Funfzehnter Auftritt.

[54] Faust. Leviathan. Hernach Erscheinungen.


FAUST der vor Schrecken die Besonnenheit verlor.

Wie – wie? im Gotteshaus ein frecher Mörder?

Wer liegt erschlagen? wer?

LEVIATHAN.

Der Medizäer,

Des edlen Cosmus Sohn, der blüh'nde Jüngling,

Den alle Künste huld'gend rühmten.

FAUST.

Wehe!

Wo ist der Mörder? Jag' ihn, zerr' ihn her,

Auf, stachle alle deine Eumeniden!

Gehorche, du nichtswürdig träger Sklav!

LEVIATHAN.

Im Vatikan ist diese That geheiligt.

FAUST.

O widerrufe deine Lüge, Teufel!

LEVIATHAN lachend.

Pabst Alexander sandte Borgia:

Ein rüstiger Gesell, solch Werk zu lenken.

Das blumige Toskana winkt dem Stuhl

So nachbarlich, kann Peters Lande runden,

Wenn dieser letzte Zweig nicht länger athmet –

FAUST ungestüm.

Auf! durch die Luft, auf Lichtes Fittig sende

Mir diesen Pabst, hier weil' er am Altar,

Wo des Erschlagnen Blut den Marmor röthet.

LEVIATHAN vor sich.

Gut, ich verschwend' ihm willig Gaukelei!


Donner. An dem Platze, wo Medizis stand, erhebt sich eine Gestalt mit Tiare und päbstlicher Kleidung.
[54]

FAUST.

Ha, wie er prangt in der Tiare Schein!

Des Fischers Hütte soll dein Erbe sein,

Du Teufel auf des heil'gen Thrones Stufen,

Zum Himmel will ich, der Verdammte, rufen:

St. Peter, höre der Beschwörung Macht,

Sieh deines Stellvertreters üpp'ge Pracht.

LEVIATHAN vor sich.

Mag sein, ein neues Wahngebild erscheine!


Donner. Auf dem Altar läßt sich eine einfache Gestalt mit Schlüsseln sehn.


FAUST auf einem Knie.

Fürbitte will ich nicht für mich erflehn,

Den heiligen Despoten niederdonnern.


Donner. Der Pabst sinkt zusammen. Peters Gestalt verschwindet.


FAUST.

Hinweg nach Rom auf magischem Gefieder,

Wir sehn einander unten wieder!

PABSTS GESTALT versinkt.

FAUST.

Zu Hülfe, Geistermacht! Erdbeben, auf!

Vesuv und Aetna, regt euch, mir zu dienen,

Werft den entweihten Tempel in Ruinen.


Ab.

Schrecklicher Sturm und Donner.


LEVIATHAN.


Arie.


Tiefe Klüfte, Höllenflammen,

Speiet eure Geister aus,

Zündet, werft den Bau zusammen,

Trümmert ihn in Nacht und Graus.


Leviathan sinkt in die Erde, die Kirche brennt und stürzt unter fürchterlichem Krachen, das eine

wilde schmetternde Musik und laute Donner

begleiten, ein.


Ende des dritten Aufzuges.
[55]

Quelle:
Voß, Julius von: Faust. Trauerspiel mit Gesang und Tanz. Berlin 1890, S. 54-56.
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