7. An Miller

[232] November 1772.


Mein allerliebster Miller,

Wer hat dich Ton und Triller

So silberrein gelehrt,

Daß nur auf dich die Schöne,

Und nimmer auf die Töne

Des armen Bruders hört?


Singst du nur ganz gewöhnlich;

Wie zauberst du! Wie sehnlich

Errötet dir das Kind!

Sie fängt sich an zu fächeln,

Und spricht, mit scheuem Lächeln:

Ei! wie Sie lose sind!


Doch wenn der Obotrite

Sich noch so sehr bemühte,

Ein Mienchen zu erflehn;

So spricht das Mädchen schimpfend,

Die kleine Nase rümpfend:

Das kann kein Mensch verstehn!


O lehre mich Selinden

Doch endlich überwinden,

Die unerbittlich ist!

Sie soll mit zwanzig Küssen

Dich einst bezahlen müssen!

Doch wenn du sittsam bist.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 232-233.
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