Scena tercia.

[248] Cayn, Abel.


CAYN.

Ich bin gewest auff dem acker mein,

Do steth das korn lüstig und feyn,

Die andren frucht desgleichen thun,

Darumb ich wil auch haben nun

Ein guten mut fru und auch spat;

Aber damit ich nicht so drath

Gottes vergesse gantz und gar

Und das er mir mein korn vorwar,

So wil ich ihm ein opffer thon

Von meinen früchten also schon,[248]

Und hoff, sol ihm wolgefallen,

Weil mirs gepürt vor ihn allen.

Ich bin elter dann Abel ist,

Drumb gebürt mir zu aller frist

Das opffer und das priesterthum,

Desgleich ich hab beim vater rhum,

Das ich auch bin das liebste kindt,

Darumb sol mirs nicht feilen hint,

Gott werdt mein werck und opffer schon

Derhalb ansehn im höchsten tron.

ABEL.

Ach, Gott hat mich durch sein genad

Gesegenet so schnel und drath,

Das mir das fyhe so wol gedeigt

An mein vordienst zu aller zeit,

Darumb ist nodt zu aller stundt,

Das ich Gott danck aus hertzen grundt.

Aber viel mehr sal ich bdencken,

Das mir Gott mein sündt wil schencken,

Die ich vom vater hab geerbt.

Ich bin damit auch gantz vorterbt,

Das ich ein kindt des todes bin,

Doch weil mir Gott vorstandt und sin

Geben hat durch sein heilig wordt,

Das ich erken den höchsten hordt,

Des weibes sam, der komen sal

Und lossen mich aus aller qual,

So wil ich Gott auch danckbar sein,

Ihm opffern von den schaffen mein,

Das ich stetz ihn lob und preise,

Sein genadt inn mir beweise,

Die gibt er mir an all vordienst,

Aus lauter güdt, ist kein gewinst.

CAYN.

Ich weis schir nicht, was ich mach,[249]

Ubel vordreist mich diese sach,

Das sich Gott zu mir nicht wil kern,

Mich und mein opffer nicht wil ehrn,

Helt sich zu Abels opffer gantz,

Erleuchtet das mit seinem glantz.

Das vordreust mich von hertzen sehr,

Ich wolt auch schir, das kein Gott wehr,

Wils darzu dem Abel dencken

Und ihm zur zeit recht eintrencken.


Quelle:
Dramen von Ackermann und Voith. Tübingen 1884, S. 248-250.
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