Scena septima.

[301] Gesetz, Sathan, Sündt, Todt.


GESETZ.

Lieben geseln, nu komet her!

Ich hab gehört itzt böse mehr,

Dann einer itzt auch komen ist,

Der nennet sich den Jhesum Christ,

Er gibt sich aus vor Gottes son,

Seins vaters wort er predigt schon,

Thut mich, das gesetz, vorwerfen gar

Und brengt erfür ein newe lar,

Spricht: Wer do gleubt an ihn gantz hart,

Darff mich nicht halten zu der fart;

Von dir, der sündt, wert er erlost

Und auch von dir, dem todt, getrost;

Du, Sathan, wer st han kein gewalt.

Darum erdencket radt gar baldt,

Das solchs gesche zu keiner frist.

Vorwar es hoch von nöten ist,

Dann wu das volck nimpt an sein lahr,

So müssen wir auch gantz und gar

Zu bodem gehn, das ist gewis,

Darumb vorwar kein schertz es ist.

SATHAN.

Vorwar, gesel, kein not es hat,

Ich breng ihn dir, dem todt, so drath

Gantz behendt durch die diener mein,

Sein eigen volck, die Jüden sein,

Wil sie mit list darzu bringen,

Mir inn dem sol wol gelingen,

Sie werden meinen gantz und gar,

Das sie Gott thun ein dinst vorwar,

Wenn sie erwürgen diesen man,

Der wider dich, das gesetz, hat gethan,[302]

Und sol werden zu dieser farth

Ans creutz gehengt, geschlagen hart,

Des schmelichsten todts sol er sterben,

Sein nam und geschrey mus vorterben.

SÜNDT.

Hört, was ich thun wil zu der farth!

Ich wil sein volck vorstocken hart,

Sie sollen werden gantz vorblendt,

Das er von ihn nicht wert erkendt,

Ihn halten vor ein menschen blos,

Der von Joseph aus Maria schos

Geporen sey an allen schein,

Und ab er wol auch kompt herein

Mit der predig, seins vaters worth,

Vorachten sols an allem orth,

Darzu die wunder zeichen klar,

Damit er bestetig seine lahr,

Sie sprechen soln zu aller stundt,

Sein predig ghe aus falschem grundt,

Aus krafft des teuffels allezeidt,

Noch dem sein lehr auch wider streit

Dir, dem gesetz, gantz uberal,

Dann sie dich auch fast alzumahl

Im falschen gebrauch thun halten,

Vormeinen durch dich mannichfalten

Allezeit auff dieser erden

Durch dein werck selig zu werden.

GESETZ.

Darumb ich helff mit allem fleis,

Das die Jüden bey alter weis

Bey mir, dem gesetz, thun bleiben,

Derhalb sie ihn gewis entleiben,

Dann so er blieb auch an gefehr,

So nehm das volck an seine lehr,[303]

Macht sie an seel und leip gesundt,

Wir, unser reich ging gar zu grundt.

TODT.

Das müst nicht sein zu dieser farth,

Keiner noch nie geporen wardt,

Er müst mir auch werden zuteil,

Derhalb er auch itzt mus ans seil,

Er müs daran auch gantz erwürgen,

Gegen mir hat keinen bürgen.

SÜNDT.

Liebn geseln, thut fleis inn sachen,

Ich wil mich an ihn auch machen

Mit aller list, kunst und krafft,

Ab ich ihn möcht, bringen inn hafft,

Das er inn mir verzweifelt gar,

So kem er auch inn unser schar.

Ach seht, er konipt itzt schon doher,

Wir wölln ihn auch mit gefehr,

Mit allem ernst nu greiffen an.

GESETZ.

Hörstu? was bistu vor ein man,

Das du kumpst her inn unser reich?

Vormeinst, das dir sey niemants gleich,

Wilts mich, mein gsellen vorheren,

Thust wider mich, das gesetz, leren,

Vormeinst das auffzuheben droth,

Das Gott seim volck gegeben hoth,

Darumb du must an unsen tantz,

Dann du hast itzt vorsehn die schantz.

SATHAN.

Halt fest, gesel, und sich wol zu,

Das du auch ihn behaltest nu,

Das er auch uns itzt nicht entreist,

Sein sterck und krafft er hat beweist[304]

Gar offt an mir, ichs sagen thar.

SÜNDT.

Halt, ich wil euch auch helffen zwar,

Er sol uns itzt entlauffen nicht.

Was gilts? er mus mit uns gericht

Noch unser geigen springen baldt.

TODT.

Ja, er ist nu inn unser gewalt,

Wir wollen ihm recht thun leren,

Wie er das volck von uns sol keren.


Quelle:
Dramen von Ackermann und Voith. Tübingen 1884, S. 301-305.
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