16. An die Herrn Franzosen

[184] 3. Juni 1773.


Nehmt die Zither, und rühmt, mutiges Halls, Söhne Lutetias,

Selber, also gebührts! euren Gesang durch die erstaunte Welt!

Trotzt dem dorischen Schwung, welcher, im Ölschatten, Olympias

Reigen flügelt', und trotzt jenem, der Roms Wütrich gen Himmel riß!

Herrlich habt ihr erfüllt Ludewigs Wunsch! Nicht der lombardischen

Pickelheringe Kunst rüttelte so, so des Monarchen Wanst

Nicht der lustigste Schwank Roquelaurs selbst, als, wenn dem Atmenden

Most und Nymphen ihr sängt! Taumelnder noch tobt und centaurischer

Euch der Höflinge Tanz! Heißeres Bluts, birgt es die Schminke gleich,

Stürzen Mädchen im Flug tief in die Nacht flüsternder Myrten sich!


Billig schielet ihr Grimm über den Rhein in das abscheuliche

Land, wo Höchstädt vom Mord, Roßbach vom Mord feiner Franzosen raucht![184]

Billig schimpft ihr den witzlosen Gesang, welcher mit rauhem Schall,

Gott, dies Märchen! und ha! Freiheitsgewäsch tönet, und Vaterland!

Selbst die Ersten des Volks – selbst der Barbar, dessen geschliffnes Schwert

So unmenschlich euch schlug, schmähet den Kranz, welchen die Sprache Teuts

Seinen Siegen umwand, bettelt um den, der an der Marne sproßt!


Holder Amor, den oft, leider! der Ernst meines teutonischen

Lieds scheuchte; (wo nicht jetzt du im Arm deines Poeten schläfst,

Nicht der Schmetterlingsjagd Mattung, im Tau süßer Aurikeln, kühlst;)

Schau der bittersten Reu' Thränen, und gieb, gieb mir des goldenen

Bogens Saite, daß kühn folge mein Spiel Galliens Harmonie!

Dann, o Grazien, tanzt, fälschlichverhüllt, nach dem Parisertakt,

Tanzt zu meinem Gesang! schüttet den Kelch fünfmalgeläuterten

Nektars über ihn aus, daß mit Begier schöpfe des Jünglings Brust

Meinen zaubernden Trank; daß, ob vor Scham glühend die Schöne sich

Mit dem Fächer beschirmt, hinter dem Schirm lüstern sie lächele!

O der Freuden! Auch mir lächelt, auch mir, Sänger Lutetias!

Eine Schöne, das Haar gallischgetürmt, blitzend von Edelstein,

Und die Wange mit Schönfleckchen besä't! Mich! in dem zärtlichsten

Nasenton von Paris lockt mich ihr Mund, ha! zu dem Wonnekuß!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 184-185.
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