Dreizehnter Auftritt.

[67] Faust. Leviathan, die aus dem Hintergrunde kommen. Vorige.


LEVIATHAN.

Wohlan, blick' auf mein Eiland, prüfe, ob

Dem Nimmersatten endlich es nun g'nügt?

Nicht senget Föbus hier die blum'gen Auen,

Eunomia nur spendet Rosengluten,

Und sanften Schein der Mond dem ew'gen Mai.

Die Quellen wogen Honigseim und Milch,

Aus Liliendüften segeln leichte Wolken

Am Himmel, gießen Thau auf holde Blüthen.

Hier schweigt die Klage, naht kein Tod, die Luft

Haucht einen Balsam. Leben, Jugend, Schönheit,

Bei seinem Einfluß nimmer sich umwandeln.

Sieh nur die Mädchen an, für Dich gesammelt,

Nicht einen Fehl an ihnen Tadel schmäht.

Den Pinsel und den Meißel könnten wohl

An ihnen die Hellenen üben, und

Des Schönen Kunde neue Einsicht lohnen.

Nicht winden sich zum Schmuck die Hände Blumen,

Denn Papagoien und Silphiden pflücken

Sie von den Beeten, schweben in die Höhen,

Und lassen sie auf Haar und Busen fallen.

Die Huldinnen nur reden zarte Dichtung

In lieblichem Gesang, den Aeolsharfensaiten

Und Nachtigallenkehlen süß begleiten.[67]

Hier laben Früchte Dich, und Rebensaft,

Wie Hebe's Schaale nie ihn im Olymp ergossen,

Nie altert, Seliger, hier Deine Kraft. –


Mit Anmaaßung.


Sieh, diese Welt hab' ich für Dich zu Stand gebracht,

Und nicht einmal sechs Tage d'ran gemacht.

FAUST schaut entzückt umher.

LEVIATHAN.

Nichts sagt Dein stummer Mund?

FAUST.

Mein Schweigen rede.

LEVIATHAN auf ein Mädchen zeigend.

Die auf den Hiazinthenmatten weilt,

Ist von dem Steppenland am Kaukasus,

Wo sich dem Moslemin die Reize handeln.

So hingegeben naht Dir keine Schöne.


Er winkt, die Czirkasserin vollzieht ein kurzes Solo.


LEVIATHAN deutet auf zwei andere.

Die Beiden hier, geschmückt mit Tulipanen,

Gebar das liebliche Castilien.

Auf, windet Euch in des Fandango Anmuth!


Zwei Spanierinnen tanzen.


LEVIATHAN.

Die Nettgewandte, mit dem Zephyrgang,

Auf deren Arm sich Schmetterlinge wiegen,

Kam von Paris, der Seine neuem Theben,

Witz ist ihr Kuß und Grazie ihr Umfangen.

Die Hohe unter den Platanen dort

Ist eine Brittin, liebt nicht leicht, doch ewig.

Verachte mir auch nicht die dunkle Schönheit,

Die sich die Ananas dort bricht. Guinea

Nennt sie des Mondes und der Sterne Kind,

Wohl flammet ihre Liebe Sonnengluten.


Die Pariserin, Engländerin und Negerin tanzen.
[68]

LEVIATHAN.

Hier nahen Schönen aus Teutonien,

Hell wallen ihre Locken, sinnig athmen

Die schönen Busen sanfte Zärtlichkeit.

Dies Kind naht aus dem regen Sachsenland,

Aus Wien die Stattliche, die braune Schwäbin

Fliegt gern im raschen Wirbeltanz dahin.


Vier Mädchen tanzen.


FAUST während des Tanzes.

Es lebe Mahomed, ein Thor war Platon!

Und – so ich immerdar nun auf dem Eiland weile?

LEVIATHAN.

Wenn nicht mehr schwelgen der Sinn, der Geist noch streben mag,

Dann endet der besiegelte Vertrag.

FAUST.

O Trunkenheit, so bin ich denn unsterblich!

Weg Streben, schwelgen will ich, selig schwelgen!


Blickt auf eins von den deutschen Mädchen, das verschämt das Gesicht bedeckt, und sich abwendet, da er sich hinneigt.


Woher ist diese zarte blöde Schönheit?

LEVIATHAN.

Aus einem winzgen Rattennest im Sande,

Doch macht die Zukunft es noch groß und weit

Berühmt. Man nennt das Oertlein an der Spree Berlin.

FAUST.

Sind so verschämt und furchtsam dort die Mädchen?

LEVIATHAN.

Wie diese Alle. Wehe, wer von Liebe

Dort spricht. Aus Magdeburg hat einem Bürger

Ein zärtlich Wort das Leben einst gekostet.

FAUST.

Wie grausam![69]

LEVIATHAN.

Nun, der Freuden hoher Günstling,

Wähl' eine Königin des Festes Dir!

FAUST.

Die Spröde von Berlin, nicht eine andre.


Er zieht sie auf einen Rasen und kost mit ihr. Während dessen gruppirt sich ein Tanz am Hügel und ein anderer im Vorgrund. Der Chor: »Lieblich weben in athmenden Lüften u.s.w.« wird wiederholt.

Leviathan wird endlich aufmerksam und horcht nach dem Meere hin. Man hört aus einiger Entfernung Seraphina's Cither, welche bei den Halten im Tanz ertönt.


LEVIATHAN zu einem Mädchen.

Was ist?

DAS MÄDCHEN wie alle übrigen vor Schrecken bebend.

Ein Nachen will am Ufer landen.

EIN ANDERES.

Er muß die Unschuld tragen.

NOCH EIN ANDERES.

Denn wir beben!

LEVIATHAN verwirrt wie Alle.

Wo Unschuld nahet, endet meine Macht,

Und alle Zauber müssen plötzlich schwinden.

Weh diesem Eiland – doch vielleicht dem Plan

So eher Reife –

SERAPHINA dicht am Lande.

Horcht, die Arme

Euch verkünde,

Zu tiefem Harme

Geleitet Sünde –


Hier ist sie am Ufer, als Knabe wieder.
[70]


Quelle:
Voß, Julius von: Faust. Trauerspiel mit Gesang und Tanz. Berlin 1890, S. 67-71.
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