Dritte Szene.

[8] FAUST allein, in einer Art Verzückung.

Pyrithous ging hin zur Todesgruft,

Nicht konnt' es Theseus tragen.

Wer zeigt mir Acherons graue Kluft,

Ich, der Starke vermag nicht zu zagen.

Nichts fand ich – oder rufet die Magie

Des Zauberblattes schon geheimen Wesen?


Zaudert den Brief zu erbrechen.


Erbrech' ich ihn – ich bebe – holde Züge –


Sieht über ihn hinweg.


Ist's Frevel, übern Rubikon zu springen,

So wagt ihn Cäsar um Unsterblichkeit –


Liest.


Wie Träume – Scheiterhaufen – liebend Herz,

Wohl mahnt es hier: entflieh zu Seraphinen!


Das Gewitter nimmt fürchterlich zu.


Verderben wüthen zornige Gewitter. –


Auf den Brief deutend.


Allein wie kann der edle Stolz es eingeh'n?


Zerreißt den Brief, der Sturm hört auf.


Es mahnt ein unbekannter Zug an Schlummer,

Und täuschen mich die klaren Sinne nicht,

So endete das grimme Sturmgeheul,

Mich wehen milde Frühlingslüfte an.


Musik.


Horch – süßen Harfenton vernimmt das Ohr.

Umwallt ein Dunstgebild des Haines Zweige?[8]

Gestaltet sich sein Umriß – schlaf ich denn?

Ein Wandrer, den zum Abgrund Furien geisseln –

Mitleid, grausame Schaar –


Unter den letzten Worten ist ein leichter Dunst zur Höhe gestiegen, durch den man endlich einen jammernden Mann erblickt, von Schreckensgestalten nach einer tiefen Kluft gedrängt.


Quelle:
Voß, Julius von: Faust. Trauerspiel mit Gesang und Tanz. Berlin 1890, S. 8-9.
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