Scena nona.

[308] Gesetz, Sünd, Todt, Sathan.


GESETZ.

Wie dünckt euch nu, ihr geseln guth,[308]

Last uns haben ein guten mudt,

Mit uns es nu kein mangel hot,

Weil Christus, unser veindt, ist todt.

SÜNDT.

Ich halt, es hab auch mangel nicht,

Des schendtlichsten todts er ist glicht,

Am creutz gestorben zu der frist,

Derhalb er auch vordammet ist,

Darzu vorfluchet gantz und gar

Und kompt also an unser schar.

TODT.

Ja ich mein, ich hab ihm eins geben,

Mitgnomen sein gantzes leben.

Was kan er nu ausrichten mehr?

Wer wil nu gleuben seiner lehr,

Auch dem, das do von anfang ist

Von ihm vorheischen zu der frist,

So doch die menschen alzugleich

Gestorben seint inn unsrem reich,

Wie wir al haben vornomen,

Seint zu dir, dem Sathan, komen?

SATHAN.

Ja gesel, das ist alles war,

Bey mir so ist die gantze schar,

Die von anfang gestorben seint,

In finsternis noch sitzen heint,

Und hoff sie zu behalten al,

Die andren zu kriegen alzu mahl.

Aber ich bit, nu sagt mir recht:

Ist Jhesus gestorben so schlecht,

Wu mack doch seine seele sein?

Ich hab sie nicht inn meiner pein,

Darzu ich der nicht hab vornomen,

Weis nicht, wur sie ist hin komen.

Das ist mein feil und grosse klag[309]

Und ist schon heut der dritte tag.


Seth, lieber, seth, wer ist auch der,

So dorth kompt mit dem banner hehr?

GESETZ.

Ach, ach, was fragstu? siestu nicht,

Es ist Christus, der do gericht

Von dir, dem todt, erstanden ist.

Wie wöllen wir zu dieser frist

Vor ihm bestehn zu aller stundt?

Wir müssen nu al gehn zu grundt.

SÜNDT.

Gantz sehr ich des erschrocken bin,

Lieben geseln, wo wöln wir hin

Flihen, do wir vor ihm bleiben?

Hab sorg, wert uns gar zureiben.

TODT.

Ich wolt schon, das ich wehr darvan,

Die sach sieth mich gantz ubel an,

Hab sorg, wert gar verloren sein

Al unser gwalt und krafft, ich mein.

SATHAN.

Wir wöln darumb vorzagen nicht,

Nu kompt mit mir al sampt gericht

Inn meine burck und vestes schlos,

Das mack erleiden wol ein stos.

Wenn ich vorschlies dasselbig haus,

So mus er noch wol bleiben draus,

Dann ich hab noch nie vornomen,

Das mir der gringst doraus sey komen.

Nu seumpt euch nicht lang und komet risch,

Das er uns nicht ergreiff so frisch!


Quelle:
Dramen von Ackermann und Voith. Tübingen 1884, S. 308-310.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Cleopatra. Trauerspiel

Cleopatra. Trauerspiel

Nach Caesars Ermordung macht Cleopatra Marcus Antonius zur ihrem Geliebten um ihre Macht im Ptolemäerreichs zu erhalten. Als der jedoch die Seeschlacht bei Actium verliert und die römischen Truppen des Octavius unaufhaltsam vordrängen verleitet sie Antonius zum Selbstmord.

212 Seiten, 10.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon