29. Heureigen

[262] 1785.


Wenn kühl der Morgen atmet, gehn

Wir schon auf grüner Au,

Mit rotbeglänzter Sens', und mähn

Die Wies' im blanken Tau.

Wir Mäher, dalderaldei!

Wir mähen Blumen und Heu!

Juchhei!


Die Lerche singt aus blauer Luft,

Die Grasemück' im Klee,

Und dumpf dazu als Brummbaß ruft

Rohrdommel fern am See.

Wir Mäher, dalderaldei!

Wir mähn in Schwade das Heu!

Juchhei!


Und scheint die liebe Sonne warm,

Dann kommt der Mägdlein Schar,

Den Rock geschürzt, mit bloßem Arm,

Strohhüt' auf glattem Haar.

Die Mägdlein, dalderaldei!

Sie harken Blumen und Heu!

Juchhei!


Der Bursch, umweht vom Duft des Heus,

Winkt oft den Mägdlein zu,

Und streicht die Sens', und wischt den Schweiß,

Und seufzt: Ach, harktest du!

Die Mägdlein, dalderaldei!

Sie häufen Schober von Heu!

Juchhei!


Ist weit hinab die Wiese kahl,

Dann lagern wir uns frisch

In bunter Reih zum frohen Mahl,

Am blüh'nden Dorngebüsch.[263]

Die Mägdlein, dalderaldei!

Ruhn gern selbander im Heu!

Juchhei!


Bepackt wird dann der Wagen ganz,

Daß Achs' und Leiter knackt;

Die schönste Dirn' im Blumenkranz

Wird oben drauf gepackt.

Hell kreischt sie, dalderaldei!

Gewiegt von duftendem Heu!

Juchhei!


Zur Bodenluk' hereingebracht

Wird dann die Last des Heus,

Und brav geschäkert und gelacht;

Denn Schäkern spornt den Fleiß.

Am Giebel, dalderaldei!

Stehn wir, und rasseln im Heu!

Juchhei!


Zuletzt beim Schmaus' und Reigen tönt

Schalmein- und Fiedelklang:

Da tanzt man, daß der Boden dröhnt

Den ganzen Abend lang;

Und schläft dann, dalderaldei!

Wir Bursche schlafen im Heu!

Juchhei!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 262-264.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Reigen

Reigen

Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.

62 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon