und Entdeckungen dieses Officiers ein. Nachdem er mit Doctor Oudney am 14. December 1823 nach Kano, einer großen Felatahstadt im Westen des Tchadsees abgereist, war Clapperton dem Laufe des Yeou bis Damasak gefolgt und hatte Alt-Birnie und Bera, am Strande eines durch die Ueberschwemmungen des Yeou entstandenen Sees gelegen, ferner Dagamon und Bekidarfi besucht, die letzteren zwei Städte, welche schon zu Haoussa gehören. Die Bewohner dieses Districts, deren Anzahl vor den Einfällen der Felatahs eine weit höhere war, tragen als Waffen Bogen und Pfeile und treiben mit Tabak, Nüssen, »Gouro«, Antimon, gegerbten Ziegenfellen und Baumwollenzeugen, in Stücken oder verarbeitet, nicht unwichtigen Handel.

Die Karawane verließ bald das Ufer des Yeou oder Gamburou, um sich nach einer waldigen Gegend zu wenden, welche während der Regenzeit gewiß vollständig überschwemmt wird.

Hierauf betraten die Reisenden die Provinz Katagoum, deren Gouverneur sie sehr freundlich und mit der Versicherung empfing, daß ihre Ankunft für ihn ein wahres Fest sei und dem Sultan der Felatahs, der noch niemals Engländer gesehen, nicht weniger erwünscht sein werde. Er versprach ihnen gleichzeitig, daß sie bei ihm, ebenso wie in Kouka, alles irgend Nothwendige finden würden.[103]

Sein größtes Erstaunen erweckte es nur, daß die Reisenden weder Sklaven, noch Pferde oder Silber einkaufen wollten, und von ihm, außer seinem Wohlwollen, nichts begehrten, als die Erlaubniß, Pflanzen sammeln und das Land in Augenschein nehmen zu dürfen.

Katagoum liegt, nach Clapperton's Beobachtungen, unter 12°17'11'' der nördlichen Breite und 12° östlicher Länge von Greenwich. Diese Provinz bildete, vor dem Einfall der Felalahs, die Grenze von Bornu. Sie kann viertausend Reiter und zwanzigtausend mit Bogen, Säbeln und Lanzen bewaffnete Fußsoldaten in's Feld stellen. Ihre Erzeugnisse bestehen aus Getreide und Stieren, welche nebst den Sklaven die hauptsächlichsten Handelsartikel bilden. Die Stadt war die stärkste, welche die Engländer außer Tripolis bisher gesehen hatten. Zwei parallele Mauern mit Thoren darin, welche jeden Abend geschlossen wurden, und drei trockene Gräben, einer im Innern, der andere außerhalb der Umwallung und der dritte zwischen den beiden Mauern von zwanzig Fuß Höhe und unten zehn Fuß Durchmesser, dehnten sich rings um dieselbe aus. Außer einer in Trümmern liegenden Moschee bot diese Stadt keine anderen Bauwerke als Lehmhütten, in welchen etwa sechs- bis siebentausend Seelen wohnten.

Hier sahen die Engländer zum ersten Male die bekannten Kaurimuscheln als Münze dienen. Vorher vertrat einheimische Leinwand oder irgend ein anderer Artikel die Stelle des Tauschmetalls.

Südlich von der Provinz Katagoum liegt das Land Yakoba (Jakoba), welches die Muselmanen mit dem Namen Mouchy bezeichnen. Nach Clapperton's Erkundigungen sollen die Bewohner dieser, von Kalkbergen erfüllten Provinz Menschenfresser sein.


Porträt von Clapperton. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Porträt von Clapperton. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Die Muselmanen lieferten, bei ihrem unüberwindlichen Abscheu vor den Kaffirs, für diese Beschuldigung freilich keine weiteren Beweise, als daß man an den Hausmauern da oder dort Köpfe oder Gliedmaßen von Menschen hängen sah.

Hier in Yakoba soll sich die Quelle des Yeou befinden, der im Sommer fast vollständig austrocknet, dessen Fluthen aber während der Regenzeit, nach Aussage der Eingebornen, je alle sieben Tage anschwellen und ebensolange zurücksinken.

»Am 11. Januar, sagt Clapperton, setzten wir unsere Reise fort, mußten aber schon zu Mittag in Murmur Halt machen. Der Doctor befand sich in einem so verzweifelten Zustande der Schwäche und Erschöpfung, daß ich ihm kaum noch einen Tag Leben zutraute.[104] Seit unserer Abreise aus den Bergen von Obarri verfiel er täglich zusehends mehr, nachdem er sich noch in Fezzan eine Kehlkopfentzündung zugezogen, als er sich, in Schweiß gebadet, einem scharfen Luftzug ausgesetzt hatte.

12. Januar. Der Doctor trank Morgens eine Tasse Kaffee und ich ließ, seinem Wunsche entsprechend, die Kameele beladen. Ich half ihm beim Ankleiden und er verließ, auf seinen Diener gestützt, das Zelt; gerade als wir ihn auf[105] das Kameel setzen wollten, bemerkte ich auf seinen Zügen schon das Herannahen des Todes. Ich ließ ihn natürlich sogleich zurückbringen, nahm an seiner Seite Platz und sah ihn mit einer schmerzlichen Empfindung, für welche ich vergebens passende Worte suchen würde, ohne eine Klage oder schwerere Qualen die treuen Augen schließen. Bei dem Gouverneur kam ich um die Erlaubniß, ihn hier beerdigen zu dürfen, ein, was mir sofort gestattet wurde. Unter einer Mimose, nahe dem einen Thore der Stadt, ließ ich eine Grube ausheben. Nach der landesüblichen Abwaschung des Körpers wurde der Leichnam in Turban-Shawltücher gehüllt, die wir als Geschenke für die Landesfürsten bei uns führten. Unsere Diener trugen ihn, und ich las, bevor wir ihn dem Schoße der Erde übergaben, die Leichengebete der englischen Kirche. Dann ließ ich um das einfache Grab eine Lehmmauer errichten, um dasselbe gegen Raubthiere möglichst zu schützen, und wir schlachteten zwei Lämmer zur Vertheilung unter die Armen der Stadt.«

So endete Doctor Oudney, der Marinearzt, der sich so schöne naturwissenschaftliche Kenntnisse erworben hatte.

Die schreckliche Krankheit, deren Keim er schon von England mitbrachte, hatte ihm nicht gestattet, der Expedition diejenigen Dienste zu leisten, welche die Regierung von ihm erwarten mochte, und doch schonte er niemals seine Kräfte, da er sich während des Reisens besser zu befinden behauptete als während der Ruhe. Wenn er es auch fühlte, daß sein erschöpfter Organismus ihm jede andauernde Arbeit verbot, so wollte er doch wenigstens dem Eifer seiner Gefährten niemals hinderlich werden.

Nach jener traurigen Ceremonie schlug Clapperton wieder den Weg nach Kano ein. Er berührte dabei Digon, eine Stadt inmitten eines wohlangebauten Landes, das zahlreiche Heerden ernährt. Kaloumgona, das schon nicht mehr in der Provinz Katagoum liegt; Zangeia, in der Nähe der Hügelausläufer von Douchi, das, nach den noch vorhandenen Mauerüberresten zu urtheilen, einst ziemlich bedeutend gewesen sein muß; ferner Girkona, dessen Markt fast schöner zu nennen ist als der von Tripolis; Sochwa, das ein hoher aus reinem Thon errichteter Wall umschließt, und langte am 20. Januar glücklich in Kano an. Kano, das Chana Edrisi's und anderer arabischer Geographen, bildet den Hauptverkehrsplatz des Königreiches Haoussa.

»Gleich nach Durchschreitung des Thores, sagte Clapperton, fühlte ich mich ganz auffallend enttäuscht. Gemäß der glänzenden Beschreibung der Araber,[106] rechnete ich hier darauf, eine weit ausgedehnte Stadt zu finden. Dafür standen die Häuser wohl eine Viertelmeile von der Mauer entfernt und da und dort in kleineren Gruppen mit stagnirenden, sumpfigen Lachen dazwischen, zusammengehäuft. Ich hätte mir recht wohl ersparen können, vorher Toilette zu machen (er hatte seine Uniform als Marineofficier angelegt); alle Bewohner, welche ihren gewohnten Geschäften oblagen, ließen mich ruhig vorüberziehen, ohne daß Jemand ein Auge nach mir verwendet hätte.«

Kano, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, ist eine der bedeutendsten Ortschaften von Sudan, liegt unter 12°0' 19'' nördlicher Breite und 9°20' östlicher Länge.

Dieselbe mag dreißig- bis vierzigtausend Einwohner zahlen; deren größere Hälfte freilich aus Sklaven besteht.

Der Marktplatz, im Osten und Westen von einem sumpfigen, mit Rosen bepflanzten Terrain begrenzt, bildet einen Sammelplatz zahlloser Enten, Störche und Geier, welche für die Reinhaltung der Stadt sorgen. Hierher strömen allerlei in Afrika gebräuchliche Nahrungsmittel zusammen, und stets findet man Ochsen-, Schaf-, Ziegen- und manchmal auch Kameelfleisch zum Verkaufe ausgestellt.

»Die Fleischer des Landes, erzählt der Reisende, sind eben so schlau wie die unsrigen; sie wissen durch einige geschickte Schnitte das Fett der Fleischstücke recht sichtbar zu machen und blasen letztere nicht selten auf, oder befestigen gar ein Stück Lammfell auf einer Ziegenkeule.«

Außerdem findet man auch Schreibpapier, Erzeugnisse aus europäischen Fabriken, im Lande verfertigte Scheeren und Messer, Antimon, Zinn, rothe Seide, Armspangen aus Kupfer, Glasspielwaaren, Korallen, Weihrauch, Zinnringe, einzelne Schmuckgegenstände aus Silber, Turban-Shawls, Shirting, Calicot, maurische Kleidungsstücke und allerlei andere Gegenstände auf dem Markte von Kano.

Clapperton kaufte hier einen englischen Baumwollen-Regenschirm, der über Ghadames eingeführt war, für drei Piaster. Er besuchte auch den Sklavenmarkt, wo die armen Leute sehr genau untersucht werden, »ganz mit derselben Sorgfalt, wie die Sanitätsofficiere die Freiwilligen mustern, welche in die Marine eintreten wollen«.

Die Stadt ist sehr ungesund; die Sümpfe, welche fast die eine Hälfte derselben einnehmen, und die Löcher, welche man in den Boden gräbt, um den[107] zum Bauen nöthigen Lehm zu gewinnen, umhüllen dieselbe mit einer Art permanenter Malaria.

In Kano herrscht die Mode, sich Zähne und Lippen mit »Gourgiblumen« und Tabak zu färben, wodurch sie ein blutrothes Aussehen erhalten. Man kaut hier gern Gouro-Nüsse oder verwendet diese auch gepulvert zum Schnupfen, wobei man dem Pulver »Trona« zumischt; ein Gebrauch, der Haoussa nicht eigenthümlich ist, da man demselben auch in Bornu begegnet, wo er nur den Frauen verboten ist. Endlich rauchen die Haoussanen auch einen im Lande gezogenen Tabak.

Am 23. Februar brach Clapperton nach Sokatu auf. Er kam durch ein pittoreskes, gut angebautes Land, dem auf den Hügeln da und dort verstreute Gebüsche fast das Ansehen einer englischen Parkanlage verliehen. Ueberall weideten ganze Heerden schöner weißer oder aschgrauer Rinder.

Die Hauptortschaften, welche Clapperton auf diesem Wege traf, sind: Gadania, eine wenig volkreiche Stadt, deren Bewohner die Felatahs als Sklaven weggeführt und verkauft haben; Doncami, Zirmie, die Hauptstadt von Zambra; Kagaria und Kouara; dabei sah er die Brunnen von Kamoun, wo ihn eine von dem Sultan abgesandte Escorte erwartete.

Sokatu ist die am stärksten bevölkerte Stadt, welche Clapperton in Afrika gesehen hat. Ihre recht gut gebauten Häuser bildeten regelmäßige Straßen, nicht solche Einzelhaufen, wie in den übrigen Städten von Haoussa. Umgeben von einer zwanzig bis dreißig Fuß hohen Mauer mit zwölf Thoren, die man mit Sonnenuntergang sperrte, besaß Sokatu zwei große Moscheen, einen geräumigen Markt und einen ausgedehnten Platz vor der Wohnung des Sultans.

Die Einwohner, meist Felatahs, besitzen viele Sklaven, von denen Diejenigen, welche nicht zu häuslichen Diensten verwendet werden, für Rechnung ihrer Herren verschiedene Geschäfte betreiben; sie sind z. B. Seidenwirker, Maurer, Schmiede, Schuhmacher oder auch Landbauer.

Seinen Wirthen zu Ehren und um ihnen eine hohe Vorstellung von der Macht und dem Reichthum Englands zu geben, wollte Clapperton vor dem Sultan nicht anders als in glänzender Toilette auftreten. Er legte also seidene Strümpfe, weiße Beinkleider und die goldbetreßte Uniform an, zur Vervollständigung seines carnevalistischen Costüms verhüllte er noch den Kopf mit einem schönen Turban und zog türkische Schuhe an. Bello empfing ihn unter zwei Säulen sitzend, welche das Dach einer Strohhütte trugen, die einem[108] englischen Cottagehaus nicht unähnlich aussah. Der Sultan war übrigens ein schöner Mann von etwa fünfundvierzig Jahren und bekleidet mit einem »Tobe« aus blauem Kattun und einem weißen Turban, dessen Shawl-Enden nach türkischer Sitte Nase und Bart verhüllten.

Mit kindlicher Freude nahm Bello die ihm von dem Reisenden dargebrachten Geschenke entgegen. Am meisten Vergnügen machte ihm offenbar eine Uhr, ein Teleskop und ein Thermometer, das er sinnreicher Weise eine »Wärme-Uhr« nannte. Die größte Merkwürdigkeit freilich blieb ihm doch die Person des Reisenden selbst. Er fand kein Ende, sich nach den Sitten, Gebräuchen und Handelsverhältnissen Englands zu erkundigen. Wiederholt gab Bello den Wunsch zu erkennen, mit jener Macht in Handelsbeziehungen zu treten, ersuchte um die Niederlassung eines Consuls und eines englischen Arztes in einem Hafen, den er Raka nannte, und um Uebersendung gewisser Arten von großbritannischen Waaren nach der Seeküste, wo er eine wichtige Handelsstadt, Funda, besäße. Nach mehrfachen Gesprächen über die verschiedenen Religionen in Europa, sowie über manche andere Gegenstände, gab Bello Clapperton die Bücher, Journale und Kleidungsstücke zurück, welche Denham bei Gelegenheit der unglücklichen Razzia, die Bou Khaloum das Leben kostete, abgenommen worden waren.

Am 3. Mai verabschiedete sich der Reisende vom Sultan.

»Unter vielerlei Umständlichkeiten wurde ich endlich bei Bello vorgelassen, der übrigens ganz allein war und mir, unter Versicherung seiner freundschaftlichen Gefühle für unser Volk, sofort einen Brief an den König von England übergab. Er drückte wiederholt den Wunsch aus, mit uns in Verbindung zu bleiben, und bat mich, ihm zu schreiben, wann die englische Expedition (deren Absendung Clapperton versprochen hatte) etwa an seiner Küste eintreffen würde.«

Clapperton schlug denselben Weg, den er auf der Hinreise genommen, wieder ein und erreichte am 8. Juli Kouka, wo er auch den Major Denham antraf. Er brachte ein arabisches Manuscript mit, eine historische und geographische Schilderung des Königreichs Takrur unter der Regierung Mohammed Bello's von Haoussa enthaltend und von Letzterem selbst verfaßt. Er hatte während seines Aufenthaltes in jenem Lande nicht nur sehr schätzenswerthe und vielfache Aufschlüsse über das Thier- und Pflanzenreich in Bornu und Haoussa, sondern auch ein Wörterverzeichniß der Sprachen von Begharmi, Mandara, Bornu, Haoussa und Timbuktu gesammelt. Die Ergebnisse dieser Expedition waren also recht erfreuliche. Zum ersten Male hörte man ein Wort von den[109] Felalahs, deren Identität mit den Fans Clapperton auf seiner zweiten Reise feststellen sollte. Man erfuhr, daß sie in der Mitte und im Westen Afrikas ein gewaltiges Reich gegründet hatten, und daß diese Völkerschaften nicht zur Race der Neger gehörten. Das Studium ihrer Sprache und der Verwandtschaft, welche dieselbe mit anderen nicht afrikanischen Idiomen erkennen läßt, warf ein ganz neues Licht auf die Geschichte der Völkerwanderungen. Endlich kannte man nun auch den Tchadsee, zwar nicht in seinem ganzen Umfange, doch aber zum größten Theile. Man wußte, daß ihm zwei große Flüsse zuströmten, der Yeou, dessen Verlauf zum Theil untersucht war und über dessen Quelle die Eingebornen einige Mittheilungen gemacht hatten; und der Chary, dessen Unterlauf und Ausmündung Denham sorgfältig erforscht hatte. Die Mittheilungen, welche Clapperton von den Eingebornen über den Niger erhielt, waren freilich noch ziemlich verwirrt, ergaben aber doch die Wahrscheinlichkeit, daß derselbe in den Golf von Benin münden werde. Clapperton beabsichtigte übrigens, nach kurzer Rast in England hierher zurückzukehren und von der Atlantischen Küste ausgehend, dem Kouara oder Djoliba, wie der Niger an gewissen Stellen seines Laufes genannt wird, stromaufwärts zu folgen (um den schon lange dauernden Streit über denselben ein Ende zu machen, indem er nachzuweisen hoffte, daß dieser Strom nicht ein und derselbe mit dem Nil sei), seine Entdeckungen mit denen Denham's zu verknüpfen und endlich auf der Diagonale von Tripolis bis zum Golfe von Benin eine Fahrt quer durch ganz Afrika auszuführen.

Quelle:
Jules Verne: Der Triumph des 19. Jahrhunderts. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXXVII– XXXVIII, Wien, Pest, Leipzig 1882, S. 85-110.
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