II.

[239] Entdeckung des Sandwich-Archipels. – Untersuchung der Westküste Amerikas. – Jenseits der Behrings-Straße. – Rückkehr nach dem Hawaï-Archipel. – Cook's Tod. – Rückkehr der Expedition nach England.


Unter 160° der Länge und 20° nördlicher Breite bekamen die beiden Schiffe am 18. Januar 1778 die ersten Theile des Sandwich- oder Hawaï-Archipels in Sicht. Die Seefahrer überzeugten sich bald, daß die Gruppe bewohnt sei, denn es stießen von der Insel Atooi oder Tavaï eine große Anzahl Pirognen ab, welche sich um die Schiffe versammelten.

Die Engländer erstaunten nicht wenig darüber, diese Eingebornen die Sprache Tahitis reden zu hören. Man trat mit denselben auch bald in freundschaftliche[239] Verbindung, und schon am nächsten Tage ließen sich viele Insulaner zum Besteigen der Schiffe bestimmen. Ihr Erstaunen und ihre Bewunderung beim Anblick so vieler unbekannter Gegenstände gaben sie ebenso durch Blicke wie durch Bewegungen und wiederholte Ausrufe zu erkennen. Doch kannten sie schon das Eisen, das sie »Hamaïta« nannten. So viele Merkwürdigkeiten und kostbare suchen erregten freilich auch ihre Habgier, und sie verschmähten kein erlaubtes oder unerlaubtes Mittel, sich in Besitz derselben zu setzen.


Baum, unter dem Cook den Venus-Durchgang beobachtete. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Baum, unter dem Cook den Venus-Durchgang beobachtete. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Geschicklichkeit und Neigung zum Stehlen waren bei ihnen nicht weniger entwickelt als bei[240] den anderen Stämmen der Südsee; man mußte jede Vorsicht aufbieten – und auch das erwies sich oft noch nutzlos – um sich ihrer Diebereien zu wehren. Als die Engländer sich unter Führung des Lieutenant Williamson dem Ufer näherten, um zu sondiren und einen Ankerplatz auszuwählen, mußten sie den Widerstand der Eingebornen mit Gewalt brechen. Der Tod eines der Wilden schüchterte sie freilich schnell ein und flößte ihnen eine hohe Meinung von der Macht der Fremdlinge ein. Cook ließ sich, sobald als die »Resolution« und die »Discovery« verankert lagen, in der Bai von Quai-Mea an's Land rudern.[241]

Kaum hatte er dasselbe betreten, als sich ihm die, auf dem Strande zahlreich versammelten Eingebornen zu Füßen warfen und ihre tiefste Ehrerbietung zu erkennen gaben. Dieser ungewohnte Empfang versprach einen angenehmen Aufenthalt, denn an Proviant schien es hier nicht zu mangeln, und Früchte, Schweine und Geflügel strömten von allen Seiten zusammen. Gleichzeitig halfen die Eingebornen den Matrosen, die Wassertonnen zu füllen und nach den Schaluppen zu befördern.

Diese beruhigenden Aussichten veranlaßten Anderson und den Maler Webber, sich tiefer in das Innere des Landes zu begeben. Bald standen sie vor einem Moraï, der den Morais auf Tahiti in allen Stücken glich. Diese Entdeckung bekräftigte die Engländer in den Vermuthungen, welche die Aehnlichkeit der Sprache von Hawaï mit der von Tahiti in ihnen erzeugt hatte. Eine Abbildung in Cook's Reiseberichte stellt das Innere jenes Moraï dar. Man sieht darauf zwei stehende Gestalten, deren Oberkopf zum Theil unter hohen cylindrischen Mützen, ähnlich den Kopfbedeckungen der Statuen auf der Osterinsel, verschwindet.


Prinz Wilhelm-Einfahrt. (S. 245.)
Prinz Wilhelm-Einfahrt. (S. 245.)

Hier begegnet man zum mindesten also einer auffälligen Uebereinstimmung, welche mancherlei zu denken giebt.

Zwei Tage über verweilte Cook an diesem Ankerplatze und hatte alle Ursache, mit dem Auftreten der Urbewohner zufrieden zu sein; dann nahm er die Nachbarinsel Oneeheow in Augenschein. Trotz seines Wunsches, diesen so interessanten Archipel recht eingehend zu untersuchen, ging der Commandant doch sehr bald wieder unter Segel und sah nun von ferne die Insel Ouhaon nebst dem Risse von Tahoora, was er Alles zusammen mit dem Namen des Sandwich-Archipels bezeichnet, an dessen Stelle später der ursprüngliche Name Hawaï getreten ist.

Anderson schildert die Hawaïer als kräftige, schlanke Menschen von mittlerer Größe, mit offenem verläßlichen Charakter. Weniger verschlossen als die Bewohner der Inseln der Freunde, sind sie doch auch nicht so beweglich wie die Tahitier. Sie schienen fleißig, geschickt und einsichtig, und ihre Pflanzungen bewiesen eine gewisse Kenntniß im Ackerbau. Sie zeigten nicht allein nicht jene sinnlose, kindische Neugierde beim Erblicken der europäisihen Gegenstände, sondern sachten sich über deren Gebrauch zu unterrichten und ließen höchstens eine aus dem Gefühle ihrer Inferiorität entspringende Traurigkeit hindurchblicken.

Die Bevölkerung erschien ziemlich zahlreich und wurde allein für die Insel Tavaï auf 30.000 Seelen geschätzt. In der Art der Bekleidung, der Auswahl der Nahrungsmittel und in der Zubereitung derselben erkannte man leicht die[242] Landessitten Tahitis wieder. Für die Engländer Anregung genug, darüber nachzudenken, wie die Uebereinstimmung der durch eine so weite Meeresfläche getrennten Stämme wohl zu erklären sei.

Während seines ersten Aufenthaltes kam Cook mit keinem Häuptlinge der Gegend in Berührung; nur Kapitän Clerke von der »Discovery« erhielt zuletzt den Besuch eines derselben. Es war ein noch junger, hübsch gewachsener, vom Kopfe bis zu den Füßen in prachtvolle Stoffe gehüllter Mann, dem die Eingebornen ihre Ehrfurcht dadurch bewiesen, daß sie sich vor ihm niederwarfen. Clerke suchte ihn durch einige Geschenke zu gewinnen und er erhielt als Gegengabe eine mit zwei kleinen, ziemlich geschickt geformten Figuren verzierte Vase, welche zum Genießen des »Kava«, eines bei den Bewohnern von Hawaï, wie bei denen von Tonga sehr gewöhnlichen Lieblingsgetränkes diente. Die gebräuchlichen Waffen bestanden in Bogen, Keulen und Lanzen, letztere aus sehr hartem und festem Holze, so wie in einer Art an beiden Enden zugespitztem Dolche, welcher »Paphoa« hieß. Die Sitte des »Tabu« herrschte hier ebenso allgemein wie auf den Inseln der Freunde, und bevor die Eingebornen irgend etwas anrührten, erkundigten sie sich stets ängstlich, ob es nicht »Tabu« wäre.

Am 27. Februar schlug Cook wieder einen nördlichen Kurs ein und traf bald auf jene Steinalgen, von denen der Verfasser des Reiseberichtes von Lord Anson spricht. Vom 1. März ab steuerte er dann nach Osten, um sich der amerikanischen Küste zu nähern, und fünf Tage darauf bekam er das von Franz Drake sogenannte Neu-England zu Gesicht.

Die Expedition hielt sich nun stets auf dem hohen Meere und passirte das von Martin d'Aguilar schon am 19. Januar 1603 gesehene Cap Blanc, neben welches die Geographen den weiten Eingang zu einer Meerenge versetzten, deren Entdeckung sie dem genannten Seefahrer zuschrieben. Bald gelangte man in die Gegend der Juan de Fura-Enge, sah aber nichts, was derselben glich, obgleich diese wirklich vorhanden ist und die Insel Vancouver vom Festlande trennt.

Unter 49°15' der Breite entdeckte Cook bald eine Bucht, die er die »Bai Hope« taufte. Er ging hier vor Anker, um etwas Holz einzunehmen und seiner ermüdeten Mannschaft einige Rast zu gönnen. Daß diese Küste bewohnt war, bewiesen drei Canots, welche sich den Schiffen näherten.

»Einer der darin befindlichen Wilden, erzählt unser Reisender, erhob sich, begann eine lange Rede und machte gewisse Zeichen, die wir für eine Einladung, an's Land zu kommen, ansahen. Inzwischen warf er Federn auf uns zu und[243] mehrere seiner Kameraden verbreiteten eine Art rothen Staub oder Pulver in der Luft; der Redner war mit einem Felle bekleidet und hielt dabei einen Gegenstand in der Hand, durch dessen Schütteln er einen Ton wie von unseren Kinderschellen hervorbrachte. Dieser setzte sich nieder, als er von seiner Rede und Begrüßung, wovon wir natürlich kein Wort verstanden, ermüdet schien; danach ergriffen jedoch sofort zwei Andere das Wort; ihre Reden währten indeß nicht so lange und wurden auch nicht mit solchem Eifer vorgetragen.«

Mehrere jener Eingebornen hatten das Gesicht auf ungewöhnliche Weise roth bemalt und trugen dichte Federbüsche auf dem Kopfe. Obwohl sie ziemlich friedfertig auftraten, war doch Keiner zu bewegen, an Bord zu kommen.

Als die Schiffe jedoch Anker geworfen hatten, ließ der Commandant die Segel und Stengen abnehmen und den Besanmast der »Resolution« niederlegen, um einige Reparaturen auszuführen. Bald entwickelte sich ein lebhafter Handel mit den Indianern, bei dem von beiden Seiten die strengste Ehrlichkeit beobachtet wurde. Die Gegenstände, welche jene anboten, bestanden in Fellen von Bären, Wölfen, Füchsen, Dammwild, Iltissen, Mardern und vorzüglich von schönen Seeottern, die aus den östlich von Kamtschatka gelegenen Inseln herstammen, ferner Kleidungsstücken aus Hanfgewebe, Bogen, Lanzen, Angeln, monströsen Figuren, einem Stoffe aus Thierhaaren oder Wolle, aus Säcken mit Goldocker, einzelnen Stücken Holz mit Bildschnitzereien, Zieraten aus Kupfer und Eisen in Form von Hufeisen, welche sie an der Nase hängend zu tragen pflegen.

»Am meisten fielen uns aber menschliche Schädel und Hände mit noch daran befindlichen Fleischtheilen auf; sie gaben uns dabei unzweideutig zu verstehen, daß sie das Uebrige von den Körpern verzehrt hätten, und wir konnten uns auch wirklich überzeugen, daß jene Köpfe und Hände über Feuer gestanden hatten.«

Die Engländer bemerkten sehr bald, daß diese Wilden ebenso geschickte Diebe waren, wie sie solche nur je vorher getroffen. Ja, diese erschienen sogar noch gefährlicher, da sie, im Besitze von eisernen Werkzeugen, sich nicht scheuten, Stricke zu durchschneiden. Uebrigens führten sie ihre Diebereien mit großer Schlauheit aus, indem die Einen die Aufmerksamkeit des Wachthabenden an einem Ende eines Bootes abzulenken wußten, während Andere am entgegengesetzten Ende alle ablösbaren Eisentheile zusammenrafften. Sie verkauften auch eine gewisse Menge recht gutes Oel und viele Fische, vorzüglich wohlschmeckende Sardinen.

Nach Vollendung der so nothwendigen umfangreichen Ausbesserungen der Schiffe und nach Einnahme der geringen Futtervorräthe, deren man für die[244] wenigen noch an Bord befindlichen Ziegen und Schafe bedurfte, ging Cook am 26. April 1778 wieder unter Segel. Der Stelle, wo er sich hier aufhielt, hatte er den Namen »König Georgs-Einfahrt« beigelegt, während dieselbe von den Eingebornen »Noatka« genannt wurde.

Kaum auf die hohe See gelangt, überfiel die Schiffe ein schwerer Sturm, bei dem die »Resolution« einen Leck am Steuerbord bekam. Von dem Orkane getrieben, kam Cook bis über den Punkt hinaus, nach dem die Geographen Admiral de Fonte's Meerenge verlegt hatten, was er umsomehr bedauerte, als er gern alle Unsicherheit bezüglich dieser Angabe beseitigt hätte.

Der Commandant folgte also der amerikanischen Küste weiter und nahm deren wichtigste Punkte, die er auch namentlich bezeichnete, sorgsam auf. Während dieser Fahrt kam er häufig mit Indianern in Berührung und beobachtete, daß hier Canots an Stelle der Piroguen traten, welch' erstere nur im Gerippe aus Holz gebaut, sonst aber mit Seekalbfellen bekleidet waren.

Nach kurzer Rast an der Prinz Wilhelms-Einfahrt, wo der Leck der »Resolution« ausgebessert wurde, segelte Cook weiter, entdeckte und benannte die Caps Elisabeth und St. Hermogenes, die Banks-Spitze, die Caps Douglas, Bede, den Berg St. Augustin, den Cook-Strom, die Inseln Kodiak, der Dreieinigkeit und diejenigen, welche Behring Schoumagin getauft hatte. Ferner die Bai von Bristel, die Insel Ronde, de Calm-Spitze, das Cap Stewenham, wo Lieutenant Williamson einmal an das Land ging, und die Insel Anderson, so genannt zu Ehren des eifrigen Naturforschers, der hier einem Lungenleiden erlag; endlich die Insel King und das Cap Prince de Galles, das westlichste Vorgebirge Amerikas. Von hier aus steuerte Cook nach den Gestaden Asiens, trat mit den Tschuktschen in Berührung, drang am 11. August in die Behrings-Straße ein und traf in der folgenden Woche auf das erste Eis. Vergeblich suchte er in verschiedenen Richtungen höher hinauszudringen, überall trat ihm das Packeis als unüberwindliche Schranke entgegen. Am 17. August 1778 befand sich die Expedition unter 70°41' nördlicher Breite. Während eines ganzen Monats segelte man am Rande des Eises in der Hoffnung hin, doch zuletzt noch eine weiter nach Norden führende Durchfahrt aufzufinden. Alles erwies sich vergeblich. Man beobachtete dabei übrigens, daß das Eis mit Ausnahme der obersten, etwas porösen Schichte stets sehr rein und durchsichtig erschien.

»Ich hielt diese Decke, sagt Cook, mehr für gefrornen Schnee und glaubte, daß auch das übrige Eis seinen Ursprung dem Meere verdankt, denn es ist[245] unwahrscheinlich, oder vielmehr unmöglich, daß sich solch' enorme Massen in Flüssen bilden könnten, welche oft für ein einfaches Boot nicht genug Wassertiefe haben; außerdem bemerkten wir darin auch keine Reste vom Lande, welche gewiß nicht gefehlt hätten, wenn sich das Eis in größeren oder kleineren Flüssen bildete.«

Bisher ist der Weg durch die Behrings-Straße nur wenig benutzt worden, um höhere Breitengrade zu erreichen; jene Beobachtung erscheint also um so werthvoller, da sie den Beweis liefert, daß sich gegenüber der genannten Oeffnung ein ausgedehntes Meer ohne jedes Zwischenland befindet. Vielleicht ist dieses Meer – das war wenigstens die Ansicht des tiefbetrauerten Gustav Lambert – sogar offen. Seit Cook's Zeit drang man auf diesem Wege überhaupt noch nicht viel höher vor, außer an der Küste Sibiriens, wo die Inseln Long und Plover entdeckt wurden, und in dem Augenblicke, da wir dies schreiben, der kühne schwedische Reisende, Professor Nordenskjöld, die nordwestliche Durchfahrt ziemlich glücklich erzwungen hat. Nach diesen gefahrvollen Untersuchungen und so häufig wiederholten Versuchen, in höhere Breiten zu gelangen, blieb Cook bei der schon vorgeschrittenen Jahreszeit, wo ihm jeden Tag nur mächtigere Eismassen entgegentraten, nichts Anderes übrig, als ein Winterquartier unter milderem Himmel zu beziehen und seine Forschungen im nächsten Sommer fortzusetzen. Er segelte also eine Strecke des früher eingehaltenen Weges bis zur Insel Unalaska zurück und steuerte vom 26. October ab auf die Sandwichs-Inseln zu, deren Erforschung er während des Winterlagers zu vollenden gedachte.

Am 26. November wurde eine Insel entdeckt, deren Bewohner an die Mannschaft eine beträchtliche Menge Früchte und Wurzeln, wie Brotfrüchte, Pataten, »Taro« und »Eddywurzeln«, im Austausche gegen Nägel und eiserne Geräthe verkauften. Es war das die Insel Mowee, ein Theil des Sandwichs-Archipels. Bald erblickte man auch Owhyhee oder Hawaï, dessen Bergspitzen unter einer Schneedecke lagen.

»Nie habe ich unter den wilden Volksstämmen, sagt der Kapitän, Leute von so sicherem Auftreten gefunden, wie diese hier. Gewöhnlich schickten sie die zu verkaufenden Gegenstände zusammen nach dem Schiffe, dann kamen sie selbst an Bord und betrieben auf dem Hinterdeck ihren Handel. Trotz der wiederholten Besuche erwiesen uns die Tahitier niemals so viel Vertrauen. Ich schließe daraus, daß die Bewohner von Owhyhee in ihren gegenseitigen Geschäften verläßlicher und ehrlicher sind als die von Tahiti; denn wenn sie sich selbst nicht viel Gutes zutrauten, würden sie gewiß Fremden gegenüber weit mißtrauischer sein.«[246]

Am 17. Januar ankerten Cook und Clerke in einer von den Eingebornen Karakakooa genannten Bai. Nun wurden die Segel von den Raaen abgenommen und Raaen und Stengen geborgen. Die Schiffe waren bald von Besuchern überfüllt, von Piroguen umringt und die Plätze am Strande von einer zahllosen Menge Neugieriger bedeckt. Bisher hatte Cook noch niemals einen solchen Eifer gesehen.

Unter den Häuptlingen, die an Bord der »Resolution« kamen, bemerkte man bald vor Allem einen jungen Mann, Namens Pareea. Er war seiner Aussage nach »Jakaner«, wir wußten uns aber nicht zu erklären, ob damit nur ein gewisses Amt oder vielleicht ein gewisser Grad der Verwandtschaft mit dem Könige bezeichnet wurde. Jedenfalls genoß er bei dem gewöhnlichen Volke ein besonderes Ansehen. Einige gelegentliche Geschenke verpflichteten ihn den Engländern, denen er unter den obwaltenden Verhältnissen manchen dankenswerthen Dienst leistete.

Hatte Cook während seines ersten Aufenthaltes in Hawaï auch die Bemerkung gemacht, daß die Bewohner nicht so freche Diebe waren, so lag die Sache diesmal doch sehr anders. Ihre große Anzahl erleichterte es ihnen natürlich, kleinere Gegenstände zu entwenden, und verleitete sie zu der Annahme, man werde sich fürchten, diese Diebstähle zu bestrafen. Endlich gewann man gar die Ueberzeugung, daß sie von ihren Häuptlingen geradezu verleitet wurden, denn man sah mehrere von Anderen gestohlene Gegenstände in deren Händen.


Er begann bei Ueberreichung eines kleinen Schweines eine lange Rede. (S. 247.)
Er begann bei Ueberreichung eines kleinen Schweines eine lange Rede. (S. 247.)

Pareea und ein anderer Häuptling, mit Namen Kaneena, brachten an Bord der »Resolution« einen gewissen Koah, einen abgezehrten Greis, dessen ganzer Körper durch unmäßigen Genuß der »Ava« mit weißlichem Ausschlage bedeckt war. Dieser vertrat die Stelle eines Priesters. Als er Cook gegenüberstand, legte er diesem eine Art rothen Mantel um die Schultern und begann bei Ueberreichung eines kleinen Schweines höchst ernsthaft eine lange Rede. Da man später alle Götzenbilder mit einem ähnlichen Mäntelchen bekleidet sah, nahm man daraus ab, daß er eine Formel der Anbetung hergesagt habe. Die Engländer erstaunten ungemein über die wunderlichen Ceremonien des Cultus, mit dem die Eingebornen Cook's Person verehrten. Erst später begriffen sie, Dank den Untersuchungen des gelehrten Missionärs Ellis, die Bedeutung derselben. Wir wollen seine interessante Erklärung hier kurz einschalten; dadurch wird auch die Schilderung der späteren Ereignisse von vorneherein verständlicher. Eine alte Sage erzählt, daß ein gewisser Rono, der unter einem der ersten[247] Könige Hawaïs lebte, seine zärtlich geliebte Frau aus Eifersucht ermordet habe. Vor Schmerz und Kummer über diese That fast wahnsinnig, streifte er durch die ganze Insel, suchte Streit mit Jedermann und schlug nieder, wer ihm in den Weg kam. Endlich soll er sich, ermüdet, aber nicht gesättigt von diesen Blutthaten, mit dem Versprechen eingeschifft haben, er werde dereinst auf einer schwimmenden Insel, mit Cocosbäumen, Schweinen und Hunden darauf, wiederkommen. Diese Legende war durch einen Nationalgesang gewisser maßen geheiligt und zum Glaubensartikel für die Priester geworden, welche Rono unter die[248] Götter versetzt hatten.


Cook wird durch die Eingebornen bewillkommt. (S. 250.)
Cook wird durch die Eingebornen bewillkommt. (S. 250.)

Seiner Prophezeiung vertrauend, hoffen sie nun Jahr für Jahr, mit nie ermüdender Geduld auf deren Erfüllung. Fällt hier nicht die wunderbare Uebereinstimmung in die Augen zwischen dieser Legende und einer früher erwähnten, der zufolge der mexikanische Gott Quetzacoatl, vor dem Zorne einer mächtigen Gottheit entfliehend, sich in einem Nachen aus Schlangenhaut einschiffte, und Denen, die ihm das Geleit gaben, versprach, daß er mit seinen Nachkommen das Land einst wieder besuchen werde? Beim Erscheinen der englischen Schiffe erklärten der Oberpriester Koah und dessen Sohn One-La,[249] daß hier Rono komme, sein Versprechen einzulösen. Für die gesammte Bevölkerung erhielt Cook ebendamit den Heiligeunhein eines Gottes. Auf dem Wege warfen sich die Eingebornen in den Staub, die Priester richteten ihre Ansprachen und Gebete an ihn, man hätte ihn mit Weihrauchduft umgeben, wenn das auf Hawaï Sitte gewesen wäre. Der Befehlshaber ahnte, daß diese Erscheinung eine außergewöhnliche Ursache haben möge, da er sie aber nicht zu erklären vermochte, begnügte er sich damit, diese geheimnißvollen Umstände für die Bequemlichkeit seiner Mannschaft und die Fortschritte der Wissenschaften bestmöglich auszunützen.

Er kam dadurch freilich in die Lage, sich vielerlei Ceremonien zu unterwerfen, die ihm mindestens lächerlich erschienen. So wurde er z. B. nach einem, aus Steinen solid aufgeführten, vierzig Ruthen langen und vierzehn breiten Moraï geführt, dessen Oberfläche eingeebnet und mit einer hölzernen Balustrade abgeschlossen war, auf der viele, der Gottheit geweihte Schädel von Gefangenen bleichten.

Nahe dem Eingange der Plattform standen zwei große Holzfiguren mit grinsenden Gesichtern, der Körper von rothen Stoffen umhüllt und der Kopf von einem langen geschnitzten, umgekehrt kegelförmigen Holzstücke überragt. Hier bestieg Koah mit Cook eine Art Tisch, unter dem neben einem Haufen Früchte ein schon verfaultes Schwein lag. Dann brachten ein Dutzend Männer dem Kapitän in feierlichem Aufzuge ein lebendes Schwein dar und ein Stück rothen Stoff, mit dem er bekleidet wurde. Hierauf sangen die Priester einige religiöse Hymnen, während die übrige Versammlung vor dem Eingange des Morar andachtsvoll auf den Knieen lag.

Nach verschiedenen anderen Ceremonien, deren Aufzählung hier zu weit führen würde, brachte man dem Kapitän noch ein vollständig geröstetes Schwein, sowie die Früchte und Wurzeln, welche zur Bereitung der Ava dienen.

»Die Ava, sagt Cook, wurde, als sie fertig war, in der Runde umhergereicht, und als wir Alle davon gekostet hatten, theilten Koah und Pareea das Fleisch des Schweines in kleine Stücke und steckten sie mir und meinen Leuten in den Mund.« – »Ich ließ es ohne Widerwillen zu, äußerte sich darüber der Lieutenant King, daß mir Pareea, der sehr reinlich erschien, die Speise darreichte, Cook selbst aber, dem Koah dieselben Dienste leistete, konnte im Gedanken an das verfaulte Schwein kein Stückchen hinunter würgen; der Greis wollte seine Höflichkeit verdoppeln und bot ihm nun das Fleisch ganz zerkaut an,[250] wobei sich, wie man leicht errathen wird, bei dem Kapitän die Empfindung des Ekels nur steigerte.«

Nach der Ceremonie wurde Cook von Leuten mit dünnen Stäben in den Händen nach seinem Boote zurückgeführt. Jene murmelten dabei dieselben Worte und Phrasen wie beim Betreten des Landes, während das Volk am Saume des Weges kniete.

Diese Ceremonien wiederholten sich, so oft Cook an das Ufer kam. Immer ging vor ihm ein Priester mit dem Ausrufe her, daß Rono an's Land gestiegen sei, und befahl den Umstehenden, niederzuknieen.

Konnten die Engländer nun auch mit den Priestern, die sie mit Zuvorkommenheit und Geschenken halb erstickten, sehr zufrieden sein, so war das mit den »Carers« oder Kriegern doch keineswegs der Fall.

Diese unterstützten nämlich die täglich vorkommenden Diebstähle und trugen wohl auch an den häufigen Uebervortheilungen die meiste Schuld.

Bis zum 24. Januar 1779 fiel indessen nichts Besonderes vor. Am genannten Tage wunderten sich die Engländer, keine Pirogue zur Eröffnung des gewohnten Handels vom Ufer abstoßen zu sehen. Die Ankunft Terreeoboo's hatte die Bai mit dem »Tabu« belegt und dadurch jede Verbindung mit den ihre Fremden abgeschnitten. Am nämlichen Tage besuchte nur dieser Häuptling oder König ohne alle Umstände die Shiffe. Er kam in einer einfachen Pirogue mit seiner Gattin und seinen Kindern. Am 26. stattete Terreeoboo dann seine officielle Visite ab.

»Da Cook bemerkt hatte, heißt es in dem Berichte, daß der Fürst wieder an das Land gehen wollte, fuhr er ebenfalls nach dem Strande und kam fast gleichzeitig mit ihm an. Wir führten Alle dort in das Zelt; kaum hatten sie sich niedergelassen, als der König sich wieder erhob und mit graziöser Bewegung seinen eigenen Mantel über Cook's Schultern warf; dann setzte er ihm einen Kopfschmuck aus Federn auf und legte noch einen merkwürdig gestalteten Fächer in die Hände Cook's, zu dessen Füßen er noch fünf bis sechs sehr schöne und werthvolle Mäntel ausbreiten ließ.«

Terreeoboo und die Häuptlinge seines Gefolges fragten die Engländer inzwischen häufig nach dem Zeitpunkte ihrer Abreise. Der Befehlshaber wünschte sehr, die Ansicht der Hawaïer über die Engländer kennen zu lernen. Er hörte dabei nur, daß sie der Meinung wären, jene kämen aus einem Lande, wo es an Nahrungsmitteln fehlte, und wollten sich hier »nur die Bäuche füllen«. Die[251] Magerkeit einiger Matrosen und der Eifer, mit dem man Lebensmittel verlud, hatten in ihnen diese Anschauung erweckt. Doch fürchteten sie, trotz der seit Ankunft der Engländer verbrauchten großen Masse, keineswegs eine Erschöpfung ihrer eigenen Vorräthe. Wahrscheinlich wünschte der König sich nur einige Zeit, um ein würdiges Geschenk vorzubereiten, das er den Fremden bei ihrer Abreise überreichen wollte.

Am Vorabend des hierzu bestimmten Tages ersuchte der König die Kapitäne Cook und Clerke wirklich, nach seiner Residenz zu kommen. Hier lagen ganze Berge von Vegetabilien aller Art, Packete mit Stoffen, gelbe und rothe Federn aufgespeichert, und tummelte sich eine ganze Heerde Schweine. Es war das eine freiwillige Gabe der Unterthanen an ihren König, wovon Terreeoboo etwa den dritten Theil aller Gegenstände auswählte und das Uebrige den beiden Kapitänen überließ, ein so beträchtliches Geschenk, wie sie weder in Tonga noch in Tahiti ein ähnliches erhalten hatten.

Am 4. Februar verließen beide Schiffe die Bai, einige Havarien, welche die »Resolution« sich zuzog, nöthigten sie aber, nach wenig Tagen noch einmal dahin zurückzukehren.

Kaum hatten die Fahrzeuge Anker geworfen, als die Engländer eine auffallende Veränderung im Auf treten der Eingebornen bemerkten. Bis zum 13. des Nachmittags verlief indeß Alles ganz friedlich. Da verboten einige Häuptlinge dem Volke, den Matrosen beim Füllen ihrer Tonnen am Wasserplatze zu helfen. Es entstand ein kleiner Tumult. Die Eingebornen bewaffneten sich mit Steinen und nahmen eine drohende Haltung an. Der die Abtheilung commandirende Officier erhielt von Cook Befehl, Feuer zu geben, wenn die Insulaner noch mit Steinen werfen oder zu unverschämt werden sollten. Inzwischen wurde auch eine Pirogue mit Flintenschüssen verfolgt, da man voraussetzte, daß die Insassen derselben einen Diebstahl begangen hätten.

Zu gleicher Zeit erhob sich noch ein ernsthafterer Zwist. Eine Schaluppe Pareea's wurde von einem Officier weggenommen, der sie bis in die Nähe der »Discovery« brachte. Der Häuptling kam selbst, um sein Eigenthum unter Betheuerung seiner Unschuld zurückzufordern. Der Wortwechsel wurde lebhafter und Pareea von einem Ruderschlage getroffen. Jetzt bewaffneten sich die früher ruhig zuschauenden Eingebornen mit Steinen, zwangen die Matrosen, sich eiligst zurückzuziehen, und bemächtigten sich der Pinasse, die sie hergebracht hatte. Da mischte sich Pareea, uneingedenk der erlittenen Mißhandlung, dazwischen, lieferte[252] den Engländern die Pinasse wieder aus und stellte ihnen auch einige kleinere gestohlene Gegenstände wieder zu.

»Ich fürchte, die Eingebornen werden mich noch zu Gewaltmaßregeln zwingen, sagte Cook, als er von dem Vorgefallenen hörte; wir dürfen sie nicht glauben lassen, sie hätten über uns irgend einen Vortheil errungen.«

In der Nacht vom 13. zum 14. Februar wurde die Schaluppe der »Discovery« gestohlen. Der Commandant beschloß nun, sich Terreeoboo's oder einiger angesehener Persönlichkeiten zu bemächtigen und diese als Geißeln zurückzuhalten, bis die gestohlenen Gegenstände zurückerstattet seien.

Er ging also mit einer Abtheilung Marinesoldaten an's Land und sofort auf die Wohnung des Königs zu. Auf dem Wege mit gewohnter Ehrerbietung begrüßt, fand er auch Terreoboo nebst dessen beiden Söhnen, theilte ihnen kurz den vorgekommenen Diebstahl mit und veranlaßte sie, den Tag über an Bord der »Resolution« zu verweilen.

Seine Absichten schienen in Erfüllung zu gehen und die beiden jungen Prinzen hatten schon in der Pinasse Platz genommen, als eine der Gemahlinnen Terreoboo's diesen unter Thränen bat, sich nicht an Bord zu begeben. Einige andere Häuptlinge vereinigten ihre Bitten mit denen des Weibes, und die Insulaner, erschreckt über den nichts Gutes bedeutenden Auftritt, sammelten sich nun in dichter Menge um ihren König und den Commandanten. Letzterer drängte zur Einschiffung, doch als der Fürst dazu entschlossen schien, mischten sich die Häuptlinge noch einmal ein und hielten diesen mit Gewalt zurück.

Cook gab sein Vorhaben auf, da er einsah, daß es vereitelt oder doch nur mit großem Blutvergießen durchzusetzen sei, und wanderte friedlich am Strande hin, um sein Boot wieder zu erreichen, als sich die Nachricht verbreitete, daß man einen der vornehmsten Häuptlinge getödtet habe. Die Frauen und Kinder wurden nun sofort zurückgeschickt und die Männer drangen auf die Engländer ein.

Ein mit einem »Pahooa« bewaffneter Eingeborner belästigte den Kapitän, und da er auf dessen Drohungen nicht weichen wollte, feuerte Cook einen Pistolenschuß mit grobem Schrot auf ihn ab. Letzteren schätzte jedoch eine dicke Matte vor einer Verwundung und er wurde nun um so kühner; als jedoch noch andere Eingeborne auf ihn eindrangen, schoß er sein Gewehr auf den nächsten derselben ab und streckte ihn todt zu Boden. Das war das Zeichen zum allgemeinen Angriff. Als man Cook zum letzten Male sah, gab er den Booten ein Signal,[253] das Feuer einzustellen und näher heranzukommen, um seine kleine Truppe aufzunehmen. Vergeblich! Cook lag tödtlich getroffen auf dem Platze.

»Mit Freudengeschrei begrüßten die Insulaner sei nen Fall, sagt der Bericht; sie zogen seinen Leichnam den Strand empor, wobei sie einander an den Händen faßten, und konnten ihm in der Hitze nicht genug Schläge versetzen, obwohl er längst nicht mehr athmete.«

So endete der berühmte Seeheld, vielleicht der größte, den England hervorgebracht hat. Die Kühnheit seiner Pläne wie die Ausdauer in der Durchführung und der Reichthum seiner Kenntnisse haben ihn zum Typus des wahren See-Entdeckungsreisenden gestempelt.

Welche Dienste hat er allein der Geographie geleistet! Bei seiner ersten Reise bestimmte er die Lage der Gesellschaftsinseln, zeigte, daß Neuseeland aus zwei Landmassen besteht, durchschiffte die sie trennende Meerenge und nahm ihre Küste hydrographisch auf; endlich besuchte er die ganze Ostküste Neu-Hollands.

Bei der zweiten Reise verwies er den vielbestrittenen südlichen Continent, den Traum der Geographen vom grünen Tische, in das Reich der Fabeln; er entdeckte Neu-Caledonien, Süd-Georgia, das Sandwichs-Land und drang auf der südlichen Halbkugel weiter vor als irgend ein anderer.

Bei Gelegenheit seiner dritten Expedition hatte er den Hawaï-Archipel entdeckt und die Westküste Amerikas vom 43. Grade an, d. h. eine Strecke von mehr als dreitausendfünfhundert Meilen aufgenommen. Er war durch die Behrings-Straße eingedrungen und hatte sich in das Polarmeer, den Schrecken der Seefahrer, hineingewagt, bis ihm das Eis eine unüberwindliche Schranke entgegenthürmte.

Seine Talente als Seemann bedürfen des Lobes an dieser Stelle nicht; seine hydrographischen Leistungen leben ja fort; was aber am meisten hervorgehoben zu werden verdient, das ist die stete Sorgfalt für das Wohl seiner Leute, welche es ihm ermöglichte, seine langen, aufreibenden Fahrten mit so verschwindend kleinen Verlusten durchzuführen.

In Folge dieses unseligen Tages brachen die erschreckten Engländer ihre Zelte ab und zogen sich an Bord zurück. Vergebens suchten sie durch Bitten und Angebote wenigstens den Leichnam ihres unglücklichen Befehlshabers ausgeliefert zu bekommen. Schon wollten sie erzürnt Gewalt anwenden, als zwei mit Lieutenant King befreundete Priester ohne Wissen der Häuptlinge ein Stück Menschenfleisch im Gewichte von neun bis zehn Pfund herbeibrachten – das[254] letzte, was ihrer Aussage nach von Rono's Körper, den man der herrschenden Sitte gemäß verbrannte, noch übrig geblieben sei.

Dieser Anblick mußte die Engländer natürlich reizen, Wiedervergeltung zu üben. Ihrerseits hatten die Insulaner den Tod von fünf Häuptlingen und etwa zwanzig anderen Männern zu rächen. Deshalb begegneten die Engländer stets auf dem Wege zum Wasserplatze einer wüthenden, mit Steinen und Stöcken bewaffneten Volksmenge. Um ein Exempel zu statuiren, ließ Kapitän Clerke, der nun die Führung der Expedition übernommen hatte, das Dorf der Priester einäschern und Jeden über die Klinge springen, der Widerstand zu leisten wagte.

Zuletzt kam es doch noch zu Unterhandlungen, und am 19. Februar wurden den Engländern die Ueberreste von Cook, z.B. seine an einer breiten Narbe erkennbaren Hände, der Kopf, freilich ohne Haare, und einige andere Ueberbleibsel zurückgegeben. Drei Tage später erwiesen sie diesen theuren Resten ihres Kapitäns feierlich die letzten Ehren.

Nun begann der Tauschhandel wieder, als ob gar nichts geschehen sei, und kein weiterer Zwischenfall störte das Ende des Aufenthaltes an den Sandwichsinseln.

Kapitän Clerke hatte die Führung der »Discovery« dem Lieutenant Gore überlassen und seine Flagge nun an Bord der »Resolution« gehißt. Nach vollendeter Untersuchung der Hawaï-Gruppe segelte er dann nach Norden, besuchte Kamtschatka, wo ihn die Russen sehr freundlich empfingen, passirte die Behrings-Straße und drang bis 69°50' nördlicher Breite vor, wo ihm das Packeis den Weg versperrte.

Am 22. August 1779 verstarb auch Kapitän Clerke im Alter von achtunddreißig Jahren an Lungenschwindsucht. Nun übernahm Lieutenant Gore das Obercommando; derselbe ging nochmals bei Kamtschatka vor Anker, lief nachher Canton, später das Cap der Guten Hoffnung an und traf, nach mehr als vierjähriger Abwesenheit, am 1. October 1780 in der Themse ein.

Kapitän Cook's Tod betrauerte ganz England. Die königliche Gesellschaft der Wissenschaften zu London, die mit ihm eines ihrer hervorragendsten Mitglieder verlor, ließ ihm zu Ehren eine Medaille schlagen, wozu die Kosten unter Betheiligung der ersten Persönlichkeiten des Landes durch öffentliche Subscription aufgebracht wurden.

Bei dem Könige reichte die Admiralität ein Gesuch um Versorgung der Familie Cook's ein. Der König bewilligte eine jährliche Pension von fünftausend[255] Francs, nebst je sechshundert Francs für jede der drei hinterlassenen Töchter. Die auf die letzte Reise bezüglichen Karten und Zeichnungen wurden auf Kosten der Regierung gestochen, der Erlös aus dem Verkaufe derselben aber zwischen der Familie Cook's, den Erben des Kapitän Clerke und dem Kapitän King vertheilt. Am 3. September 1785 erhob man Cook's Kinder in den erblichen Adelstand.

Zur Feier des hundertjährigen Todestages Cook's war eine große Versammlung zusammengetreten, dar unter auch zahlreiche Vertreter der jetzt so blühenden australischen Kolonien, sowie des Hawaï-Archipels, wo er seinen Tod gefunden hatte. Eine beträchtliche Menge von dem großen Seefahrer herrührender Reliquien, seine Karten, die prächtigen Aquarellbilder Webber's, nebst Geräthen und Waffen der Inselbewohner Oceaniens schmückten dabei den Saal.

Die anerkennende Huldigung eines Volkes, dessen König schon vor hundert Jahren befohlen hatte, die wissenschaftliche und civilisatorische Aufgabe Cook's in keiner Weise zu beeinträchtigen, war ganz geeignet, im Vereinigten Königreiche einen dankenden Widerhall zu finden und die Freundschaftsbande zu befestigen, welche England und Frankreich in der späteren Zeit verknüpften.[256]

Quelle:
Jules Verne: Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXXIII–XXXIV, Wien, Pest, Leipzig 1881, S. 239-257.
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