II.

[159] Erste Reise: Gran-Canaria. – Gomera. – Magnetische Variation. – Vorzeichen von Ungehorsam. – Land! Land! – San Salvador. – Besitznahme. – Conception. – Ferdinandina oder Groß-Exuma. – Isabella oder Ile Longue. – Die Mukaras. – Cuba. – Beschreibung der Insel. – Der Cazike an Bord der Santa-Maria. – Columbus' Caravelle strandet und kann nicht wieder flott gemacht werden. – Das Eiland Monte Christi. – Rückkehr. – Sturm. – Ankunft in Spanien. – Christoph Columbus' Huldigung.


Am ersten Reisetage legte der Admiral – mit diesem Titel bezeichnen ihn alle Berichte – nach Süden steuernd, vor Untergang der Sonne fünfzehn (franz.) Meilen zurück. Er schlug dann einen Kurs nach Südosten ein und hielt auf die Canarischen Inseln zu, um dort das beschädigte Steuer der »Pinta« auszubessern, eine Beschädigung, welche vielleicht der über diese Reise erschreckte Schiffszimmermann selbst verschuldete. Zehn Tage später ankerte Christoph Columbus vor Gran-Canaria, wo er die Havarie der Caravelle reparirte. Neunzehn Tage später warf er bei Gomera Anker, dessen Bewohner ihm das Vorhandensein eines unbekannten Landes im Westen ihres Archipels bestätigten.

Christoph Columbus verließ diese Insel nicht vor dem 6. September. Er hatte Nachricht erhalten, daß ihm in offener See drei portugiesische Schiffe auflauerten, um ihm den Weg zu verlegen. Ohne sich hierdurch abschrecken zu lassen, ging er unter Segel, vermied geschickt ein Zusammentreffen mit den Feinden, schlug eine Richtung direct nach Westen ein und verlor das Land bald gänzlich aus dem Gesicht.


Christoph Columbus auf seiner Caravelle. (S. 158.)
Christoph Columbus auf seiner Caravelle. (S. 158.)

[159] Im Verlauf der Reise bemühte sich der Admiral, seinen Gefährten die wirkliche, täglich zurückgelegte Strecke zu verheimlichen, um die Matrosen nicht noch mehr zu erschrecken, wenn sie die thatsächliche Entfernung bis zum Festlande Europas erführen. Tag für Tag beobachtete er aufmerksam die Boussole, und so verdankt man ihm auch die Entdeckung der magnetischen Variation, welche er schon in seinen Rechnungen berücksichtigte. Seine Lootsen beunruhigten sich aber nicht wenig, wenn sie diese Boussole »nordwestern« sahen,[160] wie sie sich auszudrücken pflegten. Am 14. September bemerkten die Matrosen der »Nina« eine Schwalbe und einen Spitzschwanz. Die Anwesenheit dieser Vögel konnte wohl auf die Nähe von Land hindeuten, da man sie gewöhnlich nicht weiter als fünfundzwanzig Meilen von der Küste noch antrifft. Die Temperatur war sehr mild, das Wetter prächtig. Der Wind wehte aus Osten und trieb die Caravellen in günstiger Richtung fort. Gerade dieses[161] Anhalten des Ostwindes aber erschreckte die meisten Seeleute, welche darin ein ernstes Hinderniß für die Rückkehr sehen wollten.

Am 16. September beobachtete man einige Büschel noch frischen Barecs, die sich auf den Wellen schaukelten. Land zeigte sich indeß nirgends. Diese Pflanzen rührten wahrscheinlich von Felsen unter dem Wasser her und nicht von der Küste eines Festlandes. Am 17., fünfunddreißig Tage nach der Abfahrt der Expedition, sah man wiederholt Grasmassen auf der Oberfläche des Meeres schwimmen. Auf einem dieser Grasbündel befand sich sogar ein lebender Krebs, was als Vorzeichen eines nahen Landes betrachtet wurde.


Bau einer Caravelle. (S. 159.)
Bau einer Caravelle. (S. 159.)

Während der folgenden Tage umschwärmten die Caravellen große Mengen verschiedener Vögel, wie Tölpel, Spitzschwänze und Meerschwalben. Columbus benützte das Vorkommen dieser Vögel zur Beruhigung seiner Begleitung, welche nicht wenig verwundert war, auch nach sechswöchentlicher Fahrt noch kein Land zu finden. Er selbst trug stets das größte Vertrauen zur Schau, daß Gott sie nicht verlassen werde. Häufig richtete er mahnende Worte an die Seinigen und versammelte sie jeden Abend, um das Salve Regina oder irgend einen anderen Hymnus an die heilige Jungfrau zu singen. Bei den Worten dieses heroischen, großen, seiner selbst so sicheren und über die gewöhnlichen Schwächen der Menschen erhabenen Mannes schöpften auch die Mannschaften neuen Muth und fuhren vertrauensvoll weiter.

Es versteht sich von selbst, daß die Matrosen und Officiere der Caravellen den westlichen Horizont, auf den sie zusteuerten, geradezu mit den Blicken verzehrten. Alle hatten mindestens ein reges pecuniäres Interesse daran, den neuen Continent zu entdecken, denn Dem, der ihn zuerst sehen würde, hatte Ferdinand eine Belohnung von 10.000 Maravedis (etwa 6400 Mark = 3200 Gulden unserer Münze) zugesichert.

In den letzten Tagen des September herrschte ein regeres Leben durch die Gegenwart einer gewissen Menge Felstauben, Fregattvögel und Captauben, lauter größere Vögel, welche häufig in starken Schwärmen zusammenflogen, ein Beweis, daß sie sich nicht blos verirrt hatten. Auch Christoph Columbus verblieb bei der unerschütterlichen Ueberzeugung, daß nun das Land nicht mehr fern sein könne.

Am 1. October verkündete der Admiral seinen Leuten, daß sie nun von der Insel Ferro aus 594 Meilen zurückgelegt hätten. Wirklich überstieg jedoch der von den Caravellen zurückgelegte Weg sogar 700 Meilen, was[162] Christoph Columbus zwar sehr gut wußte und nur noch immer dabei verharrte, nach dieser Seite die Wahrheit zu verhehlen.

Am 7. October versetzte ein von der »Nina« ausgehendes Musketenfeuer die Mannschaft der Flottille in ungewohnte Aufregung. Die Befehlshaber derselben, die beiden Brüder Pinzon, glaubten das Land entdeckt zu haben. Es zeigte sich jedoch bald, daß sie sich getäuscht hatten. Da sie indeß behaupteten, Papageien in der Richtung nach Südwesten hin fliegen gesehen zu haben, stimmte der Admiral zu, seine Richtung um einige Compaßstriche nach Süden zu ändern. Diese Aenderung hatte für die Zukunft die segensreichsten Folgen, denn hätten die Caravellen ihren Kurs direct nach Westen noch ferner beibehalten, so wären sie jedenfalls auf die große Sandbank von Bahama aufgefahren und daselbst zu Grunde gegangen.

Noch immer erschien das so heiß ersehnte Land nicht. Jeden Abend verschwand die Sonne am Horizont nur hinter der unbegrenzten Wasserlinie. Die Besatzung der drei Schiffe, welche wiederholt einer optischen Täuschung zum Opfer fiel, begann gegen Columbus, »einen Genuesen, einen Fremden«, der sie so weit von ihrem Vaterlande weggeschleppt habe, zu murren. Es kam sogar bis zu einigen Anzeichen von Ungehorsam an Bord, und am 10. October erklärten die Matrosen, daß sie nicht weiter mitgehen würden. Mehrere etwas phantastische Geschichtsschreiber, welche die Reisen Christoph Columbus' erzählt haben, erwähnen hierbei gewisser ernster Scenen, deren Schauplatz die Caravelle des Anführers gewesen sei. Ihren Angaben nach soll sogar sein Leben durch die Empörer auf der »Santa Maria« bedroht gewesen sein. Sie sagen ferner, daß in Folge dieser Auftritte und einer Art Verhandlung dem Admiral noch drei Tage Frist bewilligt worden wären, nach deren Ablauf die Flotte, wenn sich auch dann kein Land gezeigt hätte, den Weg nach Europa einschlagen sollte. Jetzt weiß man, daß diese Berichte nur aus der Phantasie der Romantiker jener Zeit entsprungene Legenden sind. In Columbus' hinterlassenen Papieren findet sich nichts, was jene Erzählungen bestätigte. Wir erwähnen dieselben hier nur deswegen, weil es uns gut scheint, nichts zu übergehen, was auf den großen genuesischen Seehelden Bezug hat. Und ein wenig Legende thut ja der großartigen Erscheinung eines Columbus keinen Abbruch. Doch wie dem auch sei, es steht fest, daß man auf den Caravellen anfing zu murren, doch verweigerten die Mannschaften auf eine Ansprache des Admirals hin und[163] angesichts seiner energischen Haltung wenigstens nicht, vorläufig ihre Pflichten zu erfüllen.

Am 11. October sah der Admiral neben seinem Schiffe einen noch grünen Rosenstock bei stürmischem Meere hintreiben. Gleichzeitig fischte die Besatzung der »Pinta« einen anderen Rosenstock, ein Brett und einen Stock, der mit einem eisernen Instrumente zugeschnitten schien, auf. Die Hand des Menschen hatte ihr Merkzeichen auf diesen Seetriften zurückgelassen. Fast in demselben Augenblicke bemerkten die Leute der »Nina« einen Dornenzweig mit Blüthen daran. Alle fühlten sich neu belebt. Jetzt konnte ja die Küste nicht mehr fern sein.

Allmälich sank die Nacht über das Meer herab. Die »Pinta«, der beste Segler der Flottille, hielt sich an deren Spitze. Schon glaubten Christoph Columbus selbst und ein gewisser Rodrigo Sandez, ein Controleur des Kapitäns, ein Licht bemerkt zu haben, das sich im Schatten des Horizontes hin und her bewegte, als der Matrose Rodrigo von der »Pinta« den Ruf: »Land! Land!« ertönen ließ. Was mochte in diesem Moment in der Seele Christoph Columbus' vorgehen? Gewiß empfand noch Niemand, seit Menschen auf der Erde wandeln, eine solche Erregung wie jetzt der große Seefahrer. Oder war es doch das Auge des Admirals selbst, der zuerst mit jenem unsicheren Lichte das Land entdeckte? Sei dem wie es will, nicht daß Christoph Columbus ankam, begründet seinen Ruhm, sondern daß er wagte, nach diesem Ziele hin abzureisen.

Zwei Uhr Nachts war es, als man mit Bestimmtheit das Land erkannte. Die Caravellen segelten keine zwei Stunden entfernt von demselben. Alle Mannschaften stimmten tiefbewegt das Salve Regina an.

Bei den ersten Strahlen der Sonne sah man dann eine kleine Insel, zwei Stunden weit unter'm Winde vor sich. Diese gehörte zur Bahama-Gruppe. Columbus nannte sie San Salvador, fiel auf beide Kniee und betete mit St. Ambrosius und St. Augustin: »Te Deum laudamus, te Dominum confitemur«.

Da erschienen einige vollkommen nackte Eingeborne auf der neuen Küste. Christoph Columbus begab sich mit Alonzo und Yanez Pinzon, dem Controleur Rodrigo, dem Secretär Descovedo und einigen Anderen in ein Boot. Er trat an's Land, während er das königliche Banner in der Hand hielt und die beiden Kapitäne das Banner des grünen Kreuzes mit den[164] verschlungenen Namenschiffern Ferdinands und Isabellens trugen. Dann nahm der Admiral im Namen des Königs und der Königin von Spanien von der Insel Besitz und ließ ein Protokoll darüber aufnehmen.

Inzwischen umringten die Eingebornen Christoph Columbus und seine Gefährten. Nach Charton, der hierbei Columbus' eigenem Berichte folgt, wird diese Scene folgendermaßen geschildert:

»Um ihnen (den Eingebornen) Freundschaft für uns einzuflößen, und, so wie ich sie sah, überzeugt, daß sie zutraulicher gegen uns sein und eher unseren heiligen Glauben annehmen würden, wenn wir mit ' möglichster Schonung und Milde verführen und zur Gewalt unsere Zuflucht nicht nähmen, ließ ich mehreren derselben bunte Mützen und Glasperlen schenken, welch' letztere sie am Halse befestigten. Ich fügte dem noch einige andere werthlose Sachen hinzu; sie zeigten eine große Freude darüber und erwiesen sich so erkenntlich dafür, daß es uns wirklich überraschte. Als wir wieder auf den Schiffen waren, schwammen sie zu uns heran, um Papageien, Knäuel von Baumwollfaden und mancherlei andere Dinge als Gegengeschenke anzubieten; wir gaben ihnen dafür nochmals kleine Glasperlen, klingende Schellen und anderen Tand. Sie gaben uns Alles, was sie besaßen. Alles in Allem schienen sie mir aber sehr arm zu sein; Männer und Frauen gingen so nackt, wie sie einst das Licht der Welt erblickt hatten. Unter Denen, die wir sahen, befand sich nur eine einzige jüngere Frau, keiner der Männer aber mochte über dreißig zählen. Uebrigens waren sie wohlgebaut, hübsch von Körper und angenehm von Gesicht. Ihre Haare – so grob wie die Haare des Roßschweifes – hingen über die Stirn bis auf die Augenbrauen herab; nach rückwärts trugen sie dieselben zu einem langen, niemals verschnittenen Büschel vereinigt. Einige derselben hatten sich mit schwärzlicher Farbe angemalt, sonst sind sie jedoch von der nämlichen Farbe wie die Bewohner der Canarischen Inseln. Sie sind weder schwarz noch weiß; einzelne malen sich auch weiß oder roth, oder mit beliebigen anderen Farben entweder den ganzen Körper, oder nur das Gesicht, die Augen, oder nur allein die Nase. Sie besitzen keine Waffen wie die unsrigen und kennen dieselben überhaupt gar nicht. Als ich ihnen Säbel zeigen ließ, ergriffen sie dieselben, um sich damit die Nägel zu verschneiden. Das Eisen ist ihnen unbekannt. Ihre Wurfspieße sind eigentlich nichts als Stöcke. Auch deren Spitze ist nicht von Eisen, wohl aber zuweilen mit einem spitzigen Fischzahn[165] oder einem anderen harten Körper bewehrt In ihren Bewegungen entwickeln sie viel natürliche Grazie. Da ich bei Einigen am Körper Narben bemerkte, fragte ich durch Zeichen, wie sie verwundet worden seien, und sie antworteten auf dieselbe Weise, daß die Bewohner benachbarter Inseln sie überfallen, um Gefangene zu machen, und sie sich dagegen vertheidigt hätten. Ich glaubte und glaube es noch immer, daß vom Festlande her Räuber kommen, um sie einzufangen und zu Sklaven zu machen. Sie müssen sehr treue und sanftmüthige Diener sein. Sie haben die Gewohnheit, schnell zu wiederholen, was sie hören. Ich bin überzeugt, daß sie leicht zum Christenthum zu bekehren sein werden, denn wie mir scheint, gehören sie keinerlei Secte an.«

Als Christoph Columbus nach seinem Schiffe zurückkehrte, folgte dem Boote eine Anzahl Eingeborner schwimmend. Am nächsten Tage, dem 13. October, zeigten sich Eingeborne in großer Anzahl bei den Caravellen. Sie saßen in großen, aus je einem Baumstamme geschnitzten Piroguen, von denen manche wohl vierzig Mann fassen konnte, und die sie mit Rudern in Form von Bäckerschaufeln fortbewegten. Einige dieser Wilden trugen als Schmuck kleine Goldplättchen an der Nasenscheidewand. Sie schienen über die Ankunft der Fremden sehr erstaunt und glaubten offenbar, diese weißen Männer seien vom Himmel gefallen. Mit ebensoviel Verehrung als Neugier berührten sie die Kleider der Spanier, die sie ohne Zweifel für eine Art natürlichen Gefieders hielten. Der scharlachrothe Rock des Admirals erregte ihre Bewunderung in höchstem Maße. Allem Anscheine nach betrachteten sie Columbus als einen Papageien von besserer Art. Uebrigens erkannten sie in ihm sofort den Anführer der Fremden.

Christoph Columbus und seine Leute nahmen nun diese neue Insel San Salvador näher in Augenschein und konnten deren glückliche Lage, ihre prächtigen Wälder, Flüsse und grünen Wiesen gar nicht genug bewundern. Nur die Fauna war ziemlich einförmig, Papageien mit schillerndem Gefieder wiegten sich in großer Menge auf den Bäumen, bildeten aber scheinbar auch die einzige, hier vorkommende Art Vögel. San Salvador erschien als eine wenig hügelige Hochebene; in seinem mittleren Theile breitete sich ein kleiner See aus, während kein eigentlicher Berg die Fläche des Erdbodens unterbrach. Vielleicht barg San Salvador jedoch große mineralische Schätze, da seine Bewohner Goldschmuck trugen, obwohl man ja nicht wissen konnte, ob dieses Metall von ihrer Heimatinsel selbst herrührte.[166]

Der Admiral fragte deshalb einen der Eingebornen und es gelang ihm, aus dessen Zeichen zu verstehen, daß er, wenn er die Insel umsegelte und sich nach Süden wendete, ein Land antreffen werde, dessen König große, goldene Gefäße und ungeheure Reichthümer besäße. Am anderen Tage gab Christoph Columbus seinen Caravellen mit dem ersten Morgengrauen Befehl, die Anker zu lichten, und steuerte nach dem bezeichneten Festlande, das seiner Meinung nach kein anderes als Cipango sein konnte.

Wir müssen hier eine wohl zu beachtende Bemerkung einflechten über einen Umstand, der sich aus den geographischen Kenntnissen der damaligen Zeit ergab: den nämlich, daß Christoph Columbus selbst glaubte, in Asien angekommen zu sein. Cipango ist Marco Polo's Name für Japan. Es bedurfte vieler Jahre, ehe man diesen von allen seinen Begleitern getheilten Irrthum des Admirals als solchen erkannte, und der große Seeheld selbst starb ja auch, wie erwähnt, nach vier glücklich zurückgelegten Reisen, ohne eine Ahnung davon, daß er eine Neue Welt entdeckt hatte. Es steht außer allem Zweifel, daß Columbus' Leute, und auch dieser selbst, der Meinung waren, in der Nacht des 12. October 1492 entweder Japan, China oder Indien aufgefunden zu haben. Hieraus erklärt es sich auch, daß ganz Amerika so lange den Namen »Westindien« führte, und daß die Eingebornen dieses Continents noch heute, sowohl in Brasilien und Mexiko, als in den Vereinigten Staaten »Indianer« genannt werden.

Christoph Columbus verfolgte jetzt also eigentlich nur das eine Ziel, nach Japan zu gelangen. Er segelte längs der Küste von San Salvador hin, um auch dessen westlichen Theil kennen zu lernen. Die Einwohner strömten am Ufer zusammen und boten ihm Wasser und Cassave, d. i. eine Art Brot aus Yucca-Wurzel an. Wiederholt ging der Admiral an verschiedenen Stellen an's Land und versündigte sich freilich gegen die Pflichten der Humanität, indem er mehrere Indianer entführen ließ, um sie nach Spanien mitzunehmen. Schon begann man also, diese Unglücklichen aus ihrer Heimat zu rauben; konnte es nun fehlen, daß man sie auch bald als Sklaven verkaufte? Endlich verloren die Caravellen San Salvador aus dem Gesichte und gingen wieder auf's offene Meer hinaus.

Gewiß hatte ein gütiges Geschick Columbus begünstigt, indem es ihn gerade mitten in einen der schönsten Archipele der ganzen Welt führte. All'[167] das neue Land, das er noch entdecken sollte, glich einem gefüllten Schmuckkästchen, woraus er nur mit vollen Händen zuzulangen brauchte.

Am 15. October mit Sonnenuntergang warf die Flottille an der Westseite einer zweiten Insel Anker, welche man Conception taufte, und welche nur ein Zwischenraum von fünf Meilen von San Salvador trennte. Am darauffolgenden Morgen ging der Admiral mit gut bewaffneten und gegen jeden etwaigen Ueberfall gesicherten Booten an's Land. Die Ureinwohner,[168] offenbar von derselben Race wie die in San Salvadar, empfingen die Spanier sehr freundlich. Da sich indessen ein günstiger Südostwind erhob, versammelte Columbus wieder seine Flotte und entdeckte, neun Meilen weiter im Westen, eine dritte Insel, der er den Namen Ferdinandina gab. Es ist dies das heutige Groß-Exuma.


Was mochte in der Seele Christoph Columbus' vorgehen? (S. 164.)
Was mochte in der Seele Christoph Columbus' vorgehen? (S. 164.)

Man blieb die ganze Nacht aufgebraßt liegen und am nächsten Morgen, dem 17. October, kamen große Piroguen, welche um die Caravellen herumglitten. Die Beziehungen zu den Eingebornen gestalteten sich ganz vortrefflich. Die Wilden tauschten friedlich ihre Früchte und kleinen Baumwollenballen gegen Glasperlen, baskische Tamburins, Nadeln, für welche sie große Vorliebe zeigten, und gegen Syrup aus, von dem sie begierig naschten. Die Einwohner von Ferdinandina kannten schon mehr den Gebrauch der Kleidung und waren im Ganzen etwas civilisirter; sie bewohnten Häuser in Form von Pavillons mit hohen Schornsteinen, diese Hütten waren im Innern sehr reinlich und überhaupt wohlerhalten. Die von einer weiten Bucht tiefeingeschnittene Nordseite der Insel hätte wohl hundert Schiffen einen geräumigen und sicheren Hafen geboten.

Doch auch Ferdinandina bot den Spaniern die Reichthümer nicht, nach denen sie so großes Verlangen trugen und von welchen sie die Proben mit nach Spanien zurücknehmen wollten; Goldminen gab es hier offenbar nicht. Dagegen sprachen die auf der Insel miteingeschifften Eingebornen immer von einer größeren, mehr im Süden gelegenen Insel mit Namen Samoeto, die er Isabella nannte und welche man auf den jetzigen Karten unter dem Namen Isle Longue findet.

Nach den Aussagen der Bewohner von Salvador hätte man glauben müssen, hier einen großmächtigen König anzutreffen; mehrere Tage lang wartete der Admiral vergeblich; diese große Persönlichkeit zeigte sich nicht. Die Insel Isabella bot übrigens mit ihren kleinen Seen und dichten Wäldern einen wahrhaft prächtigen Anblick. Die Spanier bewunderten nur immer die neuen Baumarten, deren herrliches Grün europäische Augen über alle Maßen entzückte. Unter den üppigen Bäumen flatterten unzählige Papageien, und große, muntere Eidechsen, jedenfalls Iguane, schlüpften hurtig durch das hohe Gras. Die Einwohner der Insel, welche zuerst beim Anblick der Spanier entflohen waren, wurden doch bald zutraulicher und verhandelten die Erzeugnisse des Bodens an die Fremden.[169]

Christoph Columbus gab seinen Gedanken, bei Japan angelangt zu sein, noch immer nicht auf. Da die Eingebornen einer nicht weit entfernten, sehr großen Insel im Westen Erwähnung thaten, welche sie Cuba nannten, setzte der Admiral voraus, daß diese einen Theil des Königreichs Cipango bilden würde, und zweifelte gar nicht mehr, binnen Kurzem die Stadt Quin-say, sonst auch Hang-tcheu-fu genannt und früher die Hauptstadt von China, zu erreichen.

Deshalb ging die Flottille auch, sobald es der Wind gestattete, wieder unter Segel. Am Donnerstag den 25. October bekam man sieben bis acht längs einer Linie verstreute Inseln in Sicht, wahrscheinlich die Mukares (Jamentos Keys). Christoph Columbus hielt sich hier indessen nicht auf und langte am folgenden Sonntag vor Cuba an.

Die Caravellen ankerten in einem Strom, dem die Spanier den Namen San Salvador beilegten; nach kurzem Aufenthalt setzte man aber den Weg nach Westen fort und lief wiederum in einen Hafen an der Mündung eines großen Stromes ein, aus dem später der Hafen Nuevitas del Principe wurde.

Das Gestade der Insel schmückten viele Palmen, deren Blätter so breit waren, daß ein einziges zur Bedeckung der Hütten der Eingebornen hinreichte. Letztere hatten bei der Annäherung der Spanier die Flucht ergriffen. Am Strande fanden sich verschiedene kleine Götzenbilder in Form von weiblichen Figuren, ferner gezähmte Vögel, Gebeine von Thieren, stumme Hunde und mancherlei Jagdgeräthe. Auch die Wilden Cubas wurden durch die gewöhnlichen Mittel herbeigelockt und traten dann ebenfalls mit den Spaniern in Tauschhandel.

Christoph Columbus glaubte nun auf dem Festlande und wahrscheinlich nur wenige Meilen von Hang-tcheu-fu entfernt zu sein. Dieser Gedanke hatte sich sowohl seiner selbst als seiner Officiere so sehr bemächtigt, daß er sich schon damit beschäftigte, dem Groß-Khan von China einige Geschenke zu übersenden. Am 12. November beauftragte er einen Edelmann von seinem Schiffe und einen Juden, der hebräisch, chaldäisch und arabisch sprach, sich zu dem Monarchen des Landes zu begeben. Die Gesandten nahmen kostbare Perlenhalsbänder mit und begaben sich in das Innere des vermeintlichen Continents, in der Annahme, ihre Mission etwa binnen sechs Tagen erfüllen zu können.[170]

Inzwischen segelte Christoph Columbus ungefähr zwei Meilen weit einen schönen Fluß hinauf, der im Schatten großer, wohlriechender Bäume dahinlief. Die Eingebornen trieben dabei mit den Spaniern den gewohnten Tauschhandel und verwiesen diese immer wieder nach einem Orte Namens Bohio, wo sich Gold und Perlen im Ueberfluß finden sollten. Sie fügten auch hinzu, daß dort Menschen mit Hundeköpfen lebten, die sich von Fleisch ernährten.

Am 16. November schon, also nach kaum viertägiger Abwesenheit, kehrten die Gesandten des Admirals nach dem Hafen zurück. Nach zwei Marschtagen hatten sie ein aus etwa fünfzig Hütten bestehendes Dorf erreicht gehabt, in welchem sie mit wahrhaft übermäßiger Verehrung aufgenommen worden waren. Man küßte ihnen daselbst Füße und Hände und hielt sie geradezu für Götter, welche vom Himmel herabgestiegen seien. Ueber die Sitten der Eingebornen erzählten sie unter Anderem, daß Männer und Frauen mittelst einer gabelförmig getheilten Pfeife Tabak rauchten, wobei sie den Rauch durch die Nasenlöcher einsogen. Die Ureinwohner wußten sich auch durch Reibung zweier Hölzer aufeinander Feuer zu verschaffen. In ihren Häusern fand sich sehr viel Baumwolle vor, die sie in Gestalt von Zelten aufgestapelt hatten, und eines derselben enthielt nahe an 11.000 Pfund. Vom Groß-Khan freilich hatten sie auch nicht eine Spur entdeckt.

Wir berühren hier auch noch einen zweiten Irrthum und Fehler des Columbus, der in seinen Folgen, nach Irving, der ganzen Reihe seiner Entdeckungen eine andere Richtung gab. Da Columbus nämlich an der Küste Asiens zu sein glaubte, sah er folgerichtig Cuba für einen Theil des Festlandes an. Eben aber darum dachte er gar nicht daran, dasselbe zu umschiffen, sondern beschloß vielmehr, nun nach Osten zurückzukehren. Hätte er sich bei dieser Gelegenheit nicht getäuscht und wäre er seiner Richtung unentwegt gefolgt, so würde das Resultat seines Zuges ein ganz anderes Ansehen gewonnen haben. Entweder wäre er dann nach Florida, an die Südspitze Nord-Amerikas gelangt, oder direct nach Mexiko gekommen. Was hätte er aber in letzterem Falle an Stelle der Wilden und unwissenden Eingebornen gefunden? Nun, die Bewohner des großen Reiches der Azteken, der von Montezuma halb civilisirten Gebiete. Dort hätte er Städte, Heere neben unermeßlichen Reichthümern angetroffen und seine Rolle würde wahrscheinlich dieselbe gewesen sein, welche nach ihm Ferdinand Cortez übernahm.[171]

Doch es sollte nicht so kommen; der in seinem Irrthum befangene Admiral kehrte mit der Flottille, welche am 12. November 1492 die Anker lichtete, wieder nach Osten zurück.

Lavirend folgte Christoph Columbus der Küste Cubas, entdeckte die beiden Berge Cristal und Moa, besuchte einen Hafen, den er Puerto del Principe nannte, und einen Archipel, dem er den Namen das Meer von Notre-Dame beilegte. Jede Nacht leuchteten die Feuer der Fischer auf den zahlreichen Inseln, deren Bewohner sich von Spinnen, Krebsen und einer Art großer Würmer (Seealen?) ernährten. Die Spanier gingen auch wiederholt an's Land und errichteten ein Kreuz als Zeichen der Besitznahme des Landes.

Häufig sprachen die Eingebornen gegen den Admiral von einer gewissen Insel Babèque, wo Gold in Menge vorhanden sei. Der Admiral beschloß, sich dahin zu begeben. Martin Alonzo Pinzon aber, der Kapitän der »Pinta«, dessen Caravelle am besten segelte, fuhr ihm voraus und war bei Anbruch des 21. November vollständig aus dem Gesichtskreise der Anderen verschwunden.

Der Admiral erschien über diese Trennung mit Recht sehr erzürnt, wovon noch die Stelle in seinem Bericht den Beweis liefert, wo er sagt: »Pinzon hat mir auch noch manches Andere gesagt und angethan«. Er setzte indeß seinen Weg zur Durchforschung Cubas unbeirrt weiter fort und entdeckte die Bai von Moa, die Mangle-Spitze, das Cap Vaez und den Hafen Baracoa; nirgends aber fand er Kannibalen, obwohl die Hütten der Eingebornen nicht selten mit Menschenschädeln verziert waren, worüber sich die an Bord befindlichen Eingebornen sehr zu freuen schienen.

Während der folgenden Tage sah man den Fluß Boma und befanden sich die Caravellen, welche das Cap de los Azules umschifften, auf der Ostseite der Insel, deren Küste sie in einer Länge von hundertfünfundzwanzig Meilen aufgenommen hatten. Statt sich nun aber nach Süden zu wenden, entfernte sich Columbus mehr nach Osten und kam am 5. December in Sicht einer großen Insel, welche die Indianer Bohio nannten. Es war das Haïti oder San Domingo.

Am Abend lief die »Nina« unter Führung des Admirals einen Hafen an, der den Namen Port-Marie erhielt. Es ist das der heutige Hafen von San Nicolo in der Nähe des gleichnamigen Caps am Nordwestende der Insel.

Am nächsten Tage fanden die Spanier noch eine große Menge solcher Caps und auch ein Eiland, die Schildkröteninsel. Die Caravellen jagten,[172] sobald sie nur sichtbar wurden, die Piroguen der Indianer in die Flucht. Diese Insel, deren Gestade sie folgten, erschien ihnen sehr groß und sehr hoch, wovon der spätere Name Haïti, d. i. Hochland, sich herleitet. Die Aufnahme der Ufer wurde noch bis zur Mosquito-Bai fortgesetzt. Die Vögel, welche unter den schönen Bäumen dieser Insel umherflatterten, ihre Pflanzen, Ebenen und Hügel erinnerten Alle lebhaft an die Gefilde Castiliens. Deshalb gab Christoph Columbus dem neuen Lande auch den Namen Espagnola. Die Bewohner waren sehr furchtsam und mißtrauisch, so daß man, da sie in's Innere entflohen, mit ihnen keinerlei Verbindung anknüpfen konnte. Einigen Matrosen gelang es jedoch, eine Frau einzufangen, die sie an Bord brachten. Sie war noch jung und ziemlich hübsch. Der Admiral schenkte ihr Ringe, Perlen und Kleidungsstücke, deren sie höchst nothwendig bedurfte; er behandelte sie überhaupt mit größter Zuvorkommenheit und sandte sie dann wieder nach dem Lande zurück. Die nächste Folge davon war, daß die Eingebornen zutraulicher wurden, und als sich am Tage darauf neun bewaffnete Matrosen bis vier Stunden in das Innere des Landes hineingewagt hatten, wurden sie mit aller Ehrerbietung empfangen. In hellen Hansen strömten die Bewohner um sie zusammen und boten ihnen alle Erzeugnisse des Bodens an. Entzückt von dem Ausfluge, kamen die Matrosen zurück. Ihrer Erzählung nach war das Innere der Insel reich an Baumwollenstauden, Aloës und Mastixbäumen, und ein schöner Strom, später der Fluß der drei Ströme genannt, rollte daselbst sein klares Wasser dahin.

Am 15. December ging Columbus wieder unter Segel und führte ihn der Wind nach dem sogenannten Schildkröten-Eilande, wo er einen schiffbaren Wasserlauf fand und ein so herrliches Thal, daß er es das Thal des Paradieses nannte. Als er anderen Tages in einem tiefen Golfe lavirte, bemerkte er einen Eingebornen, der ein kleines Canot trotz der Gewalt des Windes mit großer Geschicklichkeit regierte. Dieser Indianer ward eingeladen, an Bord zu kommen; Columbus beschenkte ihn reichlich; dann segelte er nach einem Hafen Espagnola, den man später als den Hafen des Friedens bezeichnete, weiter.

Dieses freundliche Entgegenkommen erwarb dem Admiral die Zuneigung aller Eingebornen, und von demselben Tage ab fanden sie sich in großer Menge bei den Caravellen ein. Auch ihr König kam mit ihnen. Es war[173] das ein gut gebauter, kräftiger und etwas wohlbeleibter junger Mann von beiläufig zwanzig Jahren. Er ging eben so nackt wie seine männlichen und weiblichen Unterthanen, welche ihm viel Achtung, doch ohne das mindeste Zeichen kriechender Unterwürfigkeit, erwiesen. Columbus ließ ihm alle einem Souverän zukommenden Ehren erweisen, und aus Dankbarkeit theilte dieser König, oder richtiger Cazike, dem Admiral mit, daß die östlicheren Provinzen von Gold strotzten.

Am nächsten Tage stellte der Cazike alle Schätze seines Landes Columbus zur Verfügung. Er nahm an dem Feste der heiligen Maria theil, das Columbus auf seinem Fahrzeuge mit allem Prunke feiern ließ und bei welcher Gelegenheit auch das Schiff selbst möglichst ausgeschmückt worden war. Der Cazike wurde mit zur Tafel des Admirals gezogen und nahm wirklich an dem Mahle theil; nachdem er verschiedene Speisen und Getränke gekostet, schickte er die Becher und Schüsseln den Leuten seines Gefolges. Dieser Cazike hatte ein recht gutes Aussehen; er sprach wenig und erwies sich den Umständen nach ziemlich gebildet. Nach beendigtem Mahle bot er dem Admiral mehrere dünne Goldplättchen an. Dieser erwiderte das Geschenk durch einige Münzen mit den Bildnissen Ferdinands und Isabellens, und nachdem er ihm durch Zeichen begreiflich gemacht, daß von den mächtigsten Fürsten der Erde die Rede sei, ließ er in Gegenwart des eingebornen Königs die königlichen Banner von Castilien entfalten. Mit Anbruch der Nacht zog sich der Cazike sehr befriedigt zurück und mehrere Artilleriesalven donnerten ihm bei der Abfahrt nach.

Am folgenden Tage errichteten mehrere Leute der Mannschaft ein großes Kreuz mitten in dem Dorfe der Eingebornen, und dann verließen Alle diese gastliche Küste. Beim Auslaufen aus dem weiten, von den Schildkröteninseln und der Insel Espagnola gebildeten Golfe entdeckte man mehrere Häfen, Caps, Baien und Flüsse, an der Limbe-Spitze eine kleine Insel, welche St. Thomas getauft wurde, und endlich einen sehr geräumigen, sicheren und geschützten, zwischen der Insel und der Bai von Acul verborgenen Hafen, dessen Eingang ein von hohen baumbedeckten Bergen umschlossener Canal bildete.

Der Admiral betrat das Ufer ziemlich häufig. Die Eingebornen empfingen ihn als einen Abgesandten des Himmels und luden ihn ein, bei ihnen wohnen zu bleiben. Columbus beschenkte sie mit Schellen, zinnernen Ringen, Glasperlen[174] und anderen Kleinigkeiten, die sie sehr hoch zu schätzen schienen. Ein Cazike mit Namen Guacanagari, der Beherrscher von Marien, sandte Columbus einen Gürtel, geschmückt mit dem Abbilde eines Thieres mit großen Ohren, dessen Nase und Ohren aus Gold getrieben waren. Gold mochte es auf der Insel überhaupt viel geben, denn die Eingebornen brachten bald eine gewisse Menge dieses Metalls zusammen. Die Bewohner dieses Theiles von Espagnola zeichneten sich durch höhere Intelligenz und besseres, äußeres Ansehen aus. Nach Columbus dienten die schwarzen, rothen und weißen Malereien, mit denen sie ihren Körper bedeckten, wahrscheinlich nur zum Schutze gegen die Sonnenstrahlen. Die Häuser der Leute waren hübsch und gut gebaut. Als Columbus sie nach dem Lande fragte, woher das Gold komme, zeigten sie gen Osten nach einer Gegend, welche sie Cibao nannten und unter der der Admiral sich stets nur Cipango oder Japan vorstellen konnte.

Am heiligen Abend traf die Caravelle des Admirals ein schwerer Unfall. Es war das die erste Havarie bei dieser sonst so glücklich abgelaufenen Seefahrt. Ein unaufmerksamer Seemann bediente das Steuer der »Santa Maria« während eines Ausflugs aus dem Golfe von St. Thomas; als es finster wurde, gerieth er unbemerkt in eine falsche Strömung und wurde gegen die Uferfelsen getrieben. Die Caravelle strandete und ihr Steuer lief dabei fest auf. Der Admiral erwachte von dem Stoße und kam eiligst auf das Deck. Er ließ vom Vordertheile aus einen Anker auswerfen, um das Schiff durch kräftiges Ziehen an demselben zu wenden und wieder flott zu machen. Der Quartiermeister und einige Matrosen wurden mit der Ausführung dieses Manövers beauftragt und sprangen in das große Boot. Von Schrecken erfaßt, entflohen sie aber, so schnell sie rudern konnten, nach der »Nina« zu.

Inzwischen kam die Ebbe. Die »Santa Maria« sank immer tiefer ein; man mußte die Masten kappen, um sie zu erleichtern, und bald stellte sich die Nothwendigkeit heraus, die Besatzung an Bord des Begleitschiffes überzuführen. Der Cazike Guacanagari, der die mißliche Lage der Caravelle recht wohl begriff, kam mit seinen Brüdern, Verwandten und einer Menge Eingeborner herbei und betheiligte sich thätig bei der Entleerung des Fahrzeuges. Dank seiner Fürsorge, ging auch nicht ein Stück der Ladung verloren, und noch während der Nacht hielten bewaffnete Eingeborne rings um die einstweilen aufgespeicherten Proviantvorräthe Wache.


Columbus nannte dieses Thal das Thal des Paradieses. (S. 173.)
Columbus nannte dieses Thal das Thal des Paradieses. (S. 173.)

[175] Am folgenden Tage begab sich Guacanagari an Bord der »Nina«, um den Admiral zu trösten, und stellte ihm alle seine Schätze zur Verfügung. Gleichzeitig bot er ihm zur Aushilfe einen Vorrath an Lebensmitteln, bestehend aus Brot, kleinen Ziegen, Fischen, Wurzeln und Früchten an. Gerührt durch diese Freundschaftsbezeugungen, beschloß Columbus, auf einer dieser Inseln eine Niederlassung zu gründen. Er bemühte sich also, die[176] Indianer durch kleine Geschenke und liebenswürdiges Entgegenkommen noch mehr für sich zu gewinnen; dann ließ er, um ihnen eine Vorstellung von seiner Macht zu geben, eine Arkebuse und eine Standbüchse abfeuern, worüber die armen Leute heftig erschraken.

Am 26. December begannen die Spanier den Bau einer kleinen Befestigung an diesem Theile der Insel. Die Absicht des Admirals ging dahin, hier eine Anzahl Leute, die für ein Jahr mit Brot, Wein und Getreide versorgt werden sollten, zurückzulassen und ihnen die Schaluppe der »Santa Maria« zu übergeben. Die Arbeiten wurden auch mit allem Eifer betrieben.

Am nämlichen Tage erhielt man ferner wieder die erste Kunde von der »Pinta«, die sich am 21. November von der Flottille getrennt hatte; sie sollte, wie Eingeborne meldeten, in einem Flusse am Ende der Insel vor Anker liegen; ein von Guacanagari abgesandtes Canot konnte sie aber nicht auffinden. Da kam denn Columbus, der seine Entdeckungsfahrt unter den gegebenen Umständen nicht fortsetzen wollte, da er sich seit dem Verlust der nicht wieder brauchbaren, »Santa Maria« auf eine einzige Caravelle angewiesen sah, auf den Entschluß, nach Spanien zurückzukehren und traf auch bald seine Vorbereitungen zur Abreise.

Am 2. Januar bot Columbus dem Caziken das Schauspiel einer kleinen Schlacht, worüber der König und seine Unterthanen sich höchst erstaunt zeigten. Dann wählte er neununddreißig Mann aus, die während seiner Abwesenheit die Besatzung der Festung bilden sollten, und ernannte Rodrigo de Escovedo zu deren Commandanten. Der größte Theil der Ladung aus der »Santa Maria« wurde ihnen ausgeliefert und versprach, für sie länger als ein Jahr auszureichen. Unter den ersten Kolonisten der neuen Welt befanden sich ein Schreiber, ein spanischer Gerichtsdiener, ein Faßbinder, ein Arzt und ein Schneider. Diese Spanier unterzogen sich des Auftrages, die Goldminen aufzusuchen und einen geeigneten Platz zur Gründung einer Stadt ausfindig zu machen.

Am 3. Januar lichtete die »Nina« nach einem feierlichen Abschiede von dem Caziken und den neuen Kolonisten die Anker und segelte aus dem Hafen. Bald entdeckte man ein Eiland, über welches ein sehr hoher Berg emporragte, der den Namen Monte Christi erhielt. Zwei Tage hindurch folgte Columbus der Küste, als man die Annäherung der »Pinta« meldete. Bald traf deren[177] Kapitän, Martin Alonzo Pinzon, an Bord der »Nina« ein und suchte sein Benehmen nach allen Seiten zu entschuldigen. In Wahrheit segelte Pinzon seiner Zeit nur voraus, um zuerst die Insel Babèque zu erreichen, welche die Eingebornen als so unermeßlich reich schilderten. Der Admiral beruhigte sich indeß bei den unhaltbaren Gründen, welche Kapitän Pinzon vorbrachte, und erfuhr von diesem, daß die »Pinta« nur längs der Küste von Espagnola hingesegelt sei, ohne eine neue Insel zu entdecken.

Am 7. Januar hielt man an, um ein kleines Leck im Raume der »Nina« auszubessern. Columbus benützte diesen Aufenthalt, um einen breiten, etwa eine Meile vom Monte Christi befindlichen Strom näher zu untersuchen. Von den glänzenden Flitterchen, welche die Strömung mit sich führte, erhielt derselbe den Namen der »Gold-Fluß«. Gern hätte der Admiral auch diesen Theil von Espagnola näher durchforscht, seine Mannschaften drängten aber zur Heimkehr und begannen, verleitet von den Gebrüdern Pinzon, sogar gegen seine Autorität zu murren.

Am 9. Januar gingen die beiden Caravellen wieder unter Segel und schlugen einen Kurs nach Ost-Südosten ein. Sie hielten sich dabei immer in der Nähe der Küsten, deren kleinste Ausbuchtungen ihre Namen erhielten, wie z.B. die Isabellen-Spitze, das Cap de la Roca, das Cap Francais, Cap Cabron und endlich die am äußersten östlichen Ende der Insel gelegene Bai von Samana. Hier fand sich ein Hafen, in dem die Flottille wegen der herrschenden Windstille vor Anker ging. Das erste Zusammentreffen mit den Eingebornen verlief ganz nach Wunsch; doch bald sollten sich diese guten Beziehungen ändern. Der schon begonnene Handel nahm ein Ende und gewisse feindselige Demonstrationen ließen deutlich die bösen Absichten der Indianer erkennen. Wirklich überfielen diese die Spanier unerwartet am 13. Januar. Trotz ihrer Minderzahl hielten Letztere jedoch wacker Stand und trieben mit Hilfe ihrer besseren Waffen die Feinde nach einem Kampfe von nur wenig Minuten in die Flucht. Das war das erste Mal, daß Indianerblut von europäischen Händen vergossen wurde.

Am nächsten Tage behielt Columbus noch vier Gefangene, junge Eingeborne, an Bord und ging mit ihnen, trotz ihres Widerspruchs, unter Segel. Seine erbitterten und wohl auch ermüdeten Mannschaften machten ihm manchen Aerger, und der über alle menschlichen Schwächen fast ganz erhabene Mann, den die schwersten Schicksalsschläge nicht niederzudrücken vermochten, beklagte[178] sich in seinem Reisebericht recht schmerzlich darüber. Am 16. Januar begann die eigentliche Rückreise und verschwand das Cap Samana an der äußersten Spitze von Espagnola, unter dem Horizonte.

Die Ueberfahrt ging sehr schnell und bis zum 12. Februar ohne merkliche Zwischenfälle von statten. Am genannten Tage wurden die beiden Caravellen aber von einem furchtbaren Sturme überrascht, der mit entsetzlichen Windstößen, haushohen Wellen, unter fortwährenden Blitzen in Nord-Nordosten dreimal vierundzwanzig Stunden anhielt. Erschreckt legten die Seeleute das Gelübde einer Pilgerfahrt zur heiligen Maria von Guadaloupe, Notre-Dame de Loretto und St. Clair de Moguer ab. Endlich schwuren die Leute, barfuß und im Büßerhemd in einer der Mutter Gottes geweihten Kirche zu beten.

Trotz alledem nahm der Sturm an Heftigkeit zu. Auch der Admiral befürchtete eine Katastrophe und schrieb auf ein Pergament eiligst einen kurzen Bericht seiner Entdeckungen nieder, mit der Bitte an den etwaigen Finder, dasselbe dem Könige von Spanien zugehen zu lassen; dann verschloß er dieses in Wachstuch eingewickelte Document in ein Holzfaß und ließ es in's Meer werfen.

Mit dem Aufgang der Sonne am 15. Februar schwächte der Orkan sich ab; die während der letzten Tage von einander getrennten Caravellen trafen wieder zusammen und ankerten drei Tage später bei der Insel Sainte Marie, einer der Azoren. Sofort sorgte der Kapitän für Erfüllung der während des Ungewitters gethanen Gelübde und schickte deshalb die Hälfte seiner Leute an's Land; diese wurden aber von den Portugiesen als Gefangene zurückgehalten und erst fünf Tage später, und nur auf die energische Reclamation Christoph Columbus', wieder freigegeben.

Am 93. Februar stach der Admiral wieder in See. Von widrigen Winden aufgehalten und von einem nochmaligen Sturm bedroht, legte er mit allen seinen Leuten auf's Neue verschiedene Gelübde ab und verpflichtete sich, am ersten Samstag nach der Ankunft in Spanien zu fasten. Am 4. März endlich bekamen die Seefahrer die Mündung des Tajo zu Gesicht, in welche sich die »Nina« flüchten konnte, während die »Pinta« vom Wind bis in die Bai von Biscaya verschlagen wurde.

Die Portugiesen nahmen den Admiral sehr herzlich auf; der König bewilligte ihm sogar eine Audienz. Columbus lag es nun aber am Herzen,[179] schnell nach Spanien zu kommen. Sobald es die Witterung irgend erlaubte, ging die »Nina« wieder in See und warf am 15. März, gegen Mittag, vor dem Hafen von Palos Anker, nach einer Reise von sieben Monaten, während welcher Columbus die Inseln San Salvador, Conception, Groß-Exuma, Longue, die Mukares, Cuba und San Domingo entdeckt hatte.

Ferdinands und Isabellens Hofhaltung befand sich zur Zeit eben in Barcelona. Der Admiral ward dahin befohlen. Er reiste sogleich mit den aus der neuen Welt mitgebrachten Indianern ab. Der Enthusiasmus, den er überall hervorrief, kannte fast keine Grenzen. Von allen Seiten lief das Volk zusammen, wo es den großen Seehelden nur treffen zu können glaubte, und erwies ihm wahrhaft königliche Ehren. Der Einzug Christoph Columbus in Barcelona gestaltete sich wahrhaft prächtig. Der König, die Königin und die Granden von Spanien empfingen ihn feierlich im Palaste der Deputation. Hier erstattete er einen Bericht über seine merkwürdige Reise, wies die Muster von Gold vor, die er mitgebracht hatte, und die ganze Versammlung fiel dann auf die Kniee und stimmte das Te Deum an.

Christoph Columbus ward hierauf durch ein besonderes Patent geadelt und der König verlieh ihm ein eigenes Wappen mit der Devise: »Castilien und Leone schenkte Columbus eine neue Welt«. Der Name des genuesischen Seefahrers hallte durch ganz Europa wider; die von ihm mitgeführten Indianer erhielten in Gegenwart des Hofes die christliche Taufe und der so lange Zeit arme und verkannte, geistvolle Mann stand jetzt auf der höchsten Staffel seines Ruhmes.[180]

Quelle:
Jules Verne: Die Entdeckung der Erde. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXIX–XXX, Wien, Pest, Leipzig 1881, S. 159-181.
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